11. Kapitel Fox

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Verschlafen schaute ich auf meine digitale Uhr und saß danach kerzengerade im Bett. Ich hatte drei Tage geschlafen.
"Mamá?" Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, hörte ich es rumpeln.
Die Tür wurde aufgemacht und Mamá kam herein. "Andrik." Sie setzte sich zu mir aufs Bett. "Wie geht es dir?"
"Ich weiß nicht". Ihre gutmütigen Augen nahmen jede Regung meines Gesichtes war. "Ich habe Hühnerbrühe gekocht, damit du wieder auf die Beine kommst."
"Ohja!"
Mamá stand auf. "Gut, dann stelle ich dir eine Portion raus." Sie verließ den Raum und drehte sich nochmal um. "Es kommt dann später ein Arzt vorbei, nur damit du bescheid weißt." Ihr Blick verfinsterte sich. Mamá hasste auf jede erdenkliche Art die Schulmedizin. Woher das kam, hatte sie mir bis jetzt noch nicht gesagt. Sie könnte schon fast als Druide abgestempelt werden, nur fehlte ihr die Magie dazu.
"Okay", antworte ich. Mamá verließ mein Zimmer.
Ich schlug die Decke weg und wunderte mich. Ich trug meinen pinken Plüschpyjama mit den Ohren. Hatte Mamá mich umgezogen? Ich gähnte herzhaft auf. Auch egal. Ich schleichte zu meinem Fenster, an dem mein Schreibtisch stand. Mir fiel das Buch auf. Ach ja, ich schlug mir die Hand gegen den Kopf, da war ich ja stehen geblieben. Ich nahm das Buch in die Hand, das ich mir aus der Bibliothek der Baroness geliehen hatte. Der Titel "Reiten für Dummies" brachte mich immer noch zum Lächeln. Dieses Buch hatte mir schon oft den Arsch gerettet, wenn es um meine Stute Fox ging. Das Buch war nigelnagelneu gewesen, als ich es ausgeliehen hatte. Das Aussehen war auf alt gemacht. Grün gebunden und ein einzelner silberner Pferdekopf in der Mitte.

Ich legte es wieder hin und ging zu Mamá in die Wohnküche. Mamá hatte ihren lilafarbenen Kittel umgebunden, den ich ihr vor 3 Jahren, zum Geburtstag, geschenkt hatte. Sie hatte auf unserem kleinen Tisch einen dampfenden Suppenteller mit ein bisschen Brot hingestellt.
"Ach, da bist du ja. Du kannst noch in Ruhe essen." Mamá kam zu mir und umarmte mich. "Jage mir bitte nicht wieder so einen Schreck ein, ja?" Sie fing an zu schluchzen.
"Нет, мама", antwortete ich auf Russisch und brachte sie zum Lachen. "Ach Liebes"

Wir hatten uns beide an den Tisch gesetzt und ich aß meine Hühnersuppe. Ich erzählte ihr gerade über die Nachtreiter, nur ließ ich den Teil mit der Magie und Garnok weg, als es an der Tür klopfte. "Das muss dieser Arzt sein", stöhnte Mamá, verdrehte die Augen und stand auf.
Ich tauchte den Löffel in die Suppe. Eigentlich hatte ich gar keinen Bock, jemanden komplett fremdes, ein Lügenmärchen aufzutischen. Mamá machte die Tür auf und ich verschluckte und verbrannte mich. Darko stand mit seiner riesigen Tasche vor der Tür. Echt jetzt?! Woher?
"Sie müssen der Arzt sein, denn mir die Polizei aufs Auge gedrückt hat." Die Stimme meiner Mamá triefte vor Verachtung. "Genau der bin ich, Herr Drach", Darko reichte meiner Mutter die Hand. Mamá nahm sie nur widerwillig an. Mit einmal veränderte sich ihre ganze Körpersprache. Sie schien aufgeschlossener. "Schön, dass ich sie kennenlerne." Mamá schüttelte seine Hand. "Da fällt mir gerade ein. Ich muss Cookie zum Hufschmied fahren, sie hat mal wieder ihr Hufeisen verloren. Sie kommen mit meiner Tochter zurecht, oder?" Darko nickte, aber ergänzte noch:" Ganz sicher." Er zwinkerte mir sogar zu. Meine Mutter ließ Darkos Hand los, nahm sich die Tasche von der Kommode, den Schlüssel aus der Schale und verließ das Haus.

Darko ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. "Wie geht es dir?" Er setzte sich auf den Stuhl, auf dem Mamá vor paar Sekunden noch gesessen hatte und kramte in seiner Tasche etwas. "Gut und dir?" Meine Rückfrage ließ ihn aufschauen. "Ich habe die letzten, lass mich überlegen, 11 Tage nicht geschlafen, da wir dich gesucht haben. Und dann bekomme ich vor 3 Tagen die Information von Herrn Sands, dass du bei deiner Mutter bist", erwiderte er und kramte weiter.

"Ich bin auch vor 3 Tagen erst hier angekommen, also so lange bin ich noch nicht hier", schoss ich zurück und widmete mich meiner Suppe wieder.
"Vor 3 Tagen bist du erst hier angekommen?" Darko schien gefunden zu haben, was er brauchte, denn er legte etwas auf den Tisch. Es war in einen weißen Stoff eingewickelt.
"Jup, ich glaube auch, dass ich Sabine unterwegs gehört habe, aber es könnte natürlich auch Einbildung gewesen sein."
Jetzt hatte ich Darkos Aufmerksamkeit. "Sabine war Richtung Firgrove unterwegs gewesen." Er kratzte sich am Kinn und schüttelte den Kopf. Darkos Augen suchten meine. "Was ist nach der Entführung passiert?"
"Ich erinnere mich an nicht viel." Ich legte den Löffel beiseite. "Anscheinend wurde ich mit Schlafmittel vollgepumpt." Dass man mich umbringen wollte, verschwieg ich.
"Verstehe." Ich brauchte nicht hochzuschauen, um zu wissen, dass Garnok sich in den Vordergrund gedrängt hatte. "Es ist mehr passiert, stimmt's?"
Ich nickte und schaute auf meinen Teller. Darko nahm meine Hand und Wärme durchdrang mich. Er wusste, wie er die Leute zum Reden bringen konnte. "Sie wollten mich umbringen"
Darko drückte meine Hand. "Jetzt bist du wieder hier." Ich schaute auf und sah ein echtes Lächeln von Darko.

"Hufschmied? Wirklich jetzt?" Ich lachte auf.
"Mir ist nichts Besseres eingefallen. Ist Cookie dein Pferd?"
Ich schüttelte den Kopf. "Cookie ist unsere Haus- und Hofpony. Sie ist mittlerweile 28 Jahre. Sie hasst außerdem den Hufschmied."
Das brachte auch Darko zum Lachen. "Oh man und ich habe sie jetzt zum Hufschmied geschickt, dass wir sie mir schwer übel nehmen."
"Du kannst es mit getoastetem Toastbrot gut machen." Grinste ich Darko an.
"Bestechlich also..", er sinnierte vor sich her.
"Und wenn sie einen nicht leiden kann, sollte man die Beine in die Hand nehmen. Sie beißt und jagt dich bis ans andere Ende Südhufs."
Das brachte Darko noch mehr zum Lachen.
"Hast überhaupt ein eigenes Pferd?"
Ich schwenkte meinen Kopf hin und her. "Naja, nicht so richtig. Sie gehört niemanden", druckste ich herum.
"Also ein Wildpferd. Wie ist ihr Name?" In Darkos Augen war Belustigung zu sehen.
"Fox", ich kratzte mich am Kopf.
"Kommt sie, wenn du rufst?"
"Ja, sie kommt, aber du solltest nicht in der Nähe sein."
Darko runzelte die Stirn.

"Sie mag keine Männer", ergänzte ich noch schnell genug, bevor Darko etwas sagen konnte. "Mit Timo, kommt sie gerade noch klar, aber bei allen anderen, vergiss es, da gibt sie normalerweise Fersengeld."

Darko und ich waren rausgegangen. Wir liefen ein Stück über die Graslandschaft von Südhuf. Wie jedes Jahr im Sommer flirrte die Luft vor Hitze und das Gras war an vielen Stellen vertrocknet, sodass es bei jedem Schritt unter den Füßen knirschte. Ich lief wie gewohnt barfuß, das trockene Gras störte nicht. Wir standen auf einem der wenigen Hügel von Südhuf und konnten von hier aus die Wildpferdeherde sehen.
Nur Fox konnte ich nirgends entdecken.

"Ich bin für die Pferde unsichtbar, du kannst ruhig nach ihr rufen."
Der schwarze Leithengst hob den Kopf.
"Hören können sie dich trotzdem", gluckste ich und ging runter. Kirak, der Leithengst, kam mir entgegen. Ich verneigte meinen Kopf. "Es ist lange her."
Kiraks Nüstern kitzelten an meiner Hand.
"Da stimme ich dir zu", seine tiefe Stimme überraschte mich immer wieder. Ich hatte vor 2 Jahren mit meiner Magie herumgespielt und Kirak kam interessiert zu mir. Meine Magie kreiste ihn damals ein und verlieh ihm und seiner Herde die Fähigkeit, mit mir zu sprechen.
"Ich bin auf der Suche nach Fox."
"Nach wem denn sonst." Kirak schnaubte. "Wenn du mir eins dieser weißen kleinen Dinger gibst, verrate ich es dir."
Ich wusste sofort, was er meinte und kramte in meiner Hosentasche. Vorhin hatte ich noch Würfelzucker eingepackt und Darko hatte mich schief angeschaut.
"Das ist Zuckerwürfel, Kirak." Ich fand eins in meiner Hosentasche und gab es ihm.
"Ist mir egal, wie diese Dinger heißen." Kirak schnappte sich den Zuckerwürfel aus meiner Hand.
"Fox ist beim Urbaum." Kirak fing an zu kauen, schnaubte nochmal kurz und verschwand wieder in seiner Herde.

Gemächlich lief ich den Hügel hinauf und sah meine Foxy. "Fox!"
Sie drehte sofort ihren Kopf und kam angaloppiert. "Du! Du!" Sie klang wütend, aber nicht auf mich, sondern sie fixierte Darko, der ja eigentlich unsichtbar für die Pferde war.
"Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie die einzige Fuchsstute ist", schrie Darko und nahm die Beine in die Hand. "Du hast nicht danach gefragt", schrie ich lachend.
Foxy galoppierte an mir vorbei und nahm die Verfolgung von Darko auf.

Das sah so lustig aus, dass ich in schallendes Gelächter ausbrach. "Schade, dass ich kein Handy dabei habe."
"Gut, dass ich ein Handy dabei habe", Sabines Stimme erklang hinter mir. Sie stieg ab und Khaan stupste mich heimlich an. Als wüsste er, dass ich Würfelzucker dabei habe.
Während Sabine ihr Handy rausholte und anfing zu filmen, nutzte ich den Moment aus und gab Khaan ein Stück Würfel. Er schnaubte leise.

"Verschwinde du Hohlbirne. Du Gesäßvioline! Du Arschloch!" Das Foxy solche Schimpfwörter kannte, wusste ich nicht. Die Verfolgungsjagd ging in die 2. Runde. Darko rannte an uns vorbei und Foxy hinterher.

Sabine drehte ihren Kopf zu mir. "Kann dein Pferd sprechen oder habe ich mir das gerade eingebildet?"
"Sie kann sprechen, so wie die ganze Herde. Das war meine Magie."
"Könntest du vielleicht Khaan auch zum Sprechen bringen?" Ich nickte und drehte mich zu Khaan. Seine roten Augen schauten mich neugierig an. Meine blaue Magie umschloss Khaan.

"Kann ich noch so ein Stück Zucker haben, bitte?" Seine tiefe Tenorstimme ließ Sabine zusammen zucken.

Die SynkateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt