9

117 6 0
                                    

Daliah POV:
Ich spürte schmerz, tiefen Schmerz. Es war mitten in der Nacht, Ben schlief seelenruhig in unserem Bett und auch Zoe lag in ihrem Bett, nur ich saß Mutterseelenallein sturzbetrunken in unserem Wintergarten und starrte nach draußen. Ich hatte mit Wein gestartet und war mittlerweile auf härteren Alkohol umgestiegen. Es schmerzte alles so sehr, Ben war wieder zurück zu Zoe und mir gezogen. Er hatte mich vor der Schule abgefangen und als ich ihm erklärte dass ich mit Alyssa zu meinen Eltern fahren würde bat er verbissen darum dass ich ihn erst nach Hause bringen sollte bevor ich zu meinen Eltern fuhr. Ally war es deutlich anzumerken wie erleichtert sie war als Ben ausgestiegen war, ich war froh dass sie sich ihre Sprüche verkniff und ihren Hass Ben gegenüber nicht auch noch laut kundtat. Mama hatte wirklich mein Lieblingsessen gemacht und während des Essens bröckelte meine Fassade immer weiter, aber ich musste stark bleiben, ich konnte jetzt nicht vor Zoe schwäche zeigen. Sie war so ein aufgewecktes Kind und hatte so viel Energie in sich dass Ally und ich beschlossen mit ihr in den nahegelegenen Park auf den Spielplatz zu gehen, aber dass ich dort auf Vanessa treffen würde, damit hatte ich niemals gerechnet. Es lag Schmerz in ihren Augen als sie mit Zoe sprach, und dennoch funkelte etwas anderes in ihren Augen auf, etwas was ich nicht definieren konnte. Sofort stiegen mir wieder Tränen in die Augen, ich füllte mein Glas wieder mit Whisky und trank es in einem Zug aus, nur mit Alkohol konnte ich sie für ein paar Stunden vergessen.
Ein nervtötendes Geräusch ließ mich aus dem schlaf schrecken, Ben neben mir erhob sich und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, „Schlaf weiter, der nächste Wecker ist deiner." murmelte er mit verschlafener Stimme und stieg aus dem Bett. Es war gerade mal 4 Uhr, das hieß ich hatte noch zwei Stunden, also drehte ich mich um und schloss meine Augen wieder.
Zum zweiten mal an diesem morgen ertönte das Geräusch des Weckers neben mir, und diesmal musste ich aufstehen, das war mir bewusst.

Vanessa POV:
5 Uhr am morgen, mein Wecker klingelte und wie von der Tarantel gestochen sprang ich aus meinem Bett, woher ich diese Energie nahm wusste ich nicht, jedoch musste ich laufen, wie jeden morgen. Also lief ich zu meinem Kleiderschrank und kramte meine Laufsachen hervor, eine Leggings und einen Sport BH, da es gerade mal Herbst war, sollte dies reichen. In der Küche schnappte ich mir schnell einen Apfel und verließ dann die Wohnung. Ich begann mich zu dehnen und dann langsam loszulaufen, immer weiter steigerte ich mein Tempo und beschloss heute wieder die größere Runde durch den Wald und um den See zu nehmen. Ich hielt immer wieder ausschau nach Daliah da ich wusste dass sie diese Runde auch öfters lief, doch heute konnte ich sie nirgends entdecken. Ich beschleunigte meine Schritte noch einmal um ein vielfaches und lief im Takt der Musik, welche in voller Lautstärke in meinen Ohren wummerte, laufen war meine Therapie, ohne konnte ich nicht.
Ich hielt vor meiner Haustür und ein Blick auf die Uhr zeigte mir dass ich meine neue Bestzeit gelaufen war, sofort sprang ich unter die Dusche und ließ das warme Wasser auf mich nieder rieseln, ich schloss die Augen und sah einige Szenen mit Daliah vor meinen Augen aufflammen, eine angenehme Hitze begleitet von einem Kribbeln schoss durch meinen Unterleib, sofort riss ich die Augen auf und drehte den Temperaturregler so kalt wie nur möglich.
Die ersten vier Stunden meines Arbeitstages waren ereignislos an mir vorbeigezogen, Daliah hatte ich nur einmal ganz kurz gesehen und nun war ich auf dem Weg zur Sporthalle in welcher ich den Sport-LK eines 12. Jahrgangs unterrichten sollte. Die Kabinen waren bereits aufgeschlossen und so begab ich mich in die Lehrerumkleide und stieg in meine Leggings und ein Oversizedshirt. Ich betrat fertig angezogen in die Halle und sah dass bereits eine andere Klasse gemischt mit meiner anwesend war, ich ließ meinen Blick in dem Geräteraum wandern aus welchem Daliah gerade trat, sie hatte also den Kurs übernommen, das konnte ja was werden. Ich wusste nicht warum, aber plötzlich keimte Wut in mir auf, eine riesige Wut. Ich wandte mich zu meiner Klasse und kündigte an dass wir heute Ausdauertraining machen würden, das hieß 90 Minuten draußen auf der Laufbahn laufen, doch plötzlich schaltete sich Daliah ein. „Dann müssen wir uns die Laufbahn wohl teilen." ertönte es hinter mir, ich biss die Zähne zusammen um meiner Wut nicht freien lauf zu lassen. „Natürlich." presste ich mit meinem besten gekünstelten lächeln hervor. Daliah sah gut aus, sie trug eine enge sporthose und ein enges Top, die Haare hatte sie sich zu einem Zopf gebunden. Und so verließen wir zusammen mit Daliahs Kurs die Halle, sie hatte den gleichen Plan wie ich, Ausdauerlauf. Wir dehnten uns und sagten den Schülern dass sie loslaufen können, doch plötzlich ertönte die Stimme von Max, einem ziemlichen Dummkopf. „Und was ist mit Ihnen? Laufen Sie nicht mit? Ziemlich unfair oder nicht?" hier und da schalteten sich auch andere Schüler mit murmelnden zustimmen und eifrigen Nicken zu. Daliahs Zündschnur war kurz, das spürte ich, doch bevor sie ausrasten konnte über diese Forderung schritt ich ein. „Ich denke nicht dass ihr in der Position seid uns vorzuschreiben was unfair ist und was nicht, aber gut, ich werde mitlaufen." stimmte ich zu und erntete dafür einen verdutzten Blick von der Seite. „Gut, ich werde auch mitlaufen." sagte Daliah nun, wofür mein Blick nun zu ihr schnellte. „Was denn, Angst zu verlieren?" zischte sie mit nun entgegen, so dass nur wir beiden es hören konnten. „Gegen dich? Pah, dass ich nicht lache." giftete ich zurück, typisch Daliah, aus allem und jedem einen Wettkampf zu machen. Wir setzten uns langsam in Bewegung und Daliah und ich bildeten bald die Spitze, die ersten drei runden liefen wir gemächlich nebeneinander her, die ersten Schüler fielen innerhalb dieser drei Runden schon zurück und gingen nur noch. Ich zog mein Tempo an und es dauerte auch nicht lange bis Daliah wieder neben mir erschien, runde um runde liefen wir, zogen immer wieder das Tempo an bis keiner unserer Schüler noch mit uns mithalten konnten. Sie hatten sich auf dem Rasen neben der Laufbahn niedergelassen und feuerten uns an, wir jedoch liefen verbissen weiter. Meine Beine wurden schwer, ich spürte wie schwach wurde, wenn ich jetzt jedoch aufgeben würde, dann würde ich gegen Daliah verlieren, und das wollte ich vermeiden. Nun kam der erwünschte Energiekick und ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir das wir nur noch zwei Runden laufen müssten, dann hätten wir es geschafft. Daliah schien dies nun auch zu realisieren denn im selben Moment beschleunigten wir unsere Schritte noch einmal, die Ziellinie kam in Sicht und so legte ich einen Sprint hin, einen Sprint mit dem nicht einmal Daliah mithalten konnte, ich hatte meine Willenskraft bestens unter Kontrolle. Ich verlangsamte mein Tempo und Daliah tat mir dies gleich während die Schüler pünktlich zum Klingeln noch immer jubelnd über meinen Sieg wieder in der Halle verschwanden. Daliah griff sich ihre Wasserflasche und verschwand ohne eine weiteres Wort wütend ebenfalls in die Halle.
Ich lief gerade die Spindreihen entlang als ich von der seite dagegen geknallt wurde, mein Rücken schmerzte von der Wucht mit welcher ich gegen das Metall gepresst wurde. Ich schlug die Augen auf und blickte in zwei mir sehr bekannte blaue Augen, in ihren tobte ein Sturm, ein Sturm der Wut. Daliah beugte sich vor und zischte mir etwas ins Ohr, „Wag es nicht mich noch einmal so bloßzustellen! Ich warne dich!" zwischen meinen Beinen wurde es heiß und dafür könnte ich mich gerade ehrlich verfluchen. „Sonst was?" fragte ich zurück und war überrascht über den festen Klang meiner Stimme. Daliahs Knie schnellte nach oben, direkt zwischen meine und übte druck auf meine Mitte aus, ein leises keuchen entfloh mir und Daliah sah mich triumphierend an, dann verschwand sie und ließ mich einfach so stehen.

Gestohlene Herzen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt