I. Erzählung.

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Früh vor Zeiten waren einmal in einem grossen Reiche eines reichen Mannes Sohn, eines Arztes Sohn, eines Malers Sohn, eines Rechenmeisters Sohn, eines Holzkünstlers Sohn und eines Schmiedes Sohn, und alle sechs machten sich, mit Reisekost versehen, von ihren Eltern auf in ein fremdes Land. Als sie zu einer Stelle gelangt waren, wo die Mündungen mehrerer Flüsse sich vereinigten, pflanzten sie daselbst jeglicher für sich einen Lebensbaum, und indem ein jeder, seinen Unterhalt zu suchen, von hier aus an einem anderen Flussarme hinaufzog, bestimmten sie diesen Punkt als das Ziel, wo sie sich dereinst wieder zusammenfinden wollten. »Sollte«, so sprachen sie, »einer von uns nicht zurückkehren, sein Lebensbaum verwelkt oder etwas dergleichen geschehen sein, so wollen wir ihn in der Richtung nach der er gegangen, aufsuchen.« Nach diesen Worten trennten sie sich.

Nachdem nun des reichen Mannes Sohn an einem Flusse aufwärts gewandert war, traf er am Ursprünge desselben, da wo ein Wald und ein Rasenplatz zusammenstiessen, eine kleine Hütte und trat auf deren Thüre zu. Hier lebte ein hochbetagter Alter mit seiner greisen Frau. Die beiden fragten: »Jüngling, woher bist du gekommen? wohin willst du gehen?« Der Jüngling versetzte: »Ich bin aus der Ferne gekommen; meinen Unterhalt zu suchen bin ich hieher gelangt.« Die beiden Alten sprachen: »Nun, unter diesen Umständen ist es sehr gut, dass du gekommen; wir haben eine gar reizende, wunderschöne Tochter von edler Gestalt und lieblichem Wesen, nimm sie und werde unser Sohn.« Bei diesen Worten war die Tochter herausgetreten, und kaum war der Jüngling ihrer ansichtig geworden, da dachte er bei sich: »Indem ich Vater und Mutter verliess, hat sich mein Herkommen gut getroffen; diese ist ja wahrlich weit wundervoller und reizender als die Töchter der Himmelsgötter, sie will ich nehmen und mich hier niederlassen.« Das Mädchen aber sprach: »Dass du gekommen, o Jüngling, ist sehr gut.« Und nachdem sie einander noch mancherlei hin und her gefragt und sich erzählt hatten, zogen sie in die Behausung ein und lebten in Liebe und Freude.

In jener Gegend herrschte ein gewaltiger Chân. Dessen Dienerschaft hatte sich einst zur Frühlingszeit an das Wasser begeben, um am Spiel sich zu ergetzen. Da fanden sie von der Gemahlin des am Ursprung des Flusses wohnenden reichen Jünglings einen mit verschiedenartigen Edelsteinen besetzten Ring im Wasser daherschwimmen, nahmen ihn auf und überbrachten ihn, da er gar wundervoll war, dem Chân. Der Chân, ihn anstaunend, sprach zu seinen Dienern: »Am Ursprünge dieses Flusses wohnt sicher eine Frau, welche diesen Ring getragen; bringt sie zu mir her.« Mit diesem Auftrage sandte er die Diener ab. Diese begaben sich dahin, und als sie die Frau gesehen hatten, sprachen sie voll Bewunderung bei sich: »Diese Frau ist wahrlich sehr schön, so dass man an ihr sich nicht satt sehen kann.« Zu der Frau aber sagten sie: »Dich lässt der Chân zu sich rufen.« Und so nahmen sie dieselbe sammt dem reichen Jüngling mit sich fort und überbrachten sie dem Chân. Der Chân sprach bei ihrem Anblick: »Diese ist wahrlich eine Göttertochter; meine übrigen Gemahlinnen sind ihr gegenüber Hunden und Schweinen vergleichbar.« So sprach er und gab dieser Frau bei weitem den Vorzug. Doch diese dachte in ihrem Herzen einzig und allein an den reichen Jüngling; nur dass sie eben in der Gewalt des Chânes war. Indem der Chân dieses merkte, sprach er zu seinen Dienern: »Räumt mir diesen reichen Jüngling aus dem Wege.« Die Diener handelten seinem Befehle gemäss, lockten den Jüngling zu einem Spiele, suchten eine Gegend am Rande des Flusses auf, gruben ihn daselbst ein, deckten darüber einen gewaltigen Fels und tödteten ihn auf solche Weise.

Nachdem nun zur bestimmten Zeit seine Gefährten von allen Richtungen her an der Stelle, wo die als gemeinschaftliches Ziel bezeichneten Lebensbäume standen, sich zusammengefunden hatten, war der reiche Jüngling nicht erschienen. Zugleich sahen sie seinen Lebensbaum verwelkt. Da konnten sie sich in ihren Herzen nicht beruhigen und suchten ihn längs des Flusses, an dem er hinaufgezogen war, fanden ihn aber nicht. Indem nun des Rechenmeisters Sohn rechnend zusah, brachte er heraus, dass des reichen Mannes Sohn in der und der Entfernung von einem grossen Felsen bedeckt todt da lag. Obgleich sie diesen suchend gefunden, so reichte doch ihre Kraft für den Fels nicht aus. Da sie kein Mittel wussten, so nahm des Schmiedes Sohn den Hammer, zertrümmerte den Fels, und als sie nachgegraben, kam der Todte zum Vorschein. Ihm mischte des Arztes Sohn einen Heiltrank gegen den Tod, und nachdem er ihm denselben in den Mund gegossen, ward er ohne jeglichen Schaden wieder gesund.

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