Killian Archer.
Nicht nur, dass es sich bei ihm um Damiens sechs Jahre älteren Bruder handelte, nein, er war auch der erste Junge in den ich mich jemals verknallt hatte. Schon damals in der Grundschule, als die größeren Kinder auf Damien und mir herumgehackt hatten, verteidigte Killian uns. Seit jeher bewunderte ich ihn. Er war im Gegensatz zu Damien schon immer recht groß und sportlich gewesen. Auch vom Charakter her unterschieden die Beiden sich wie Tag und Nacht. Killian war eher extrovertiert, Damien hingegen sehr introvertiert. Viele Kinder hatten damals Angst vor dem dunkelhaarigen Jungen gehabt, ich aber nie. Bei ihm fühlte ich mich einfach sicher und geborgen.
Jahrelang schwärmte ich heimlich für ihn. Nur Damien wusste davon. Natürlich verstand er es nicht. Für ihn war Killian immer der nervige, große Bruder, der ihn gerne ärgerte. Ich hatte immer die Hoffnung gehabt, dass er mich irgendwann wahrnimmt, doch er sah in mir nur die kleine Schwester, die er nie hatte. Als er dann aufs College ging war ich todtraurig darüber, so sehr, dass ich tagelang nicht das Haus verlassen wollte. Über vier Jahre waren seit dem vergangen. Ich musste gestehen, ich hatte eine lange Zeit nicht mehr an ihn gedacht. In den letzten Jahren passierte auch unwahrscheinlich viel in meinem Leben.
Mein Herz setzte einen kurzen Moment aus und ich konnte fühlen, wie es daraufhin immer heftiger gegen meine Brust schlug. Der Atem blieb in meiner Kehle stecken und ich merkte, wie mir immer wärmer wurde.
Killian kam mit großen Schritten und ausgebreiteten Armen auf mich zu, nur um mich dann lächelnd darin einzuschließen.
„Kathy, Ich freu mich so dich zu sehen! Wow, du bist ja richtig erwachsen geworden!"
Er schob mich ein kleines Stück von sich weg, um mich von oben bis unten zu begutachten. In diesem Moment fiel mir erst einmal auf, dass ich ihm so nah wie schon lange nicht mehr war. Seine großen Hände lagen immer noch auf meinen Schultern und umfassten sie. Sein Gesicht befand sich nur wenige Zentimeter von meinem. Die Höhe machte da eher die Distanz. Ich hatte das Gefühl er war über die Jahre noch mehr gewachsen, auch wenn Killian schon immer zwei Köpfe größer als ich war. Mit meinen stolzen 1,58 Metern definitiv kein Kunstwerk.
In Killians Blick lag reine Freude und als ich ihn so zufrieden Lächeln sah überkam es mich auch. Ich konnte nicht anders, als ihn überglücklich um den Hals zu fallen. Er schloss mich in seine Arme und für ein paar Sekunden verblieben wir auch so.
„Stör' ich?!"
Mein Blick fiel in Richtung der Stimme, die meinen kurzen Frieden störte.
„Wollt nur Bescheid geben, dass ich fertig bin und jetzt abhau'."
„Warte, Damien."
Killian löste die Umarmung, um seinen Bruder ein Handzeichen zu geben, kurz stehen zu bleiben.
„Was willst du?!"
„Willst du Kathy nicht mal 'hallo' sagen?"
Fragend blickte der Dunkelhaarige seinen Bruder an. Dessen Blick landete kurz bei mir, ehe er die Augen schloss und angespannt die Luft ein- und ausatmete.
„Nein, will ich nicht. Und jetzt ciao!"
Damien öffnete seine grün-strahlenden Augen wieder, nur um direkt in Meine blicken zu können. Kurz glaubte ich, ein Funkeln in Ihnen erkennen zu können, jedoch brach der Augenkontakt ab, als Damien kehrt machte und sich immer weiter von uns entfernte.
Zuhause dachte ich noch sehr lange über diese Begegnung nach. Was mich aber noch mehr in seinen Bann gezogen hatte, war Damiens Blick bevor er gegangen ist. Er war so stark, dass ich das Gefühl hatte, er würde mich erdrücken.
Ich sah in meinen Spiegel und blickte mir tief in die Augen. Sie waren nichts besonderes. Für meinen Geschmack sogar etwas zu groß, aber wenn ich mich so ansah spürte ich nichts. Kein Feuer, keine Leidenschaft, bloß zwei leere, grün-braune Augen.
Mein Leben war weder spannend, noch aufregend oder lustig. Es war einfach strukturiert und langweilig, aber es störte mich nicht. Solange man mich außerhalb der Schule in Ruhe ließ, war mir mein ruhiges, langweiliges Leben ganz recht.
Klar, es wäre schön, nicht immer alleine zu sein, aber ich hatte es mir so ausgesucht. Es war mit Sicherheit nicht einfach, ganz im Gegenteil, ich hatte mein ganzes Leben lang immer jemanden an meiner Seite gehabt. Und von jetzt auf gleich stand ich komplett alleine da. Denn die Person, die wirklich immer für mich da war, hasste mich.
Nein, nein, nein, ich wollte keinen einzigen Gedanken mehr an Damien Archer verschwenden. Dieser Junge machte mir generell in letzter Zeit viel zu oft Kopfschmerzen.
Ein Blick aus meinem Zimmerfenster ließ mich in das von Damien sehen. Davor hingen weder Gardinen, noch Vorhänge. Früher kommunizierten wir viel über die kurze Distanz zwischen unseren Fenstern. Wir hatten aber auch das Glück gehabt direkt nebeneinander zu wohnen, quasi Zimmer an Zimmer. Stundenlang standen wir manchmal an unseren Fenstern und quatschten. Meist über Handy, da wir sonst zu laut reden mussten und uns keiner hören sollte.
Als ich an die Zeit zurück dachte, machte sich in mir wieder die Traurigkeit breit. Ach man, jetzt dachte ich ja schon wieder an IHN.
Schnell wechselte ich den Gedanken zu etwas Erfreulicherem. Killian.
Nachdem Damien weggegangen war, redeten wir noch ein paar Minuten miteinander, ehe er einen wichtigen Anruf bekam und ins Haus zurück musste. Es war unglaublich schön, Killian endlich wiedergesehen zu haben.
Anscheinend zogen er und Damien wieder in ihr altes Haus. Lydia, ihre Mutter, blieb aber bei ihrem Mann, Damiens und Killians Vater. Er befand sich schon seit mehreren Jahren im Westen auf einen Militärstützpunkt. Ich wusste nur, dass er dort als Ausbilder fungierte, mehr hatte mir Damien nicht erzählt. Er und sein Vater standen sich nie wirklich nah. Es kam ihm so vor, als sei er eine Enttäuschung für seinen Vater gewesen, denn Killian wurde von ihm immer bevorzugt.
Als ich mich spätabends schlafen legte, schwirrten immer noch die Ereignisse des Tages in meinem Kopf herum. Die Begegnung mit Killian, der eindringliche Blick von Damien und die Erinnerung an die Vergangenheit. Irgendwann merkte ich jedoch, wie mir langsam die Augen zufielen und ich immer weiter ins Land der Träume reiste. Gute Nacht, Welt.
DU LIEST GERADE
Revenge
ChickLitFrüher waren Kathrine und Damien die besten Freunde, doch nach dem Schulwechsel änderte sich alles. Kathrine machte sich bei den angesagten Schülern beliebt, doch Damien hatte in ihrem Leben keinen Platz mehr. Er sah halt nicht besonders gut aus, h...