Emotions - Lynn Wilms und Riola Xhemaili

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What a plot twist you were.

Riolas Sicht
Ich lasse meine Autotür hinter mir zufallen und atme einmal tief ein und aus. Die frische Luft tut gut und lässt meine Nervosität und das Kribbeln in meinem Bauch zumindest leicht abklingen.
Ich habe gleich meine erste Trainingseinheit bei meinem neuen Verein und kenne noch niemanden. Nicht eine Schweizerin spielt in Wolfsburg und ich werde auch auf keine Spielerin treffen, die ich aus Freiburg kenne. Ich bin völlig neu in einer unbekannten Stadt mit Menschen, die ich nicht kenne.
Ich bleibe noch kurz neben meiner geschlossenen Autotür stehen, schließe meine Augen und wiederhole die tiefen Atemzüge. Ich nehme all meinen Mut zusammen und gehe in Richtung der Kabinen, die mir schon beim Unterschreiben meines Vertrags gezeigt wurden. Zum Glück finde ich sie ohne Probleme wieder.
Die Tür steht offen und ich höre schon einige Stimmen aus dem Innern des Raumes. Jetzt wird die Aufregung doch wieder schlimmer. Ich stehe vor dem Raum und traue mich nicht hinein. „Deine Aufgabe ist hier rumzustehen, oder was?" Ich höre eine Stimme mit niederländischem Akzent hinter mir und drehe mich sofort in ihre Richtung. Die Person vor mir, die ich als Lynn Wilms ausmachen kann, mustert mich von oben bis unten. „Nein, ich.. äh... ich geh jetzt auch rein.", stammele ich vor mich hin, was Lynn nur ein belustigtes Kichern entlockt. Sie drängt sich an mir vorbei und betritt die Kabine.
Das fängt ja super an. Ich bin keine fünf Minuten hier und habe mir schon Feinde gemacht. Naja vielleicht nicht gleich Feinde, aber so wie ich mich kenne, werde ich mich jetzt nichtmehr trauen, auch nur irgendetwas zu sagen, sodass mich sowieso jeder als seltsam abstempeln wird.
Langsam mache auch ich ein paar Schritte nach vorne bis ich im Türrahmen der Kabine stehe. Nun richten sich alle Blicke auf mich. Ich schaue nervös in der Runde umher. Locker eine halbe Minute stehe ich da, ohne ein Wort zu sagen. Ich bin gerade dabei, die richtigen Worte zusammenzusuchen, als jemand meine Gedanken unterbricht.
„Riola, oder?" Ich nicke und versuche dabei, ein wenig zu lächeln. „Ja, aber Rio reicht!", sage ich vielleicht etwas zu eingeschüchtert. „Hey, ich bin Jule!" Jule steht auf, geht auf mich zu und nimmt mich kurz in den Arm. Ich erwidere ihre Umarmung und verspüre nichts als Dankbarkeit dafür, dass anscheinend nicht alle so drauf sind wie Lynn.
Als wir uns wieder aus der Umarmung gelöst haben, schaut Jule mir in die Augen. „Du musst nicht aufgeregt sein. Hier beißt dich niemand! Eigentlich sind wir alle ganz nett." Sie lächelt mich freundlich an und ich tue es ihr gleich. Jule zeigt auf einen freien Platz in der Kabine, über dem eine 27 steht. Meine neue Rückennummer.
Ohne mich noch einmal umzusehen gehe ich auf die Bank zu und stelle meine Tasche darauf ab. Erst dann schaue ich zu den Plätzen neben mir. Auf der einen Seite sitzt Jule, die mir wieder ein Lächeln schenkt. Ich drehe meinen Kopf und schaue genau in Lynns grüne Augen. Natürlich. Wie hätte es anders sein können? Lynn dreht sich sofort weg und wirft Sveindis, die ihren Platz zu Lynns anderer Seite hat, einen genervten Blick zu. Ich versuche, Lynn zu ignorieren, doch immer wieder schweift mein Blick in ihre Richtung.
Wenige Minuten später beginnt das Mannschaftstraining und endlich schaffe ich es, mich auf etwas anderes als Lynn zu konzentrieren.
Wenn ich einen Ball am Fuß habe geht es mir gut. Wenn ich Fußball spielen kann, vergesse ich alles um mich herum.
Nach dem Training müssen wir uns an einigen Fans vorbeidrängen, die uns beim trainieren zugeschaut haben. Auch das ist neu für mich. In Freiburg waren fast nie Fans bei unseren Trainingseinheiten und hier soll es kaum welche ohne geben.
Zurück in der Kabine lasse ich mich auf meinen Platz fallen und atme erleichtert aus. Die erste Einheit, vor der ich so viel Angst hatte, ist geschafft. Ich schließe meine Augen und entspanne mich bis in die Zehenspitzen, bis ich ein Räuspern vor mir höre. Sofort öffne ich meine Augen wieder und eine blonde Niederländerin steht vor mir und schaut mich vorwurfsvoll an. Als ich auch sie anschaue, beginnt sie zu sprechen. „Du sitzt auf meinem Platz!" Ich schaue nach links und rechts und bemerke dann, dass ich mich tatsächlich nicht auf meinen, sondern auf Lynns Platz gesetzt habe. „Sorry, ich hab mich vertan.", sage ich etwas eingeschüchtert. „Offensichtlich vertust du dich häufiger." Lynns scharfer Tonfall macht mir Angst. Sie zeigt mir mit einer Handbewegung, dass ich mich zu meinem Platz bewegen soll. Dieser Aufforderung gehe ich schnell nach, um nicht noch mehr Stress auszulösen.
Sie hasst mich wirklich. Sie hasst mich und ich habe keine Ahnung, was ich ihr getan haben soll.

WoSo Oneshots ~ Deutsch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt