Kapitel 27 - Morgen

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Man sollte meinen, dass Nächte in so einem Menschenknäuel unbequem wären. Dass man des Öfteren mal so einen Arm oder ein Bein abbekam und sich selbst überhaupt nicht bewegen konnte.
Aber dem war nicht so. Es war kuschelig und man brauchte keine Decke, weil alle sich gegenseitig wärmten.

Als Dexter am nächsten Tag die Augen öffnete, spürte er, dass bereits einige aufgewacht waren. Unter anderem Charlie.

"Müssen wir uns nicht für heute noch vom Unterricht abmelden?", fragte Finn, der in Dexters Haaren herum spielte, als sei dessen Kopf ein Handschmeichler.
"Quatsch. Die wissen das doch schon. Haben doch drüber gesprochen.", widersprach irgendwer.
"Das ist so unangenehm, dass die uns die ganze Zeit angucken können... Ich meine selbst im Bad..."
"Wenn einer so viel Langeweile hat, dass der dir beim Kacken zuguckt, dann hat er es auch verdient.", schnaubte Declan.

Dexter rieb sich verpennt seine Augen.

"Hunger. Füttert mich.", jammerte irgendwer.
"Wir gehen gleich Essen.", entschied Charlie und setzte sich auf. Dexter traute sich nicht auch nur in dessen Nähe zu gucken.

"Das ist schon ein bisschen Badass. Erst in die Kantine frühstücken und dann wieder ins Zimmer, statt in den Unterricht zu gehen.", freute sich Finn.
"Charlie...", fiepte der, der wohl an Dexters Knöchel gelegen hatte.

"Komm her, Iker.", befahl Charlie und dann schob sich ein Junge zwischen Dexter und den Alpha, dem Dexter sofort Platz machte.
Okay. Der war immerhin etwas kleiner als Dexter. Schwarze Haare und braune Augen.

"Hey, Dexter komm mit.", forderte Finn und Dexter sprang sofort auf, um zu gehorchen.

"Den müsste man mit nem Hochdruckreiniger abspritzen und der würd immer noch nach Schlampe für einsame Wölfe riechen.", grummelte Declan. Irgendwer lachte.

Charlie knurrte.
"Er ist hier. Leb damit.", knurrte er in einer Tonlage, die dafür sorgte, dass Dexter mit weichen Knien hinter Finn her schlich.

"Sie streiten... Wegen mir...", flüsterte er angespannt, sobald die Badezimmertür zu war. Es gab mehrere Toiletten hinter abschließbaren Türen. Sie standen in einem Raum mit mehreren Waschbecken und Duschen.

"Keine Sorge, Puppy. Du bist nur ein weiterer Grund...", seufzte Finn.
Dexter fiepte.

"Awwww! Unglaublich, dass die dich allein in ein Zimmer packen wollten.", kicherte Finn und legte seine Hand in Dexters Nacken. Nichts im Vergleich zu Adam. Aber besser als nichts.

"Weißt du... Die Lehrer hier hatten Declan als Alpha bestimmt. Aber... Menschen können das nicht. Charlie hat Declan heraus gefordert und gewonnen. Declan passt das nicht. Er sieht sich im Recht, das Rudel zu haben. Er ist quasi aus Prinzip gegen alles, für das Charlie ist und anders herum. Als Declan gegen dich gewettert hat war klar, dass Charlie für dich sein wird. Aber dass sogar Iker Platz machen musste..."
"Ich wollte keinen verdrängen..."
"Hast du nicht. Charlie hat das bestimmt. Hättest du durch einen Kampf Ikers Platz bekommen, wärst du Schuld. So aber nicht. Keine Sorge. Iker weiß das. Der mag dich. Nur bei Declan musst du aufpassen. Und bei Zac. Aber sonst... Charlie hat dich ja schon akzeptiert und letztlich kommt es eben auf den an."
"Hm...", murmelte Dexter und hatte Lust sich selbst im Klo runter zu spülen und zu hoffen, dass es besser wäre, wo immer er dann raus kommen würde.

"Kannst du mich nicht doch behalten?", fragte Dexter. Finn war nett zu ihm.

"Awww! Du bist so putzig.", freute sich Finn, als die Badtür sich öffnete und Charlie und Iker den Raum betraten.

"Er möchte, dass ich ihn behalte. Darf ich ihn nicht doch haben?", fragte Finn Charlie begeistert und patschte auf Dexters Kopf herum, der ein wenig ängstlich zu Iker sah, dem er, seinem Gefühl nach, in der letzten Nacht den Platz trotzdem geklaut hatte.

"Nein. Macht euch fertig. Wir wollen los. Dexter, du kriegst was von mir an.", bestimmte Charlie und drückte Dexter einige Kleidungsstücke in die Hand.

Der sprang, gleichzeitig mit Finn unter die Duschen. Der Alpha blieb im Raum, bis auch Iker, der als Letzter duschte, fertig war. Finn wartete auf den Alpha, also schloss Dexter sich einfach an, sodass sie zu viert das Bad verließen. Die Kleidung war ihm viel zu groß. Aber egal.

Sobald sie auf dem Gang waren, prasselten wieder all die Gerüche auf Dexter ein. Und damit dachte er automatisch wieder an den gestrigen Abend. Und auch an Adam. Er unterdrückte krampfhaft das Fiepen, welches sich nur zu gern aus seiner Kehle hochkämpfen wollte.

Er hatte keine Ahnung, wie die hier sonst her liefen, aber er konnte den Drang, hinter Charlie her zu gehen, nicht unterdrücken. Iker ging neben diesem, Finn rannte voll gegen einen Mülleimer und wirkte generell eher verträumt und so, als würde er sich nicht um einen bestimmten Platz scheren. Declan und Zac erkannte er an ihren missbilligenden Blicken in seine Richtung. Dann war da noch ein Junge mit asiatischem Einschlag, der schräg neben Dexter ging, ihm zunickte und sich als Naoki vorstellte. Das wars. Gut. Dexter kam aus einem Zweipersonenrudel. Also hatte er hier schon das Gefühl, mit einer ganzen Fußballmannschaft unterwegs zu sein.

Er achtete kein bisschen darauf, wo er her ging. Er folgte nur Charlie und hoffte, hier niemals wieder allein sein zu müssen.

Schließlich kamen sie in einer typischen Schulkantine an und holten sich ihr Essen.

Zwei Scheiben Brot, ein Brötchen, Belag, ein Apfel, eine Banane und ein Joghurt. Dazu Tee.
Dexter saß noch nicht ganz auf seinem Stuhl ganz am Rand, als Charlie sich seinen Joghurt nahm. Schade. Aber gut... War halt so.

Und dann wollte auch jemand nach der Banane greifen.
Das Knurren von Charlie ließ Dexter zu Boden gehen. Aber immerhin war er nicht allein. Auch Finn und Iker lagen am Boden. Wobei die beiden sehr routiniert und nicht ängstlich wirkten, wie Dexter sich fühlte.

"Ist schon gut, Puppy. Er meint nicht uns.", grinste Finn und spielte wieder mit Dexters Haaren. Der fühlte sich schuldig. Ging ja um sein Essen.

"Charlie klaut nur am ersten Tag Essen - symbolisch - und wenn er schlechte Laune hat.", erklärte Finn unbekümmert.
"Als Declan noch Alpha war, war es schrecklich...", murmelte Iker, zu dem Dexter sich noch immer nicht traute, hinzusehen.
"Hihi. Puppy, Iker kennt das nicht, dass sich ihm einer unterordnet. Der weiß nicht, was er machen soll.", kicherte Finn, während über ihnen noch immer geknurrt wurde.

Verwirrt blickte Dexter nun doch zu Iker, der den Blick planlos erwiderte.

Werwolf wider Willen - wird fortgeführt auf StorybanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt