Heimkehr

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Mehrere Tage später

Vorsichtig trete ich neben Sillír an die Reling des Schiffes und schaue der untergehenden Sonne entgegen.

Seit einigen Tagen sind wir nun schon unterwegs, nachdem ich den Kronprinzen darum gebeten habe den Fae freizulassen und ihm im Gegenzug versprach seine Schwester zurückzubringen. Wir haben uns daraufhin auf ein Handelsschiff begeben, das bald darauf abgelegt und zum Königreich der Fae aufgebrochen ist.

„Der Kapitän meint, dass wir morgen Früh Land erreichen werden", sage ich leise. „Du musst froh sein zurückkehren zu können."

Den Kopf auf die Arme gestützt, die er wiederrum auf die Reling gelegt hat, nickt Sillír bloß.

Schweigend stehen wir nebeneinander, bis ein lauter Schrei ertönt. Sillír hebt den Blick gen Himmel und folgt einem großen Vogel mit seinen violettgrünen Augen. Die schneeweißen Flügel weit aufgespannt, segelt er über den strahlenden Himmel. Ein erstes Zeichen, das wirklich Land in Reichweite ist.

Ich kneife die Augen zusammen, denn wenn ich mich nicht irre meine ich bereits einen graugrünen Streifen in der Ferne zu erkennen, der sich vom glühenden Orange und Gold des Horizonts abhebt.

„Ich bin wahrlich bald daheim", murmelt Sillír, als hätte er es bis jetzt nicht geglaubt.

Irre ich mich oder klingt tatsächlich ein Hauch von Kummer in seiner Stimme mit? Eine seichte Brise bewegt das lange, aschblonde Haar des Fae. Seine Ohren zucken und mein verräterisches Herz schlägt unwillkürlich schneller, auch wenn ich es davon abhalten will.

Kopfschüttelnd wende ich mich ab. Das muss ein Hirngespinst gewesen sein. Warum sollte er betrauern dem Leid entkommen zu sein, das ihm von meinem Volk zugefügt worden ist?

Ich atme tief durch, da meine Brust sich schmerzhaft verkrampft und wieder wünschte ich, Sillír früher kennengelernt zu haben, um ihn vor all dem zu bewahren, was ihm der König angetan hat. Doch das ist vergangen, es bringt nichts sich dessen zu grämen.

Nicht mehr lange und der Fae wird seine Heimat betreten und bei denen sein, die er liebt und die ihn lieben. Dort, wo er in Sicherheit ist.

Nach einem kurzen Räuspern richte ich mein Wort an Sillír, ohne ihn nochmal anzusehen. „Ich weiß, ich werde all das, was man dir angetan hat, nicht ungeschehen machen können. Genauso werde ich dich nicht drängen mir irgendetwas zu erzählen. Doch du sollst wissen, dass ich dir von ganzem Herzen Freiheit wünsche. Und dass du eines Tages mit der Vergangenheit abschließen kannst."

Fernab von Yumanda und den Menschen, die ihm das Gefühl gegeben haben, nichts wert zu sein, und in Obhut derjenigen, die ihn lieben, wird ihm das nach gegebener Zeit vielleicht gelingen. Er ist stark und mutig genug, das weiß ich.

Viel zu schnell kommt der nächste Morgen und mit ihm das Land, dessen blassgrauer Streifen bereits am vorigen Abend zu sehen war, immer näher

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Viel zu schnell kommt der nächste Morgen und mit ihm das Land, dessen blassgrauer Streifen bereits am vorigen Abend zu sehen war, immer näher. Auch wenn ich weiß, dass es für ihn das richtige sein wird, um vielleicht irgendwann mit der Vergangenheit abschließen zu können, so wünschte ich dennoch
zumindest ein bisschen mehr Zeit mit Sillír verbringen zu können.

Mittlerweile kreisen mehr jener großen, weißen Vögel am Himmel, von denen wir schon einen gesehen haben. Ihr Kreischen erfüllt die kühle Meeresbrise.

Hohe Berge, größtenteils von Wald bedeckt, erstrecken sich über den gesamten Horizont, von den Strahlen der in unserem Rücken aufgehenden Sonne erhellt. Des friedlichen Anblicks zum Trotz wird mir flau zumute.

Das letzte Mal, als ich hier von Bord eines Schiffes ging, steuerten wir keinen angesehenen Hafen der Fae an, sondern taten dies klammheimlich, im Schatten der Nacht, um nicht aufzufallen. Jahre des unermüdlichen, blutigen Kampfes sowie etliche Verluste folgten darauf.

Wie so oft in meinen schwächsten Augenblicken zucken Bilder durch mein inneres Sichtfeld. Bilder von grellen Explosionen und schmerzverzerrten Fratzen, während Schreie und lautes Grollen an meine Ohren dringen.

Ich schlucke schwer, blinzele Schweiß weg und bemühe mich, dass bedrückende Gefühl in meiner Magengegend sowie die betäubenden Erinnerungen loszuwerden. Davon darf ich mich jetzt nicht vereinnahmen lassen.

Bald darauf legen wir am Fae-Hafen an, der dem unseren in Westhaven ähnelt, nur dass hier hauptsächlich Fae die Arbeit verrichten und er aufgrund des glitzernd weißen Gesteins, aus dem die angrenzende Stadt gebaut ist, viel heller wirkt.

Kaum dass die Planke heruntergelassen wurde, springt Sillír an Land und bereits zum zweiten Mal, seit ich ihn mit befreiten Flügeln sehe, breitet er diese in ihrer ganzen Pracht aus. Sie sind fast durchsichtig und schillern doch im schönsten Grün und Violett, wirken so fein wie eine Feder und doch unglaublich belastbar zugleich. Er streckt seinen zierlichen Körper und ein ansteckendes Lächeln nimmt von seinem Gesicht Besitz.

Mir wird ganz warm, was nicht nur den steigenden Temperaturen geschuldet ist und die trüben Gedanken an Krieg und Zerstörung schwinden aus meinem Kopf. Ewig könnte ich noch an der Schiffsreling stehen und den Fae dabei beobachten, wie er zum ersten Mal seit Jahren seine Heimat in vollen Zügen genießt.

Doch natürlich wird mir das nicht vergönnt bleiben, denn es wird eine mindestens zweitägige Reise weiter ins Landesinnere und zum Schloss des Königs folgen, um diesem seinen Sohn zurückzubringen und dafür die Schwester des Kronprinzen einzufordern, der es bei den Fae hoffentlich besser ergangen ist als Sillír in Yumanda.

Schon meine ich im Sonnenlicht weiße Rüstungen aufblitzen zu sehen. Ein Trupp Soldaten, der am Rande des Hafenplatzes auf uns wartet. Natürlich wurde uns Geleit geschickt, nachdem wir Sillírs Vater einen Briefvogel zukommen ließen, mit der Nachricht unseres baldigen Eintreffens.

„Du wirkst besorgt", erklingt Sillírs weiche Stimme zu meiner Rechten und ich drehe mich zu ihm.

Nach wie vor ein sanftes Lächeln auf den Lippen steht er direkt neben mir. Er ist also nochmal an Deck zurückgekehrt.

Ich schüttele den Kopf und erwidere das Lächeln. „Vielleicht ein bisschen traurig, aber bestimmt nicht besorgt."

Und noch bevor ich mich versehe, finde ich mich in seinen Armen wieder. Ich bin derart überrumpelt, dass ich eine Weile bloß mit aufgerissenen Augen dastehen kann, unfähig mich zu rühren, geschweige denn zu reagieren.

Dann entspanne ich mich nach und nach und ein angenehmes Prickeln durchzieht meinen Körper. Vorsichtig erwidere ich die Umarmung, nicht zu fest, damit Sillír sich nicht unwohl fühlt. Tief atme ich seinen Duft ein, während ich die Augen schließe und das Gefühl der Geborgenheit genieße, das sich in mir breitmacht.

Sillírs Kinn liegt auf meiner Schulter, sodass er mir ins Ohr hauchen kann, als er sich ein wenig streckt: „Ich weiß, wir werden noch ein paar Tage zusammen verbringen, dennoch wollte ich mich schon heute bei dir bedanken. Für alles!"

„Das war mehr als selbstverständlich", erwidere ich ernst.

Eine gefühlte Ewigkeit stehen wir so da, miteinander verschlungen, und es dauert lange, bis ich mich dazu durchringen kann mich von Sillír zu lösen, damit wir endlich aufbrechen können.

[ONC 2024] Detektiv Schwarzherz und der Fall des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt