Kapitel 4-♕

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Tristan. Nun hatte ich wenigstens einen Verbündeten hier, obwohl ich wusste, dass ich hier lieber niemanden trauen sollte. Ich verließ mein Zimmer und durchquerte den langen Flur, durch das alte Gewölbe. Die Decken waren mit Ziegelsteinen bedeckt, welche ein Art Gewölbe bildeten. Links und rechts wurde der tunnelartige Gang durch antike Lampen erleuchtet, sodass alles weniger einschüchternd wirkte. Meine Hände fühlten sich fehl am Platz und so begann ich sie unruhig zu kneten. Ich war froh, dass mir niemand entgegenkam und so zwang ich meine Beine zum Weitergehen. Plötzlich wurde der Tunnel von einem hellen Licht erleuchtet und gab mir den Blick auf Tristan frei. Lange brauchte ich nicht, um mich zu vergewissern, dass es sich um ihn handeln musste. Seine blonden Haare wirkten ungebändigt und unfassbar weich. Seine eisblauen Augen stachen dabei heraus und ich hatte das Gefühl, dass sie in mich hindurchsahen. Diese Stärker, mit der er seinen Blick auf mich richtete, ließ mich schaudern. Die unangenehme Stille wurde durch eine Wache gebrochen, welche Tristan zum Gehen aufforderte. Wahrscheinlich wollte er ihm nun sein Zimmer zeigen, wie es Wilson bei mir tat. Wilson. Ihn sah ich gar nicht, was aber hieß, dass er seine Regeln beachtet und mir somit aus dem Weg ging. Besser so. Julius, die rechte Hand von König Amres kam auf mich zu und hatte hielt in seinen schlaksigen Armen eine Mappe in der Hand.  "Miss Atkins, diese ist für Sie", er überreichte mir dabei die Mappe. " Es beinhaltet Ihren Stundenplan oder Ihre Jobvorschläge, welche Sie während des Aufenthaltes hier annehmen sollen. "Ein großes Fragezeichen bildete sich in meinem Kopf. Wieso sollte ich für dieses Königreich nur irgendwas machen? Ganz sicherlich werde ich nicht für den König putzen oder ähnliche Drecksarbeit. Das kann er vergessen. Julius muss meinen Blick aufgefangen haben und so räusperte er sich kurz: " König Amres lässt es Ihnen offen, ob Sie das Internat, wie Prinz Wilson besuchen wollen oder dort einen Job annehmen."  "Ich bleibe also nicht hier?", fragte ich ihn mit zusammengekniffenen Augen. "Nein Miss, dies ist nur ein Zwischenstopp. Sie, Herr Tristian und Prinz Wilson werden morgen in das Celestial College gebracht." Noch nie hatte ich von dem College gehört, jedoch besaß ich generell nicht viele Informationen über den Mitternachts-Wald und hatte demnach noch viel zu lernen.--


Obwohl ich von dem Vorhaben, in ein College abgeschoben zu werden, nicht gerade angetan war, weiteten sich meine Augen bei dem Anblick. Ein riesiges Gebäude erstreckte sich mitten in den Bergen. Die Pferde mussten wir vor der Treppe stehen lassen, da sie die beleuchteten Treppen nicht hochkamen. Von links und rechts wurde das College von weiteren Gebäuden eingeschlossen, welche mindestens dreißig Meter hoch waren. Spitze Türmen flankierten das Hauptgebäude, welche mit ihren Spitzen den Himmel zu berühren schienen. Als ich zögerlich den ersten Tritt auf die Stufe wagte, vernahm ich das Geräusch von rauschendem Wasser. Während die anderen weiter die Treppe hinaufstiegen, wagte ich einen Blick über die linke Brüstung. Direkt unter dem großen Eingangstor floss ein gigantischer Wasserfall hinab, welches sich zu einem kleinen Teich formte.  "Ophelia", kam es von Prinz Wilson, welcher mich aus einer Mischung von einem genervten Stöhnen und Perplexität rief. Ich wandte meinen Blick wieder ab, um ein letztes Mal auf den Wasserfall hinabschauen zu können. Da die anderen bereits das Ende der Treppe erreicht hatten, nahm ich gleich zwei Stufen auf einmal, um den großen Abstand wieder wettzumachen. Ich wusste nicht, ob mein erhöhter Puls in meiner klopfenden Brust von den Treppen kam oder davon, dass dies bald vorerst mein Zuhause sein würde. Wie selbstverständlich öffneten die zwei Wachen, welche uns begleitet hatten, die prunkvollen Türen. Mit einem lauten Knarren gaben diese den geschützten Inhalt dieser Festung frei. Meine Augen erblickten hundert, nein tausend Schüler, welche sich laut durch ein wildes Gedrängel wimmelten. Überall, wo ich hinsah, ich sah immer wieder in ein kräftiges Blau und ein kühles Schwarz. Die Frauen trugen schwarze Faltenröcke mit einem passenden blauen Pullover, welcher das Wappen des Colleges zierte. Darunter trugen sie alle eine leichte Bluse und hohe schwarze Kniestrümpfe. Die Männer schlängelten sich mit einem ebenfalls blauen Pullover und schwarzen Hosen an der Menschenmasse vorbei. Ich konnte in ein paar Gesichter blicken und ich wusste nicht, woran es lag, aber mein Blick fing makellose Haut und wellige Haare ein. Die Mädchen hier sahen alle perfekt und wunderschön aus. Nirgends fand ich einen Fleck auf einem Pullover oder eine verfranzte Frisur. Wo zur Hölle bin ich hier gelandet? Julius suchte sich einen Weg durch das Gedränge hindurch, doch er selbst hatte eher eine kleine und schmale Statur. Ich dachte, der Arme würde bereits überrannt werden, bis sich Wilson vor ihn schob und die Schülerschar sich löste. Sie alle machten einen breiten Bogen um Wilson, sodass wir nun endlich genügend Platz zum Atmen hatten. Einerseits konnte ich ihn echt nicht leiden, aber gerade in dieser Sekunde war ich froh, dass er hier war und uns den Weg frei machte. Wir bahnten uns durch das helle Gebäude und gingen mehrere Kreuzungen rechts, dann links und dann wieder zahlreiche Treppen hinauf. Anfänglich wollte ich mir die Route merken, doch ich war von den ganzen neuen Eindrücken viel zu sehr abgelenkt. Endlich kamen wir zum Stehen und Julius wandte sich erst an Tristan und dann an mich.   "So ihr Zwei, ich hoffe, dass ihr eure Mappen dabeihabt, welche ich euch gestern ausgehändigt habe. Eure Sachen wurden bereits in die Schlafsäle gebracht. Links den Gang hinunter ist der Frauentrakt und rechts den Gang hinunter ist der Männertrakt." Um dies zu verdeutlichen, zeigte er mit ausgestreckter Hand den Gang jeweils rauf und herunter, ehe er seinen Blick energisch auf sein Klemmbrett in seiner Hand richtete.  "Laut Stundenplan geht die erste Stunde für euch beide in zwanzig Minuten los. Tristan, du musst in Strategie und Entwicklung und Ophelia wie ich sehe, du hast die gleiche Stunde wie Prinz Wilson. Dann könnt ihr beide ja gemeinsam hingehen. So...", er richtete seinen Blick erneut auf sein Klemmbrett und flog mit seinen Augen mechanisch über seinen darauf liegenden Zettel, "...wie es aussieht, haben wir dann alles Organisatorische abgehakt. Falls ihr Fragen haben solltet, dann lasst es mich wissen. Ich bin jeden Dienstag in der Bibliothek, um eure wöchentlichen Berichte abzuholen."  "Welche berichte?", platzte es neugierig aus Tristan heraus. Julius hielt sein Klemmbrett nun noch enger vor seinen Körper. "Der König hat befohlen, einen wöchentlichen Bericht einzuholen, indem eure Noten und euer Verhalten vermerkt ist. Natürlich möchte er auf dem Laufenden sein, da er ja selbst nicht hierherkommen kann. "Ja natürlich. Mir soll es egal sein, was in diesen Berichten drinsteht. Soll der König doch mal etwas Farbe in sein Gesicht bekommen und seine Stimme heben. "Gut meine Lieben. Nun muss ich aber wirklich los. Ich wünsche euch ganz viel Erfolg und viel Spaß!". Er verabschiedete sich und steuerte den Heimweg an. Die Wachen zogen ebenfalls mit ihm ab, sodass wir nun allein waren. Ich wollte die Zeit nutzen, um endlich etwas mit Tristan reden zu können. Wilson ließ ich dabei unbeachtet und schlängelte mich an ihm zu Tristan vorbei "Hey, wir hatten irgendwie noch keine richtige Möglichkeit, um uns kennenzulernen, ich bin Ophelia." Dabei reichte ich ihm meine Hand, welche er direkt annahm. Mit einem Grinsen im Gesicht erklärte er mir " Hey, ich bin Tristan. Aus welcher Gegend kommst du?"  "Aus Riverhedge, du?"  "Sieh mal einer an, dann sind wir ja fast Nachbarn, aus Barrowpond."Ich begann zu lächeln, doch Wilson schien genervt zu sein. Er hatte seine Arme verschränkt und seufzte "Also, da sich Shadow und Sunshine endlich gefunden haben, gehe ich zum Unterricht." Er sank seinen Kopf und ging den Männertrakt entlang. " Kommst du Shadow?", rief er über seine Schulter hinweg. Abrupt versteifte ich mich. " Wieso sollte ich?", wollte ich von ihm wissen.   "Hast du unseren Aufpasser nicht gehört? Ich soll dich mit zum Unterricht nehmen." Stimmt. Mit einem entschuldigenden Blick wandte ich mich an Tristan: " Mist. Sorry, ich muss los. Wann hast du Schluss?" Er kramte in seinem Rucksack und zog die Mappe von Julius mit den Stundenplänen hervor. "Hmmm... um 15 Uhr. Vorher hab' ich noch Kampfkunst." Während er seinen Stundenplan durchlas, kramte auch ich meinen Stundenplan hervor und versuchte das genervte Schnauben von Wilson zu ignorieren. "Ich auch! Schätze, dann sehen wir uns in Kampfkunst", versicherte ich ihm lächelnd. "Definitiv. Und nun geh, bevor sich hier bald eine Gewitterwolke auftut. Der Typ hat ja heute eine miese Laune.", flüsterte er mir ins Ohr. Dabei lehnte er sich so weit zu mir rüber, dass ich seinen Atem auf meinem Hals spüren konnte. Aufgrund dieser überraschten Nähe bildete sich, genau an dieser Stelle, eine Gänsehaut und ich nahm seine Bewegungen noch präsenter wahr. Es war lange her, dass ich einem Mann so nah war. Zwar hatte ich damals einen Freund, doch da war ich 17 Jahre alt und es hielt auch nicht lange, da er nach kurzer Zeit von dem Militär versetzt wurde. Heute, mit 27 war es etwas anderes. Ich hätte eigentlich längst verheiratet sein sollen, wie es viele in meinem Dorf waren. Schnell versuchte ich diese Gedanken zu verdrängen, denn das Heiratsthema wurde viel zu oft früher Zuhause angesprochen, sodass ich darauf keine Lust hatte. Fast vergaß ich, dass Tristan noch auf eine Antwort von mir wartete und so versuchte ich krampfhaft zu lachen "Ja, da er ja normalerweise solch ein Sonnenschein ist." Anscheinend bemerkte Tristan nichts von meiner Unbehaglichkeit und grinste. "Du bist witzig, Ophelia. Ich denke, dass dieses Jahr doch nicht so öde wird, wie gedacht." Noch bevor ich etwas darauf antworten konnte, hustete Wilson bestimmend und gab mir so zu verstehen, dass er nicht mehr lange auf mich wartete. Daraufhin nickte ich Tristan lediglich zu und meine Beine wanderten in Richtung Wilson, welcher die letzten Minuten an die Flurwand lehnte. Er stoß sich ab und meckerte: "Na endlich. Komm jetzt, sonst bist du an deinem ersten Tag noch zu spät." Ich verdrehte die Augen, aber ließ trotzdem neben ihm zum Unterricht. "Schließlich will ja keiner, dass Daddy wütend wird, oder?", provozierte ich ihn. Wilson erwiderte nichts und schüttelte nur den Kopf. Jetzt ist es so weit. Mein erster Tag. Meine erste Unterrichtsstunde.  "Keine Sorge Shadow, so schlimm wird es schon nicht werden.", kam es plötzlich von ihm. Dabei wusste ich nicht, ob er meine Gedanken erahnen konnte oder, ob ich sie eventuell doch laut ausgesprochen hatte.

Tears of fearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt