Schritt 4: Konfrontation

6 1 0
                                    

"Hier." Konstantin reißt seine Umhängetasche auf, hunderte Blätter zieht er heraus und schleudert sie vor mir auf den Tisch.

Ich sitze mit meinen zwei besten Freunden im Schnellimbiss, drei Blocks weiter von mir entfernt und würge mir die dritte Portion Pommes hinein. Mir ist schlecht, aber Essen ist gerade das einzige, was mich nicht den Verstand verlieren lässt.

"Alles Gute zum Geburtstag", sagt Konstanin in diesem für ihn so typisch stoischen Ton.
Meine linke Augenbraue schnellt in die Höhe.
"Ich dachte, das hier", ich nehme eine Pommes aus der Tüte, "ist mein Geschenk."
"Tja, zum Achtzehnten springt halt mehr für dich raus." Konstantin verschränkt die Arme vor der Brust, seine Mundwinkeln beginnen zu zucken.
"Was ist das überhaupt?", schaltet sich nun Jasmine ein. Ihre frisch lackierten Nägel berühren die erste Seite.
"Kontoauszüge?", Jasmine wirkt nicht überzeugt - oder sie hält uns beide für völlig Plemplen.
"Jap", bestätigt er, seine Augen verfolgen die Bewegungen ihrer Finger.

Konstantin steht auf Jasmine. Aber Jasmine soll nicht denken, dass er was von ihr will. Jasmine wiederum denkt, er steht auf mich, und ich weiß schon gar nicht mehr, was ich denken soll. Ich würde gerne ein bisschen Amor spielen. Konstantin ist der beste Kerl, den man sich wünschen kann und nach all dem kranken Mist, der Jasmine widerfahren ist, hätte sie ihn mehr als verdient.

"Wofür?", Jasmine spuckt das Wort förmlich heraus.
"Das sind die Kontoauszüge meiner Mum", sage ich und schiebe mir die Pommes in den Mund. Da fehlt definitiv Salz!
"Beantwortet jetzt nicht meine Frage", Jasmine zieht die Hand zurück und widmet sich ihrem Veggieburger.
"Ich will nur was nachsehen", sage ich und blättere die Seiten durch.
"Für ein bisschen Nachsehen habe ich aber nicht meinen Bruder in die Scheiße geritten." Konstantin will bissig klingen, bei mir hat er keine Chance.
"Ach, jetzt übertreib' nicht." Schon beim Überfliegen fallen mir die Einträge auf.
"Das ist illegal, Lizzy. Auch wenn du ihre Tochter bist...wenn das Ganze auffliegt, ist er seinen Job los - und das ist vielleicht noch nicht das schlimmste."
"Es wird schon keiner mitkriegen."
Mir Gegenüber gibt Konstantin ein lautes Schnauben von sich. Seine tiefschwarzen Augenbrauen ziehen sich zusammen, eine kleine Falte bildet sich dazwischen. Er sieht gut aus und wäre er nicht mein bester Freund, hätte ich schon lange versucht, bei ihm zu landen. Aber meine Freundschaft bedeutet mir mehr, als ein Kurzzeitfick oder eine Beziehung, die nach ein, zwei Wochen gegessen ist. Konstantin ist der erste Kerl, der sich nicht an mich rangeschmissen hat, als ich völlig am Boden war. Eine Hausparty hat uns zusammengeführt. Nachdem die Feier aus dem Ruder geraten war und ich mir hinter dem Rosenstrauch des Vorzeigegartens unserer Partygäste die Seele aus dem Leib gekotzt habe, hat Konstantin meine Hand gehalten, mich nach Hause gefahren und die Halbe Nacht Wache an meinem Bett geschoben. Es war das Süßeste, das ein Typ je für mich gemacht hat.

"Danke", sage ich leise, und meine so viel mehr als die Papiere, die vor mir liegen.
"Es sind nur die letzten fünf Jahre", murmelt Konstantin. Sein Blick wird weicher. "Mehr war nicht drin."
"Das reicht mir schon", sage ich und schiebe noch zwei Pommes in den Mund.
"Verrätst du uns jetzt, was das soll?", hakt meine beste Freundin nach und schaut skeptisch zwischen mir und Konstantin hin und her. "Steckt deine Mum in Schwierigkeiten?"
"Das weiß ich ehrlich gesagt nicht." Ich seufze. Tatsächlich bin ich nicht wirklich weiter gekommen.

Zwei Tage sind vergangen, seit ich Annabelle gesprochen habe. Zwei Tage, in denen ich mir den Kopf zermartert habe. Mein Doppelgänger hält sich bedeckt und es ist klar, dass sie mehr weiß als sie preisgeben will. Ich muss ihr Vertrauen gewinnen und gleichzeitig anfangen, ihr zu vertrauen. Dem reichen Mädchen aus Frankfurt. Der Mann mit dem Jaguar war kein Sugardaddy, sondern ihr richtiger Vater. Maximilian Leuchtenberg - super mächtiger CEO und zweitreichster Mann der Bundesrepublik. Seine Firma versteckt sich hinter jedem europäischen Gerät, das eine Batterie besitzt. Ich weiß nicht, wie es funktioniert, aber er macht damit Millionen Umsatz pro Jahr - und die Zahlen steigen stetig. Hin und wieder erwische ich mich dabei, mir vorzustellen, wie ich der verlorengeglaubte Zwilling der Leuchtenbergs bin und Maximilian Leuchtenberg eines Tages vor der Haustür steht und mich aus Plattenghetto ins Märchenschloss entführt.

RedemptionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt