Des jungen Prinzen Gewissen

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Durch eine ebenfalls bewachte Nebentür gelangen wir in den anderen Raum, ein Gemeinschaftssaal, ähnlich eingerichtet wie der vorige, jedoch menschenleer. Schweigend folgt der Prinz uns und Herr Falkenauge schließt von außen die Tür. Er lässt sich auf einen der Sessel sinken und überschlägt die Beine, beide Hände locker im Schoß gefaltet.

Derweil Zabel sich gegenüber des Prinzen an einen der niedrigen Tische setzt, lege ich meinen Hut auf einer Sofalehne ab und gehe zu einem kleinen, nahestehenden Karren, auf dem mehrere mit unterschiedlichen Alkoholsorten gefüllte Karaffen sowie Gläser stehen.

Betont gemächlich nehme ich jede einzelne Karaffe, um den Verschluss zu öffnen und kurz an ihrer Öffnung zu riechen, bis ich den Whiskey gefunden habe. Noch während ich mich bediene, drehe ich mich zum Prinzen.

„Oh, ich vergaß", sage ich unschuldig, „ich darf doch, oder?"

„Gewiss", erwidert mein Gegenüber mit einem kleinen Nicken und einer auffordernden Handbewegung.

Mit dem zum Drittel gefüllten Glas geselle ich mich zu den beiden anderen und setze mich auf ein kleines Sofa. Einen Arm über die Lehne gelegt, sinke ich zurück in die weiche Polsterung und nehme einen Schluck, genieße das wärmende Prickeln auf meiner Zunge.

Angespanntes Schweigen herrscht, indes ich den jungen Prinzen eingehend mustere. Ist er ungeduldig, so lässt er es sich kaum anmerken. Seine Miene ist gleichgültig wie zuvor, nur lässt der Zeigefinger seiner linken Hand, mit dem er in einem langsamen Rhythmus auf sein überschlagenes Knie klopft, vermuten, dass er nicht mehr lange warten will.

Weiter fällt mir nichts an seinem Erscheinungsbild auf. Nichts verdächtiges jedenfalls. Auch wenn er sich nach der Tat natürlich hätte umziehen und waschen können, doch selbst dann wären die Spuren nicht gänzlich fortgegangen.

„Nun", setze ich nach einer Weile an. „Ich habe ein paar Fragen an Euch, Euer Durchlaucht."

„Nur zu", meint der Prinz und sein stechender Blick durchbohrt mich regelrecht.

Ich neige den Kopf zur Seite und schwenke das Glas leicht im Kreis, im Versuch nachdenklich zu wirken.

„Als Ihr sagtet, dass Euer Vater dem Fae etwas angetan hat", fahre ich fort, „was genau meintet Ihr damit?"

Kurz scheint der Prinz überrascht, seine Augen weiten sich ein wenig, nehmen sogleich aber wieder die übliche Größe an. Er kräuselt die Brauen, als würde er nun selbst über eine geeignete Antwort nachdenken.

Derweil nehme ich einen weiteren Schluck des Whiskeys und beuge mich auf dem Sofa etwas vor, meinem Gegenüber entgegen. Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie Zabel sich die Stirn reibt, wahrscheinlich unterdrückt er ein leidvolles Seufzen, mit dem er am liebsten kundtun würde, wie sehr ihm meine Art des Vorgehens missfällt.

„Was hat Seine Majestät dem Fae angetan?", will ich wissen.

„Ist das wirklich von Bedeutung?", erwidert der Prinz und zieht eine Augenbraue hoch. „Sie scheinen sich doch ohnehin sicher, dass er den Mord an meinem Vater nicht begangen hat."

Ich lehne mich zurück in die Polster und nicke. „Das stimmt. Und doch, jede einzelne Kleinigkeit, die mit dem Mord oder einem Motiv zu tun haben könnte, ist wichtig!"

Wieder tritt Stille zwischen uns ein. Nur das Zwitschern von Vögeln dringt durch die geschlossenen Fenster, die goldene Strahlen Sonnenlicht hereinlassen.

„Sagen Sie", hebt der junge Prinz an zu sprechen, „was würden Sie tun, sollte ich mich nicht bereit erklären zu reden? Mich foltern?"

Ich schwenke das Glas in meiner Hand und überlege kurz, den Blick auf die darin schwappende Flüssigkeit gerichtet.

[ONC 2024] Detektiv Schwarzherz und der Fall des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt