VIII. Erzählung.

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Nachdem er hierauf wieder in der früheren Weise hingegangen war und die stolz lautenden Worte gesprochen hatte, da kam der Todte herabgestiegen. Er steckte ihn in seinen Sack, band diesen mit dem Seile fest, verzehrte seinen Butterkuchen, und während er mit ihm auf dem Rücken dahinwandelte, sprach Siddhi-k ýr: »Der Tag ist lang, der Weg ist weit, desshalb wird es uns langweilig. Erzähle du eine schöne Geschichte; wenn nicht, so will ich erzählen.« Der Chânssohn, ohne ein Wort zu sagen, gab mit dem Kopfe das Zeichen. Da begann Siddhi-k ýr wiederum. Nun denn:

Früh vor Zeiten lebte in einem Reiche Namens Kun-mon (tibet. allwünschend) ein Chân Namens Kun-nang (tibet. allerleuchtend). Als dieser Chân aus dem Leben geschieden, bestieg sein Sohn Namens Chamuk Ssakiktschi (kalm. »der Allschützende«) den Thron. In dessen Gebiete lebte ein Maler Namens Ânanda (skr. Freude) und ein Holzkünstler Namens Ânanda. Diese beiden waren einander feindlich gesinnt. Einstmals nun erschien der Maler Kun-ḏgah (tibet. allerfreuend = skr. Ânanda) vor dem Chân und sprach: »Dein Vater ist im Götterreiche wiedergeboren worden, und indem er mich zu sich dahin berief, hatte ich mich dorthin begeben. Sein Glanz und seine Herrlichkeit sind unermesslich. Hier ist das von deinem Vater übersendete Schreiben, welches er mir mitgegeben.« Mit diesen Worten überreichte er ein falsches Schreiben, in welchem es also hiess: »An meinen Sohn Chotolo Ssakiktschi (den Allschützenden). Als ich von dort scheidend mein Leben beschloss, bin ich im Götterreiche wiedergeboren worden. Hier lebe ich jetzt in Fülle und Überfluss an allem. Nur einen Holzkünstler, um einen Klostertempel hier zu errichten, habe ich nicht gefunden; sende daher unseren Holzkünstler Kun-ḏgah herauf. Die Art und Weise heraufzukommen weiss Kun-ḏgah der Maler.«

Solch einen Brief überreichte er trügerischer Weise dem Chân. Als der Chân Kun-tschong (tibet. allschützend) diesen Brief gelesen, sprach er: »Ist wirklich die Geburt meines Vaters im Götterreiche die Wahrheit, so ist das sehr gut.« Und sofort liess er den Holzkünstler herbeirufen und sprach zu ihm: »Mein Vater, der Chân, ist im Götterreiche geboren worden. Da er dort, einen Klostertempel zu errichten, keinen Holzkünstler findet, so hat er dich mittels eines Schreibens an mich zu sich bescheiden lassen.« Mit diesen Worten zeigte er ihm das Schreiben. Doch der Holzkünstler, als er es gelesen, dachte bei sich: »So etwas ist gegen alle gewöhnliche Ordnung; dahinter steckt sicherlich eine böse Absicht von Seiten des Malers Kun-ḏgah; ein Mittel dagegen werd' ich schon finden.«

So denkend sprach er zum Chân Kun-tschong: »Wie werd' ich denn wohl in das Götterreich gelangen?« »Darüber,« erwiederte der Chân, »wollen wir den Maler befragen.« Er liess diesen rufen und auf Befragen liess der Maler sich also vernehmen: »Wenn du alle zur Ausübung deiner Kunst nöthigen Werkzeuge beisammen hast, so lass einen Scheiterhaufen von mit Sesamöl getränktem Holz ausserhalb rings um dich herum aufhäufen, zünde unter Anstimmung von allerlei feierlichen Tonweisen das Feuer an und reit auf der von demselben in Bossegestalt aufsteigenden Rauchsäule empor.« Darauf versetzte der Holzkünstler: »Ich werde mich danach richten! Zur Auffahrt befindet sich in der Nähe unserer Behausung ein Feld; von diesem aus will ich emporsteigen.« Pas wurde gebilligt, und nach Verlauf von sieben Tagen wollte er abgehen.

Nach Hause zurückgekehrt erzählte der Holzkünstler seiner Frau die Sache und sprach zuletzt: »So weit hat sich der Maler von seinem bösen Herzen verleiten lassen! Auf heut' über acht Tage wurde das Versprechen zur Abfahrt gegeben. Doch werde ich folgendes Mittel dagegen in Anwendung bringen.«

Vom Innern des Hauses aus grub er unter der Erde durch und machte auf der Mitte des Feldes eine Öffnung nach aussen; diese verlegte er mit einer Steinplatte und bedeckte dieselbe mit Erdreich. Als die sieben Tage abgelaufen waren, sprach der Chân: »Am heutigen Tage wird der Holzkünstler zum Chân, meinem Vater, sich begeben.« An das gesammte Volk liess er die Verordnung ergehen, dass jeder eine Tracht Brennholz, jeder ein Mass Sesamöl mitbringe. Als in Folge dieser Kundmachung die Menge sich versammelt hatte, schichtete man mitten auf dem Felde des Holzkünstlers Kun-ḏgah einen gewaltigen Scheiterhaufen empor, der Holzkünstler setzte sich darauf, das Feuer ward am Rande angezündet, und nachdem er eine Weile mancherlei feierliche Weisen hatte ertönen lassen, nahm der Holzkünstler sein Bündel zusammen, entfernte sich auf dem Wege, den er früher gegraben, und begab sich nach seiner eigenen Wohnung.

Der Maler aber rief voll Freude: »Dort auf der Rauchsäule sitzend ist der Holzkünstler dahin gefahren,« und zeigte mit dem Finger hinauf. Indem sich darauf die Versammelten alle zerstreuten, sprachen sie alle unter einander: »An dem heutigen Tage hat sich der Holzkünstler zu dem dahingeschiedenen Châne begeben, um einen Holzbau kunstvoll auszuführen.«

Während eines ganzen Monats aber verblieb nun der Holzkünstler zu Hause und lebte ganz abgeschieden, ohne sich vor den Leuten sehen zu lassen; täglich wusch er sich mit Milch und verweilte nur im Schatten. Hierauf zog er ein weisses Gewand an von durchsichtiger Seide und schrieb gleichfalls einen falschen Brief: »An meinen Sohn Chotolo Ssakiktschi. Dass du in Wohlstand und Glück unablässig dein Reich in der Lehre unterweisest und demselben deine Sorge widmest, das ist sehr gut. Bei der Errichtung des Klostertempels dahier hat der Holzkünstler nun seine Sache ganz vorzüglich gut zu Ende geführt. Dort bei euch musst du daher mit Geschenken ihn reichlich belohnen. Jetzt aber müssen an dem Klostertempel allhier Malereien ausgeführt werden; desshalb ist es dringend nöthig, von dort unverzüglich den Maler zu schicken. Was die Art und Weise des Heraufkommens betrifft, so soll er nach der vorigen Weise kommen.«

Mit einem Brief dieses Inhalts erschien der Holzkünstler vor dem Chân. Als der Chân ihn erblickte, rief er aus: »Ei, dieser ist aus dem Götterreiche gekommen! Befindet der Chân, mein Vater, sich wohl?« Da überreichte denn der Holzkünstler seinen falschen Brief, und nachdem er ausführlich berichtet hatte, wie er in das Götterreich gelangt und wie es ihm daselbst ergangen, freute der Chân sich sehr, und unter dem Ausrufe: »das ist doch wohl die Wahrheit!« überreichte er demselben reichliche Geschenke zur Belohnung.

»Nun aber,« sprach der Chân, »sind für jenen Tempel Malereien erforderlich.« Desshalb ertheilte er den Befehl den Maler zu rufen. Als dieser erschien und den Holzkünstler Kun-ḏgah ganz weiss aussehend, in ein weisses Gewand von durchsichtiger Seide gehüllt, mit verschiedenen Kostbarkeiten geschmückt dasitzen sah, da dachte er bei sich: »Der ist also nicht gestorben?« Der Chân aber überreichte ihm den vom Chân, seinem Vater, empfangenen Brief mit dem Siegel, und that ihm die Ursache kund, wesshalb er jetzt gehen müsse. Der Maler dachte in seinem Innern: »Zum Verständniss werd' ich gewiss während der Fahrt gelangen. Da ich den Holzkünstler hier mit eigenen Augen sehe, mit eigenen Händen anfasse, so hat er es doch auch überwunden. Wenn ich jetzt auch nicht gehen wollte, so ist doch das vorausgegangene Beispiel der Pfad für das nachfolgende.« Indem er sich solchen Erwägungen überliess, gab er das Versprechen, nach Ablauf von sieben Tagen von dem Tag an die Fahrt anzutreten. Und als er sich nach der Art und Weise der Fahrt erkundigte, so hiess es: »Sie findet so wie das vorige Mal statt.« An dem nach Ablauf der sieben Tage nächstfolgenden Tag brachten alle wieder das Sesamöl mit. Auf der Mitte eines Feldes errichtete man einen gewaltigen Scheiterhaufen und setzte den Maler hinein mit seinen Malergeräten und den an Kun-nang Chân zu überreichenden Geschenken sammt dem an denselben zu übergebenden Schreiben. Das Feuer ward von allen Seiten angezündet und ein vielfaches Jubelgeschrei angestimmt. Doch der Maler vermochte es nicht auszuhalten und erhob ein lautes Geschrei; er wollte in die Höhe nach aussen springen, stürzte aber wieder zurück; von dem vielfachen Jubelgeschrei übertönt ward er von den Flammen verzehrt, bis er ganz geröstet war.

»Er hat seinen Theil unmittelbar zurückerhalten!« rief bei diesen Worten der Erzählung der erhabene auf gutem und glücklichem Pfade wandelnde Chân aus. Indem ihm diese Worte unversehens entfallen waren, versetzte Siddhi-k ýr: »Sein Glück verscherzend hat der Chân Worte entschlüpfen lassen,« und mit dem Ausruf: »In der Welt nicht zu bleiben ist gut!« sich losmachend eilte er davon.

Aus Siddhi-k ýr's Erzählungen das achte Capitel: die Geschichte vom Maler und Holzkünstler.



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