"Vergiss nicht, das du auf einer Mission bist. Eine Mission, um der beste Mann zu werden, den Deine Blutlinie je gesehen hat."
Leise murmelte ich die Worte vor mir her. Sie begleiteten mich seit meiner Kindheit. Vater predigte diese immer und immer wieder. Langsam ging ich einen Stück zurück und betrachtete die arrangierten Bilder meiner Familie im Eingangsbereich. Unzufrieden murrte ich und sortierte diese neu an. Es sollte von Anfang an perfekt sein, bevor es zur Einweihung kam. Die Einweihungsfeier meiner ersten eigenen Wohnung. Ich linste in den Spiegel. Ich sah wie immer etwas blass, aber vor allem Müde aus. Was erwartete ich auch, als junger Arzt der schon Mitte Zwanzig die Uni abschloss und Vollzeit arbeitete.
"Der Beste meiner Blutlinie...", sagte ich meinem Spiegelbild. Ich sah einem Mann entgegen der eine helle Stoffhose und ein helles Hemd trug. Die oberen Knöpfte waren nicht geschlossen und man sah seine Brust. Die Haare waren nicht gestylt. Nur nach vorn gekämmt. Er war groß, schlank aber dennoch muskulös. Er sah nicht grade, wie der Beste seiner Art aus.
Ich drehte mich etwas, um mich im Spiegel zu betrachten. Dabei fiel mein Blick auf die nicht ausgepackten Kartons im Hintergrund. Es gab noch so viel zu tun.
Es war ein kalter Morgen der mich eisig und mit Schnee im Empfang nahm. In meinem dunklen Mantel und der Schirm dicht ins Gesicht hängend, erkannte mich nicht mal meine eigene Mutter, die im Auto an mir vorbei fuhr. Ich seufzte zerknirscht und linste auf den Fahrplan. Noch Minuten? Bei dem Schneetreiben eher unwahrscheinlich. Ich entschied mich für eine kleine Wohnung in der Nähe des Krankenhauses. Sie war fußläufig erreichbar. Doch die nächste Einkaufsmöglichkeit lag einige Haltestellen entfernt. Ich war auf Taxi oder Bus angewiesen. Ich zog das kleine Handbuch aus meiner Brusttasche und las einige Zeilen darin:
Lektionen 213: Sei immer ehrlich!
Sorge dafür, dass es dir immer leicht fällt die Wahrheit zu sagen. Ist dies nicht der Fall, ist Deine Realität nicht gut genug. Verändere Dein Leben so, dass Du immer die Wahrheit sagen kannst.
Gib deinen Worten Gewicht!
Ich runzelte die Stirn. Die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass ich einen Scheiß über meine Fähigkeiten weiß. Ich kann sie nutzen um Tote wieder zu beleben. Doch was ihre Natur, ihren Charakter ausmacht, vermag ich nicht wieder zurück zu holen. Die Wahrheit ist, dass ich gerne Arzt bin, aber ich mich dennoch leer fühle, wenn ich nur den Lebenden helfen kann. Die Wahrheit ist, dass ich diese verdammte Stiftung brauche, um meine Ziele zu erreichen. Der Griff um das Büchlein wurde fester und das quietschen der Reifen vor mir, ließ mich auf schauen. Der Bus kam also doch pünktlich. Ich klappte den Schirm zusammen, nach dem ich das Büchlein verstaute und stieg ein. Bezahlte eine Einzelfahrt und mühte mich bis in die letzten Sitzreihen. Doch es war nichts frei. Locker griff ich nach der Stange über mir, bei meiner Größe kein großes Unterfangen. Müde schaute ich aus dem beschlagenen Fenster. Ich hasste Bus fahren. Widerlich.
Ich hing meinen Gedanken nach. Der Bus hielt ein paar mal. Ich linste zur Anzeigetafel während ich beim Stop and Go der Fahrt mit dem Körper mit wippte. Plötzlich schauderte es mir. Etwas griff nach meinem Arm und hielt sich, wie an der Deckenstange, daran fest. Ich schaute meinem Arm entlang. Ein schniefen entgegnete mir. Ich sah eine Stupsnase. Die blasse Haut ließ sie noch roter erscheinen. Die Kapuze hing ihr tief ins Gesicht. Der Schnee schmolz langsam. Die Person war kleiner als ich und kam bei weitem nicht so locker an die Stange. Ich denke sie wollte nur nicht fallen. Ich räusperte mich, um zu signalisieren, dass vor uns ein Platz frei sei. Sie rührte sich nicht. Ich schaute wieder zu dem beschlagenen Fenster, um in der Spiegelung zu betrachten wer diese Person sein könnte. Meine Augen weiteten sich, als ich den Kirchturm auf dem Marktplatz erkannte. Ich musste hier raus. Schnell ließ ich von der Stange ab und eilte zum Stop-Knopf. Nur um dann aus der Tür gedrängt zu werden, da anscheinend nicht nur ich die Haltestelle verpennt hatte. Ich murrte genervt. Oh wie ich Bus fahren hasste. Ich richtete meinen Mantel und merkte einen Druck auf meinem Arm. Zum Glück hatte ich noch an meinem Schirm gedacht. Dennoch fühlte er sich etwas Taub an, da sich bis eben die Person im Bus daran fest gehalten hatte. Ich linste meinen Ärmel an, um nach dem Schirm zu greifen. Doch da war kein Schirm. Ich blinzelte verwirrt. Sie stand da und umklammerte meinen Arm mit geschlossenen Augen. Hatte ich diese Person etwa aus versehen mit geschliffen? Hastig schaute ich zum Bus hinter mir, der bereits nur noch dreckigen, matschigen Schnee hinterließ. Und weg war er. Mein Schirm.
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Alexej Rudnik - Bekenntnisse eines Nekromanten
МистикаUnter der Ärzte Familie Rudnik ist Alexej wohl das Schwarze Schaf. Warum? Er ist ein Nekromant mit medizinischem Know How der Gutes tun will. Verfolge seinen Weg einer der bekanntesten und verschrobenen Ärzte seiner Zeit zu werden. Auf der Suche nac...