Kapitel 3

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Kaum war ich draußen vom Park, umklammerte ich meine Tasche so doll, dass meine Knöchel weiß hervorstachen. "Wie schmeckt es dir?", fragte meine Mutter und steckte sich noch eine Gabel Gemüseauflauf in den Mund. Das bekam ich aber nur halb mit. Wenn sogar gar nicht. In Gedanken spielte mein Kopf noch mal die Szenen im Park ab. Sie schaute mich erwartungsvoll an. Jetzt erst bemerkte ich, dass meine Mutter mich etwas gefragt hatte. "Hm?", machte ich, immer noch etwas in Gedanken. "Wie es dir schmeckt.", wiederholte meine Mutter. "Oh... gut.", sagte ich. Sie musterte mich mit zusammen gezogenen Brauen. "Irgendwie verhältst du dich den ganzen Nachmittag schon ziemlich merkwürdig...",stellte sie fest. Ich zuckte nur mit den Schultern und aß noch etwas vom Auflauf. "War... heute irgendetwas in der Schule?", fragte sie. "Das Fest.", erinnerte ich sie. "Oh, ja, stimmt. Schön, dass es dir gefallen hat. Aber... wo bist du die ganze Zeit in Gedanken?", fragte sie mich. "Ähm... wir schreiben... nächste Woche eine Physikarbeit.", redete ich mich raus. Das mit der Physikarbeit stimmte zwar, aber ich hatte mir darüber bisher keine Gedanken gemacht. In Physik war ich eigentlich ganz gut."Hast du schon gelernt?", fragte meine Mutter mich. "Ein bisschen.", meinte ich und aß das letzte Stück Auflauf von meinem Teller. Meine Mutter nickte und stand auf. Sie stellte ihren Teller in die Spülmaschine und ich tat das Gleiche. "Heute... bist du irgendwie fröhlicher als sonst.", stellte meine Mutter lächelnd fest. Ich zog eine Augenbraue hoch. Das Erste, was ich am Morgen hörte, war ein grauenhaftes Piepen.Ich hasste den Ton meines Handyweckers. Warum änderte ich ihn nie?Ich öffnete verschlafen die Augen und stellte den Wecker aus. Langsam richtete ich mich im Bett auf und gähnte. Gestern Abend hatten meine Mutter und ich noch ewig eine (eigentlich ganz okay) Serie geguckt. Als ich dann um zehn im Bett war, dachte ich noch sehr lange über Aaron nach. Ich wusste nicht wie lange, aber der Müdigkeit von mir zu beurteilen, war es wohl ziemlich lange gewesen.Meine Mutter war wohl schon wach, denn von unten war das Geräusch unseres Toasters und der Kaffeemaschine zu hören. Sie hatte gestern Abend häufig betont, wie schön sie es fand, dass ich mal wieder gute Laune hatte und so häufig Lächeln würde und als in der Serie, die wir geguckt hatten, eine Szene kam, wo ich lachen musste, umarmte mich meine Mutter danach ewig. (Anscheinend schien es sie nicht zu stören, dass es eine Szene war, wo jemand starb und alle heulten. Die Leiche war aber wirklich schlecht.)Verschlafen ging ich die Treppe hinunter und begrüßte verschlafen meine Mutter. Sie lächelte mich an. "Gut geschlafen?"Hm. Mal überlegen. Ich hab die halbe Nacht über einen Jungen nachgedacht, der mit mir gesprochen hat, hab auch danach kaum Schlaf gefunden und wurde heute morgen von einem ohrenbetäubenden Piepen geweckt."Ja."Das Lächeln meiner Mutter ließ kurz aus, als sie ein Blick aus dem Fenster warf, wo es in Strömen regnete. "Soll ich dich heute fahren?" Ich überlegte. Die Vorstellung, alleine im Regen zu laufen, war jetzt nicht gerade prickelnd. "Okay." Meine Mutter lächelte." Ich hab schon Frühstück gemacht.", sagte sie und klang dabei etwas stolz. Zusammen setzten wir uns an unseren kleinen Küchentisch und aßen die Toasts und das Obst, was meine Mutter vorbereitet hatte. Ich setzte gerade meinen Rucksack auf, als meine Mutter aus dem unteren Bad kam und endlich fertig war. "Da bist du ja endlich.", sagte ich zu ihr, als sie vor mir stand. "Ich hab heute noch einen wichtigen Termin.", erklärte sie mir und klappte ihren Regenschirm auf. Zusammen liefen wir die Straße runter und stiegen in das weiße Auto meiner Mutter. Kurz vor der Schule hielt meine Mutter und ich stieg aus.
"Viel Spaß in der Schule, Ivy.", sagte meine Mutter zu mir und gab mir noch schnell den Regenschirm.
"Ciao.", sagte ich und lief los zu meiner Schule. Als ich im Gebäude war hatte sich der Regen immer noch nicht beruhigt. In den ersten beiden Stunden hatten wir Erdkunde. In Erdkunde war ich eigentlich okay.Unsere Erdkundelehrerin, Frau Gesel, hatte letzte Woche angekündigt, dass wir in Zweierteams Steine untersuchen würden. Keine Ahnung welche, ehrlich gesagt hatte ich ihr kaum zugehört. Unser Erdkunderaum lag in der zweiten Etage. Kaum öffnete ich die graue Tür zum Raum, waren alle Blicke auf mich gerichtet. Ich suchte irgendwo die grau blauen Augen von Aaron, konnte sie aber nirgends entdecken. Die Blicke der Mädchen wendeten sich sofort wieder zu ihren Sitznachbarn. Alle begannen wieder zu Tuscheln. Ich konnte mir schon denken, auf wen sie warteten.Auf die selbe Person wie ich.Frau Gesel war noch nicht im Raum. Sie kam meistens zu spät, da sie, wie sie uns immer beibrachte, eine Stunde von unserer Schule entfernt wohnte. Kaum saß ich an meinem Platz, öffnete sich die Tür und Aaron kam herein.Sofort zog er alle Blicke auf sich. Die Mädchen starrten ihn alle verträumt an. Innerlich verdrehte ich die Augen. Aaron ging in die vordere Ecke des Raumes, neben das Smartboard und guckte sich um. Irgendwie sah er wieder gelangweilt aus. Es dauerte nicht lange, da kam Frau Gesel keuchend im Raum an. Als erstes entschuldigte sie sich für die Verspätung. Wie häufig hatte ich diese Entschuldigung wohl schon gehört?Nach ihrer Entschuldigung packte sie Aaron leicht an den Schultern und schob ihn vor sich. "Dass ist euer neuer Mitschüler. Aaron. Erzähl doch etwas über dich, Aaron.", sagte sie und schaute ihn auffordernd an (inzwischen stand sie neben ihm). "Ich bin Aaron.", begann Aaron. Alle warteten darauf, dass noch etwas kam, aber er sagte nichts mehr. Nach langem, unangenehmen Schweigen, gefüllt von verwirrten Blicken, nahm sich Frau Gesel ihr Buch vom Tisch und hielt es vor sich.

"Heute arbeitet ihr zu zweit und erforscht dieses seltene Gestein. Bitte seit vorsichtig, diese Exemplare waren wirklich schwer zu bekommen. " Alle Schüler schauten sich mit leuchtenden Augen gegenseitig an. Wahrscheinlich wollten alle mit Aaron arbeiten. "Nun zu der Gruppenaufteilung", fuhr Frau Gesel fort. Sofort tuschelten alle miteinander. "Aaron, mit wem möchtest du arbeiten?", fragte Frau Gesel. Aaron zuckte mit den Schultern. Es sah so cool- okay. Ich driftete schon wieder ab.
Aaron guckte sich alle an. Es wirkte irgendwie abscannend. Jedes Mädchen versuchte perfekt auszusehen. Mia wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und guckte ihn komisch an. Ein Mädchen warf Aaron sogar einen Kussmund zu. Innerlich verdrehte ich wieder die Augen. Sie waren alle so kindisch!
Zumindest dachte ich das nur, bis Aarons Blick bei mir war.
Und dort blieb er als erstes auch. Ich saß nämlich am Fenster in der Ecke. Ich spürte wie meine Wangen glühten. Damit es ihm nicht auffiel, stützte ich meinen Kopf auf meine Hände und versuchte damit den Großteil meiner Wangen zu bedecken. Ich hatte keine Ahnung ob es klappte.
"Kennst du denn schon irgendjemanden?", versuchte es Frau Gesel es.
Wortlos ging Aaron auf mich zu und setzte sich auf den Stuhl neben mich, der frei war, da wir uns die Sitzordnung aussuchen durften und sich niemand neben mich setzen wollte.
Innerlich kreischte ich. Ich hielt es ja nicht einmal drei Sekunden neben ihm aus! Wie sollte ich dann eine Dreiviertelstunde überleben??? Der Anfang der Stunde war die Hölle.
Aaron sagte die ganze Zeit nichts und ich wurde immer mit wütenden, traurigen, fassungslosen, aber vor allen Dingen neidischen Blicken bombardiert.
Als könnte ich irgendwas dafür, dass der beliebteste Junge der Schule freiwillig mit mir zusammen arbeitet.
Frau Gesel hatte gerade die Mikroskope und Steine ausgeteilt, als Aaron das erste Mal heute mit mir sprach. "Ich hasse Steine."
Es war jetzt nicht gerade ein romantischer Satz, aber er reichte um mich aus der Fassung zu bringen. Ich guckte ihn an. Von nahem sah er sogar noch besser aus. Seine grau blauen Augen wirkten heute viel blauer als gestern. Seine Haut war etwas dunkler als meine, obwohl ich das von den meisten Leuten behauptete, da ich für meine ursprünglich dunkel braunen Haare einen ziemlich blassen Teint hatte. Aarons Wangen waren leicht gerötet, wahrscheinlich weil es heute im Vergleich zu gestern richtig kalt war.
"Ich auch.", gab ich zurück.
Aaron stellte das Mikroskop ein. Irgendwie war der Stein, den er unter die Objektive legte, viel kleiner als ich es mir vorgestellt hatte. Nachdem Aaron alles fertig aufgebaut und vorbereitet hatte, rutschte er etwas mit den Worten: "Ladys First."Ich beugte mich zum Mikroskop vor und schaute durch das Okular. Von nahem war der Stein ganz anders. Aber darauf konnte ich mich leider nicht konzentrieren. Aaron war nun etwas näher an mich gerutscht und betrachtete den Stein so. Sein Atem streifte meine Wange und ich bekam Gänsehaut. Ich hätte ewig da sitzen können und mir diesen scheiß Stein angucken können. "Und?", fragte mich Aaron plötzlich.Oh Shit. Ich hatte kein bisschen auf den Stein geachtet. Ich zuckte mit den Schultern und sagte nur: "Guck du Mal." Ich rutschte etwas weiter zum Fenster. Aaron beugte sich weiter zum Mikroskop. Aus Versehen streifte dabei seine Hand meine. Es war wirklich peinlich und so schnell es ging entschuldigte ich mich bei ihm; er ignorierte es aber. Nach 35 Minuten wies uns Frau Gesel an, schon Mal mit dem Aufräumen zu beginnen. Ich wollte gerade aufstehen, als Aaron meinte: "Du hast gar nichts aufgeschrieben." Ich verdrehte die Augen. "Ist doch egal." Aaron warf einen Blick auf seinen Hefter, in den er seine Mitschriften gelegt hatte.
"Wenn du willst schick ich sie dir." Oh mein Gott. War das gerade etwa eine Indirekte Frage nach meiner Nummer?
"Okay.", sagte ich und versuchte dabei lässig zu wirken.
"Weißt du deine Nummer auswendig?", fragte ich und bereute es gleich danach sofort wieder. Aaron stand nur auf mit dem Mikroskop in der Hand.
"Lass uns nach der Schule an dieser Bank treffen." Ich nickte ruhig, aber innerlich raste mein Herz. Ich denke ich bin noch nie so schnell aus unserem Klassenraum gerannt. Ich sollte Sprinterin werden. Jedenfalls fühlte ich mich schnell. Ich stand als Erste auf dem Schulhof und war auch als Erste draußen. Als ich wie vereinbart an der Bank stand, an der Aaron mich treffen wollte, strömte gerade der Großteil der Schüler aus dem Gebäude.  Ich wartete ziemlich lange, bis ich endlich Aarons dunkelbraunen Haare in der Menge entdeckte.

Ideen wie es weitergehen könnte???

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