Das Haus des Professors

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»Groß«, meinte Fanny.
Ich nickte. Ja, ich hatte ihr den Zettel gezeigt und sie war sofort damit einverstanden gewesen, dass wir unsere Detektivarbeit fortsetzen.
»Einbrechen? Oder wie wollen wir reinkommen?«
»Hab 'nen Schlüssel«, gab ich zurück und lief voran. Fanny folgte mir.
»Woher?«
»Geklaut. Von Mr. Pevensie. Lag in seiner Bibliothek. Ich habe nicht gefragt, sondern gesucht!«
Wir hatten eine Weile gebraucht, um hier anzukommen. Meinem Dad hatte ich erklärt, dass ich bei meiner besten Freundin schlief. Er hatte nichts dagegen, wenn ich nicht wieder irgendwo hingehe.
Mache ich ja nicht. Ich gehe nicht irgendwo hin, sondern zu einem Haus von wichtiger Bedeutung.
Ich schloss die riesige Tür auf und betrat die große Eingangshalle. Alles war verlassen und verstaubt.
Langsam lief ich die alten knorrigen Treppenstufen hinauf, mit ein wenig Angst, dass sie zusammenbrechen würden.
Oben erstreckten sich Korridore und ich lief planlos dort herum. Ich drehte mich um und bemerkte, dass Fanny verschwunden war. Nun war ich alleine, aber ich ging dennoch weiter. Ich war einfach zu neugierig. Irgendwie wirkte alles wie ein Geisterhaus. Im nächsten Moment könnte ein Monster aus der Ecke springen und mich still und heimlich töten.
Ich öffnete eine Tür. Dahinter erstreckte sich eine Art Büro. Wahrscheinlich von dem Professor. Ich betrat den Raum und setzte mich auf den Stuhl, der ächzend unter mir zusammenbrach. Na toll!
Ich schaute mir die Bücher in den Regalen an, entdeckte aber nichts besonderes. Dann ging ich weiter in den nächsten Raum. Dort standen einige Betten; nichts von Bedeutung. Fast daneben befand sich ein Wohnzimmer - wie alle anderen Räume verstaubt.
Wer lässt so etwas alleine?
Ich lief weiter durch den Flur und kam an einem Zimmer vorbei, welches mich irgendwie magisch anzog. Ich drückte die Klinke hinunter und fand nur einen Kleiderschrank in dem Raum. Das Eigenartige war, dass er ziemlich neu aussah.
»Sally?«, hörte ich Fanny rufen und im nächsten Augenblick stand sie neben mir. »Das ist nur ein Kleiderschrank. Lass uns gehen. Hier gibt es nichts!«
»Warte!« Ich ging zum Schrank und öffnete ihn vorsichtig. Er erinnerte mich an irgendwas.
Auf einmal hörte ich Stimmen von Kindern, die sich darin um den Platz stritten. Doch als ich hineinsah, fand ich niemanden vor.
Nur eine Einbildung, versicherte ich mir.
»Komm, Sally. Da ist nichts.« Meine Freundin zog mich mit sich.
Noch ein letztes Mal sah ich zu dem Schrank. Einen Augenblick dachte ich, dass dort Licht schien, aber da hatten wir schon den Raum verlassen.

Nicht nur fragen, sondern antworten

Ich lugte durch das Schlüsselloch und sah, dass Mr. Pevensie in seinem Sessel saß und ein Buch las. Mist!
Ich schob den Schlüssel in meine Hosentasche und drückte langsam die Klinke hinunter. Es knarrte, als ich über die Türschwelle lief, aber dennoch sah der Mann nicht auf.
»Hey, Dad«, versuchte ich normal rüberzukommen.
Mr. Pevensie murmelte etwas Unverständliches und ich lief weiter zum Bücherregal. Leise packte ich den Schlüssel zurück in die Schatulle und wandte mich gerade zum gehen, als der Mann mich zurückhielt.
»Und wie war's?«
»Wie war was?«, gab ich gespielt ahnungslos zurück.
»Der Besuch bei deinem Großvater.«
»Ach ja, mein Großvater.« Da er mit dem Rücken zu mir saß, wedelte ich mit meiner Hand vor meinem Gesicht als Zeichen, dass er bescheuert war. »Ihm geht's bestens. Grandpa hat sich über den Kuchen sehr gefreut.«
Ich schaute vorsichtig über Mr. Pevensies Schulter und sah, dass er ein Fotoalbum anschaute.
Nicht fragen, sondern antworten!
»Das ist Peter, Ihr Vater«, sagte ich und deutete auf den jungen Mann im Foto.
Er hielt die Taille um ein anderes Mädchen, welches blonde Haare hatte.
»Und das ist sicherlich Ihre Mutter.«
»Nein, meine Ex-Verlobte«, gab er zurück.
Nicht fragen, sondern antworten!
Ich blätterte weiter und schaute mir die nächsten Bilder genau an. Wieder wurde mir schwarz vor Augen und dieses Mal befand ich mich in dem Foto. Besser gesagt: auf einer Feier.
Das Komische war aber, dass ich diesmal nicht daneben stand, sondern Belle war. Ich sah mit ihren Augen, hörte mit ihren Ohren und sprach sogar gegen meinen Willen mit ihrem Mund!
»Lass uns ein Erinnerungsfoto machen, Belle!«, meinte ein kleines Mädchen. Sie hatte braune lange Haare und ähnelte Peter sehr.
Wahrscheinlich die Schwester.
»Mrs. Kirke«, verbesserte ein Junge und grinste schelmisch. Er harkte sich bei mir ein, das kleine Mädchen auf der anderen Seite und ein anderes bei ihrer Schwester. Dann kam auch schon der Fotograf mit seiner Kamera.
»Bitte lächeln!«, sagte der Mann und drückte auf den Auslöser, so eine eigenartige Pumpe.
Auf einmal trat Peter hinter den Fotograf. »Ihr macht ein Foto?«, fragte er.
»Nein, Peter. Wie kommst du nur darauf?«, fauchte ich ironisch. »Wir stehen hier nur lächerlich herum und warten auf unseren Drink!«
Er sah mich wütend an.
»Wenn Sie sich bitte ebenfalls zur ihren Geschwistern stellen würden, Mr. Pevensie.« Der Fotograf schaute erwartungsvoll.
Der blonde Mann willigte ein und stellte sich neben seinen Bruder.
»Nein, Mr. Könnten Sie sich bitte neben die junge Dame - Mrs. Kirke - stellen? Und Sie Mrs. Susan Pevensie, nehmen Sie bitte zwischen ihren kleinen Bruder und Mrs. Belle platz«, wies er an.
Kirke ... War das nicht der Name des Professors? Ist es ihr Großvater, wie Simon vorhin gesagt hatte.
Wir taten es ihm nach, obwohl Peter mit sich kämpfte. Er umfasste mit seiner rechten Hand leicht meine rechte Taille.
Als der Fotograf endlich das Foto geschossen hatte, zog Peter blitzschnell seine Hand weg und ging zu seiner blonden Frau. Sie sah genauso aus, wie die Frau auf dem Fotoalbum.
Aber wieso hat Mr. Pevensie gemeint, es sei seine Ex-Verlobte? Ist es vielleicht doch …
»Bist du eifersüchtig?«, fragte mich plötzlich das große braunhaarige Mädchen., als sie meinen Blick zu ihrem großen Bruder bemerkte.
Ich schaute sie verwirrt an. »Ich weiß nicht, was du meinst ...«
»Tu doch nicht so. Ich weiß, dass du ihn noch liebst.«
Ich drehte mich um. Edmund und Lucy waren gegangen. Ich beugte mich zu Susan.
»D-du erzählst ihm a-aber nichts, oder?«, stotterte ich.
Das Mädchen legte mir ihre Hand auf den Unterarm und schüttelte den Kopf. »Glaub mir, ich werde kein Sterbenswörtchen sagen. Und jetzt lass uns etwas trinken!«
Ich wollte gerade weitergehen, als mir schlecht wurde. Ich riss die Augen auf und in der nächste Sekunde war ich wieder in meinem eigenen Körper, jedoch nicht in meiner Welt, sondern immer noch auf der Party.
Da mich niemand sah, setzte ich mich in irgendeine Ecke und beobachtete alles. Lächelnd musste ich feststellen, dass Belle und Peter miteinander tanzten.
Nach dem Tanz ging die junge Frau zum Getränkestand und unterhielt sich mit dieser blonden Tussi. Im nächsten Augenblick schleuderte sie Belle ein Glas Wasser ins Gesicht und die braunhaarige Frau rannte sauer davon.
Nun wusste ich nicht, was ich machen sollte. Ich war in einer Erinnerung gefangen, obwohl es vollkommen verrückt war.
Vielleicht bin ich ja wirklich krank im Kopf …
Die Leute beruhigten sich allmählich wieder und ich setzte mich gelangweilt auf den Stuhl. Nach einer Weile kam Belle wieder zurück und rannte aus dem Garten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ihr folgen zu müssen und das tat ich auch. Sie lief auf die Straße und bog um eine Ecke. Ich ging hinterher, aber Belle war verschwunden.
Auf einmal wurde ich von den Beinen gerissen. Eine Hand schloss sich um meinen Mund und ich ließ mich einfach mit zerren, da es eh nichts gebracht hätte.

Die Chroniken von Narnia - Timeline || Band 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt