Abschiede - Jule Brand und Lena Oberdorf

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You'll forever be my always.

Jules Sicht

Ich lasse mich auf den Fahrersitz meines Autos sinken.
„Ich muss mit dir sprechen." Diese Nachricht tauchte vor etwa zehn Minuten auf meinem Handy auf. Sofort antwortete ich und fragte, was los ist, aber ich bekam keine Antwort mehr.
Also mache ich mich selbst auf den Weg zu ihr. Obi wohnt nicht weit von mir und so halte ich schon kurze Zeit später vor ihrem Haus.
Ich atme noch einmal laut ein und aus, bevor ich aussteige. Ich habe Angst. Angst vor der Nachricht, die mich erwartet, wenn ich mein Auto verlasse. Ich weiß gar nicht wirklich, wovor ich Angst habe, aber sie ist da und sie wird mich nicht verlassen bis ich weiß, worüber Obi mit mir sprechen möchte.
Ich fasse mir ein Herz und steige aus meinem Auto aus. Während ich vor der Tür stehe und die Klingel, auf der der Name „Oberdorf" geschrieben steht, hinunterdrücke, wird das unwohle Gefühl in meinem Bauch immer schlimmer. Als ich das vertraute Surren der Tür höre, drücke ich gegen sie und gehe die Treppen zu Obis Wohnung schneller als gewohnt, indem ich jede zweite Stufe überspringe.
Gerade als ich vor ihrer Wohnungstür ankomme, öffnet diese sich vor mir. „Schon oben?", fragt Obi stutzig, während ich schnaufend vor ihr stehe. „Ich hab mich halt beeilt." Bei meiner Antwort schmunzelt Obi etwas. Das Geräusch ihres Lachens, das schon so lange mehr als Freundschaftliche Gefühle in mir auslöst, lässt das unwohle Gefühl zumindest zu Teilen verblassen. „Komm wir setzen uns ins Wohnzimmer!" Mit einer Handbewegung bittet Obi mich hinein. Ich streife mir die Schuhe von den Füßen, stelle sie neben Obis Schuhsammlung und hänge meine dicke Winterjacke an einen Haken der riesigen Garderobe, die den Eingangsflur der Wohnung ziert. Dann folge ich Obi ins Wohnzimmer.
„Setz dich!" Obi zeigt auf ihr großes Sofa und ich folge ihrer Aufforderung. „Muss ich Angst haben?" Ich denke nicht über diese Frage nach, sondern stelle sie einfach. „Weiß nicht..." Diese Antwort macht mir mehr Angst, als es ein „Ja" gemacht hätte. „Okay, schieß los!", sage ich und richte meinen Blick auf meine beste Freundin. Auch Obi schaut mich an. Es liegt ein Hauch von Sorge in ihren Augen. Wir teilen nur einen kurzen Moment des Augenkontakts, bevor Obi ihren Kopf senkt und auf ihren Teppich starrt. „Ich... war gestern in München...", beginnt sie. „Was?" „Und ich hab unterschrieben."
Ich schaue die Wand an. Ein leerer Blick, der die fast genauso leere weiße Fläche vor mir noch trister macht. Mein Körper wird schwer. Ich merke, wie mir Tränen in die Augen steigen und alles um mich herum verschwimmt langsam aber sicher ineinander.
Wieso? Das ist die einzige Frage, die ich mir stelle. Ich bekomme dumpf mit, wie Obi etwas wie „Es tut mir so leid, Jule" von sich gibt, bevor ich nach hinten in die Sofakissen falle und beginne, in meine Hände zu schluchzen.
Wieso tut sie mir das an? Sie weiß genau, dass sie meine beste Freundin hier in Wolfsburg ist. Sie weiß genau, wie schwer es mir fällt, Freundschaften zu schließen und Vertrauen aufzubauen. Wie kann sie mich einfach so verlassen? Vielleicht ist es egoistisch, dass ich zuerst an mich denke. Vielleicht ist es ein guter Wechsel für sie. Vielleicht tut es ihr gut, ein anderes Umfeld zu haben. Aber ich werde auch ein anderes Umfeld haben. Ein Umfeld ohne meine beste Freundin. Ein Umfeld ohne eine feste Trainingspartnerin. Ein Umfeld ohne Zufluchtsort, wenn alles um mich herum zu viel wird. Ein Umfeld ohne Obi.
Ich spüre Obis Arme, die sich um mich legen und kurz darauf liegt ihr Kopf in meiner Halsbeuge. Auch sie weint. Ihre Tränen fallen auf meine Schulter, während meine zwischen meine Finger laufen und ihren Weg bis an meine Handgelenke finden.
Wann habe ich das letzte Mal so geweint? Ich weiß es nicht. Ist es normal, so zu weinen, weil seine beste Freundin wegzieht? Vermutlich ist es normal, wenn man so viel für diese beste Freundin empfindet wie ich. Vermutlich ist es normal, wenn man dieser besten Freundin am liebsten jedes Mal auf die Lippen fallen würde, wenn man sie sieht.
Ich wusste, dass Bayern Interesse an ihr gezeigt hat. Ich wusste, dass auch andere Vereine Interesse an Obi haben. Ich wusste, dass sie über einen Wechsel nachdenkt. Und doch habe ich nie damit gerechnet, dass sie es durchziehen könnte.
„Wir haben aber noch vier Monate zusammen." Obi zieht mich aus meinen Gedanken.

WoSo Oneshots ~ Deutsch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt