VI. Erzählung.

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Darauf machte er sich wieder auf den Weg wie das vorige Mal, um den Siddhi-k ýr zu holen. Indem er die stolz lautenden Worte sprach, vermochte er den Siddhi-k ýr zum Herabsteigen, steckte ihn dann in seinen Sack, schnürte diesen mit dem Seile fest, verzehrte darauf seinen Butterkuchen, nahm den Todten auf den Rücken und trat mit ihm die Wanderung an. Siddhi-k ýr sprach seine früheren Worte; als aber der Chânssohn, ohne etwas zu erwiedern, mit dem Haupte das Zeichen gegeben, da begann Siddhi-k ýr. Nun denn:

Früh vor Zeiten lebte in einem Lande Namens Brschiss ein hochmüthiger unbändiger Mann. Indem dieser die Neigung hatte niemanden zu achten und zu schätzen, ergrimmte der Chân des Reiches darüber und sprach: »Du? Kerl, hast einen gar zu rauhen Charakter, du kannst hier nicht bleiben, mach', dass du in ein anderes Land kommst.« So sprach er und jagte ihn fort. Da er auf diese Weise nicht dort bleiben konnte, entfernte er sich. Um die Mittagszeit war er zu einer grossen mit Federgras (Stipa pennata) bewachsenen Steppe gelangt. Als er die Mitte der Steppe erreicht, stand ein grosser Palmbaum da und neben demselben lag ein todtes Pferd. Von diesem nahm er sich den Kopf zum Speisevorrat, band ihn sich um die Mitte und kletterte auf den Palmbaum hinauf. Als es Nacht geworden, kamen von der unteren Seite der Steppe her zahlreiche Dämonen, Rosse von Rinde reitend, Mützen von Rinde aufhabend, und schaarten sich am Fusse des Palmbaumes zusammen. Darauf kamen auch von dem oberen[36] Theile der Steppe zahlreiche Dämonen, Rosse von Papier reitend, Mützen von Papier aufhabend, und schaarten sich gleichfalls dort zusammen. Diese Dämonen erlustigten sich nun am Fusse des Palmbaumes bei allerlei Speisen und Getränken. Indem aber der auf dem Gipfel des Baumes befindliche Mann angstvoll und mit neidischen Blicken zusah, riss der an seiner Leibesmitte befestigte Pferdekopf ab und fiel auf die Speisen und Getränke der Dämonen herab. Da stoben diese Dämonen, ohne sich weiter zu besinnen, ordnungslos nach allen Richtungen auseinander.

Des andern Morgens früh, als der Mann vom Baum herabstieg, dachte er bei sich: »Diese Nacht waren Speisen und Getränke in solcher Menge vorhanden! was ist wohl jetzt daraus geworden?« Als er sich umschaute, fand er einen goldenen Becher mit Branntwein gefüllt; weil er Durst hatte, so trank er daraus; kaum hatte er aber den Becher umgekehrt, so kamen Fleisch und Kuchen zum Vorschein. »Dieser goldene Becher,« sagte er, »ist ja wahrlich ein Behälter, der alles, was man nur wünscht, herbeischafft! Das soll mein Wünschelgefäss sein!« Er nahm ihn mit und gieng weiter.

Darauf traf er unterwegs mit einem Manne zusammen, der einen Stab in der Hand hielt. »Was lässt sich,« sprach er, »mit diesem deinem Stab anfangen?« Der Mann antwortete: »Dieses meines Stabes Name heisst Kreisläufer; wenn ich zu ihm sage: du, Kreislauf er, geh hin, dieser Mensch hat mir meine Sachen genommen, geh hin und hol' sie, so geht er hin, tödtet den Menschen und bringt die Sachen zurück.« Darauf sprach jener: »Nun, dieser mein goldener Becher ist ein Behälter, der alles, was man nur wünscht, herbeischafft. Ich vertausche ihn gegen den Stab.« »Gut, ich will tauschen,« sprach der andere, und so tauschten sie. Sofort aber hiess es nun: »du, kreislaufender Stab, geh hin, tödte diesen Menschen und hol' mir den goldenen Becher.« Kaum hatte er das gesagt, so flog der Stab durch die Luft, tödtete den Menschen und brachte den goldenen Becher zurück.

Auf seiner ferneren Wanderung traf er unterwegs mit einem Manne zusammen, der einen eisernen Hammer in der Hand hielt: »Was kann man,« fragte er, »mit diesem deinem Hammer machen?« »Wenn man,« antwortete jener, »diesen meinen eisernen Hammer neun Mal auf die Erde anschlägt, so entsteht eine neun Stock hohe eiserne Burg.« »Nun,« sagte er, »wir wollen gegen diesen meinen goldenen Becher einen Tausch eingehen.« Nachdem der Tausch abgemacht, sagte er wieder zu seinem Stabe: »Hole meinen goldenen Becher.« In einem Augenblicke hatte dieser den Mann getödtet und den goldenen Becher zurückgeholt.

Indem er nun wieder weiter zog, traf er mit einem Manne zusammen, der einen bocksledernen Sack trug. »Was kann man damit machen?« fragte er. »Dieser Sack,« antwortete jener, »ist gar wunderbar; wenn man ihn ausschüttelt, so kommt ein Regen; wenn man ihn tüchtig ausschüttelt, so kommt ein Regen, so stark man ihn nur wünscht.« »Nun,« sprach er, »wir wollen ihn gegen meinen goldenen Becher austauschen.« Sie giengen den Tausch ein. Darauf aber sagte er wieder: »du Stab, geh hin und hol' mir den goldenen Becher.« Dieser tödtete sofort den Mann und brachte den Becher zurück.

Indem er nun alle diese seine Sachen zusammen nahm, dachte er bei sich: »Der Chân meiner Heimat ist gar fürchterlich zornig; er hat mich in ein fremdes Land gejagt, ich will es ihm jetzt vergelten.« In diesen Gedanken machte er sich auf den Weg und gelangte um Mitternacht zum Hintergebäude des fürstlichen Palastes. Mit dem eisernen Hammer schlug er neun Mal auf die Erde. Da erhob sich eine neun Stock hohe eiserne Burg. Des Morgens sprach der Chân: »Heute Nacht hat es hinter dem Palaste ›tok tok‹ schallend zu wiederholten Malen geklopft.« Die Chânin gieng hinauf und schaute sich um. »Hinter unserem Palaste,« meldete sie, »steht eine neun Stock hohe eiserne Burg.« Darüber gerieth der Chân gewaltig in Zorn und sagte: »Das hat gewiss jener unbändige Bösewicht gethan! Jetzt müssen wir es auf eine Probe ankommen lassen, wer gewinnt oder verliert.« Seine sämmtlichen Unterthanen liess er die eiserne Burg umringen, wobei jeder einzelne Kohlen mitzubringen hatte. Dann aber befahl er: »Ihr Schmiede, lasst alle zusammen eure Blasebälge von allen Seiten wirken.« Indem man so that, war ein gewaltiges Feuer angefacht worden.

Innerhalb der eisernen Burg aber befand sich der magische Zaubermann, er, der Sohn sammt seiner Mutter; Essen und Trinken ward von dem goldenen Becher geliefert; die Mutter sass acht Stock hoch, der Sohn neun Stock hoch, im Herzen ganz unbesorgt. Als aber der halbe Körper der voran unter ihm befindlichen Mutter etwas vom Feuer berührt wurde, sprach die Mutter: »Dieser gezauberten Eisenburg droht Feuersgefahr von Seiten des Chânes; jetzt werden wir gewiss beide umkommen.« Der Sohn, der dies hörte, sprach: »Meine Mutter, ängstige dich nicht, dagegen habe ich folgendes Mittel!«

Bei diesen Worten trat er auf die Burg hinauf und schüttelte den bocksledernen Sack aus; da kam ein heftiger Regenguss und das Feuer erlosch zum grössten Theil. Als er dann aber tüchtig schüttelte, kam ein Platzregen, es entstand eine grosse Überschwemmung, die rings um die Eisenburg aufgehäuften Kohlen und Blasebälge sammt den Schmieden, alles wurde von der Strömung fortgerissen, und es bildete sich ein Rinnsal mit steilen vom Wasser unterwühlten Ufern.

Bei diesen Worten der Erzählung sprach der Chân: »So behielt also der magische Zaubermann die Oberhand über den Chân dieses Reiches!« Da versetzte Siddhi-k ýr: »Sein Glück verscherzend hat der Chân seinem Munde Worte entschlüpfen lassen!« und mit dem Ausruf: »In der Welt nicht zu bleiben ist gut!« riss er sich los und eilte im Fluge davon.

Aus Siddhi-k ýr's Erzählungen das sechste Capitel: wie der magische Zaubermann den Chân überwand.




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