Eigentor - Feli Rauch & Lena Oberdorf

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I fell for you and I'm still falling.

Felis Sicht
Ich schmeiße meine Fußballschuhe grob in die Ecke hinter der Tür, die in meine Wohnung führt. So kenne ich mich selbst nicht. Normalerweise sind neue und vor allem noch einigermaßen saubere Schuhe mein Heiligtum, aber heute eben nicht. Ich bin frustriert.
,,Feli...", ich höre eine mir zu gut bekannte Stimme hinter mir und spüre kurz darauf wie eine Hand meinen Oberarm berührt. Die Hand hält sich so fest, dass es fast weh tut. Ich drehe mich um und schaue mit immer größer werdenden Tränen in den Augen in die meines Gegenübers. ,,Was willst du, Obi? Du kannst die Situation doch auch nicht besser machen...", schreie ich meine Teamkameradin an, die mir bis zu meiner Wohnung gefolgt war. Auch das ist nicht normal. Ich schreie Menschen eigentlich nie an. ,,Nein, aber ich kann für dich da sein.", sagt sie mir in einem ruhigen Tonfall. Ich versuche mich zu beruhigen, was weniger gut klappt, denn ich spüre im nächsten Moment, wie sich die erste Träne aus meinem Auge löst und meine Wange hinabfließt. ,,Wie willst du für mich da sein? Ich habe ein Eigentor geschossen, ein verdammtes Eigentor und deshalb haben wir auch noch verloren. Ich will mich gerade einfach nur irgendwo eingraben und am besten nie wieder rauskommen.", versuche ich ihr klarzumachen, wie ich mich fühle.
Eine Niederlage. Eine Niederlage mag für einen durchschnittlichen Verein nichts schlimmes sein, aber beim VfL Wolfsburg zählen Siege. Hier zählen Punkte. Es ist manchmal schwer so einem großen Druck ausgesetzt zu sein, denn egal wie sehr ich diesen Sport auch liebe, ein Fehler kann immer alles zerstören.
,,Komm erstmal her... ich glaube nämlich, dass du eine ganz große Umarmung brauchst!" Obi legt ihre Arme um mich und ich spüre sofort diese Wärme, die sie ausstrahlt. Die Umarmung, in die sie mich hüllt, gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Ein Gefühl von Geborgenheit. Ich merke, dass einige meiner Tränen in ihrem T-Shirt landen, aber das stört weder mich, noch sie. Ich lege meinen Kopf auf ihrer Schulter ab und genieße diese Nähe.
Es gibt nicht viele Menschen, die mich mit einer Umarmung beruhigen können, aber Obi kann genau das. Ihre Art macht es einem einfach, alles um sich herum zu vergessen.
,,Geht's dir jetzt besser?", reißt sie mich aus meinen Gedanken. ,,Denke schon. Willst du noch mit reinkommen?", frage ich sie, obwohl ich die Antwort schon kenne. Einen Abend mit Freunden würde gerade Obi sich nie entgehen lassen. ,,Klar, ich muss dich doch wieder irgendwie zum Lächeln bringen." Sie hat Recht. Den ganzen Abend lang auf dem Sofa liegen und Löcher in die Wand starren bringt auch nichts.
Sie schlüpft aus ihren Turnschuhen und stellt sie neben meine Fußballschuhe, die übereinander und auf dem Kopf liegen. Dann zieht sie ihre Jacke aus und hängt diese an meine Garderobe im Eingangsflur, bevor sie an mir vorbei geht und auf mein Sofa zusteuert. ,,Kommst du eigentlich auch noch oder guckst du mir nur hinterher?" Ein leichtes Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit und ich folge Obi ins Wohnzimmer meiner Wohnung.
Ich setze mich zu ihr und schaue sie an, während sie jedoch nur Augen für meinen Hund hat. Typisch Oberdorf eben.
,,Sag mal, bist du eigentlich wegen Cinni hier?", frage ich mit einem leichten Kichern in der Stimme. ,,Natürlich nicht! Cinni ist nur ein netter Nebenaspekt, den ich gerne in Kauf nehme." Sie lässt von meiner wirklich sehr flauschigen Hündin ab und wendet sich mir zu. ,,Und, was wollen wir heute Abend machen?", fragt mich die braunhaarige Mittelfeldspielerin. ,,Auf jeden Fall was zu essen bestellen!", antworte ich ihr und lasse mich erschöpft auf die bequemen Polster meines Sofas zurückfallen. ,,Find ich gut! Und nochmal wegen des Eigentors...", beginnt Obi, schafft es jedoch nicht ihren Satz zu beenden, da ich sie unterbreche. ,,Nein, Obi lass es bitte einfach!" ,,Ich will eigentlich nur, dass du dir keinen Kopf machst. Wir hassen dich jetzt nicht, oder so. Jedem passiert das mal, also kein Stress."
Ich merke den besorgten Unterton in ihrer Stimme, der mir jedes Mal eine leichte Gänsehaut zaubert. Ich weiß nicht warum, aber es ist ein schönes Gefühl, wenn sich jemand um einen sorgt.
Statt nach einer Antwort zu suchen, nicke ich nur leicht. Obi legt einen Arm um mich und streicht mit ihrer Hand über meine Schulter, was die Gänsehaut, die immer noch Bestand hat, nicht gerade weniger macht.
Ich weiß nicht, warum es sich mit Obi immer so anfühlt, wie es sich eben anfühlt. Ich weiß nicht, warum ich jedes Mal ein Kribbeln im Bauch bekomme, wenn ich in ihre braunen Augen schaue. Ich weiß nicht, warum mein Herz beginnt schneller zu schlagen, sobald sie in meiner Nähe ist und vor allem weiß ich nicht, was ich hier gerade tue.
Ich drehe mich zu ihr und schaue sie an. Ich starre regelrecht gegen ihre Wange, da sie ihren Blick erneut auf meine Hündin gerichtet hat. Es sieht irgendwie süß aus, wie sie das kleine Tier mit ihren Augen und einem Lächeln auf den Lippen fixiert. Ich beobachte sie einen Moment und ich denke, ich bin kurz davor zu schmelzen. Cinni, die sich mit einem der Stofftiere beschäftigt, das ich ihr aus dem Letzten Urlaub mitgebracht habe, zieht Obi für einige Minuten in ihren Bann, bis auch Obi sich zu mir dreht und vermutlich bemerkt, dass ich sie bereits anschaue.
Der intensive Augenkontakt, den wir in den nächsten Sekunden führen, löst etwas in mir aus, das ich noch nie verspürt habe. Es ist etwas magisches. Ihre Augen funkeln ungewöhnlich und der Abstand, der zwischen ihr und mir einmal bestand verringert sich mit jeder Sekunde.
Mein Blick schwenkt von ihren Augen zu ihren Lippen und wieder zurück zu ihren Augen. Ich sehe in ihren Augen, dass sie meine Blicke wahrgenommen hat und sehe zusätzlich auch ein leichtes Nicken ihrerseits, bei dem ich hoffe, es mir nicht nur eingebildet zu haben.
Im nächsten Moment spüre ich die Lippen der Fußballerin auf meinen. Die Welt um uns herum steht still. Ich blende alles um mich herum aus und fokussiere mich auf meinen Gegenüber, was mir nicht schwer fällt.
Wir lösen uns voneinander und schauen uns in die Augen. Die braunen Augen, die direkt vor mir liegen, ziehen mich in ihre Tiefe und ich habe das Gefühl, in ihnen zu ertrinken.
,,Ich glaube wir sollten reden..." Obi bricht das Schweigen, das meinetwegen noch Ewigkeiten hätte andauern können. ,,Das glaub ich auch.", antworte ich ihr, ohne, dass unsere Blicke sich trennen. ,,Aber..." Ich verliere mich immer weiter in ihren Augen. ,,Aber?"
Ich küsse sie erneut. Ich kann nicht genug von dem Gefühl bekommen, das sich vor einigen Augenblicken in mir breitgemacht hat. Ich merke, wie Obi ihre Hand in meinen Nacken legt und neben ihren Lippen, ist das wohl das schönste, was ich je spüren darf.
,,Obwohl... vielleicht sollten wir morgen darüber reden und erstmal den Moment genießen." Obi spricht meine Gedanken aus. Ich bringe wieder nur ein Nicken hervor, das aber reicht um ihr ein Lächeln aufs Gesicht zu legen.
Ihr Lächeln. Ich denke, ich könnte schon wieder schmelzen.
,,Willst du eigentlich irgendwas trinken?", frage ich sie mit einem Schmunzeln. Ich war überhaupt nicht dazu gekommen, sie danach zu fragen. ,,Wasser wäre toll!" Das Lächeln auf ihrem Gesicht macht mich wahnsinnig. Ich stehe auf, um zwei Gläser aus der Küche zu holen. Als ich in der Küche ankomme, höre ich Schritte hinter mir und spüre kurze Zeit später zwei Arme, die mich von hinten umschließen. Obi legt ihren Kopf auf meine Schulter, was mich sofort zum Lächeln bringt.
,,Irgendwie ist deine Schulter bequem." Auch sie lächelt und ich verspüre ihren Atem an meiner Wange. ,,Ach ja?" ,,Ja, ziemlich!" Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und löst ihre Arme von mir. ,,Ich gehe dann mal wieder zu Cinni." Obi dreht sich um und geht zielstrebig wieder zurück ins Wohnzimmer, wo Cinnamon bereits auf sie wartet und sie mit ihren zu süßen Welpenaugen anschaut. Obi beschäftigt sich so lange mit Cinni, bis ich mit zwei Gläsern Sprudelwasser das Wohnzimmer betrete. Ich reiche ihr eins der Gläser, woraufhin sie sich bedankt. Und nun sitzen wir da. Wir sitzen einfach nur da und schweigen. Hin und wieder nehmen wir einen Schluck aus unseren Gläsern. Ansonsten herrscht Stille.
In dieser Stille überdenke ich noch einmal den bisherigen Nachmittag. Ich überdenke mein Handeln, meine Gedanken.
Ich drehe meinen Kopf, sodass ich, wie vor unserem ersten Kuss, gegen Obis Wange starre. Auch sie dreht sich zu mir und schaut mir erneut in die Augen. Erneut habe ich das Gefühl, mich in ihnen zu verlieren und erneut möchte ich meine Gegenüber einfach nur küssen. Doch sie lässt mich nicht dazu kommen. ,,Mach dir keinen Kopf! Alles, was du heute Nachmittag getan hast, war richtig..." sagt sie mit einem kleinen wunderschönen Lächeln auf den Lippen, bevor sie ihre Augen schließt und mich in einen sanften Kuss zieht. Lena Oberdorf, du machst mich verrückt!

WoSo Oneshots ~ Deutsch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt