Seit Anbruch der Dunkelheit knisterte das gigantische Lagerfeuer auf dem Burghof und tauchte ihn in ein orangefarbenes Licht. Die Wärme des Feuers erreichte sogar die Ecken des Hofs, schaffte es jedoch nicht, die Kälte in Khiones Gliedern zu mildern. Mit einem mulmigen Gefühl betrachtete sie die Flammen, die sich an den hochkantigen Holzscheiten dem Nachthimmel entgegen züngelten. Es war beängstigend, mit welcher Macht das Holz innerhalb kurzer Zeit in Kohle verwandelt wurde und am Ende nichts als Asche zurückließ. Bei der kleinsten Windbrise stoben Funken auf und wurden mitgerissen, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Es erinnerte sie an die letzten Stunden von Mija Wa, in denen der Schein der in Flammen lodernden Häuser die Nacht zum Tag gemacht und die Anwohner aus dem Schlaf und wie Vieh herumgetrieben hatten. Wie der abartige Geruch von verbranntem Menschenfleisch und qualvolle Schreie die Gassen mit Angst erfüllt und Khione zum Würgen gebracht hatten. Die dunklen Gestalten, die sich genussvoll am Betteln der Menschen labten, bevor diese grauenvoll hingerichtet wurden ... Rollende Köpfe, die achtlos zur Seite gekickt wurden ...
Mehrmals blinzelte Khione, um die Bilder aus ihrem Kopf zu verbannen. Allein der Gedanke sorgte für einen Kloß im Hals, der das Schlucken schmerzhaft werden ließ. Unwillkürlich zog sie die Schultern in die Höhe und rieb sich ihre klammen Finger. Trotz Sabahs Massage nahm sie die Schmerzen im Unterleib noch wahr. Aufopferungsvoll hatte sich Makhahs Schwester um ihr Wohlbefinden gekümmert und ihr Tee und etwas zu Essen gebracht. Zwischendrin war sie gereinigt und erneut mit dem Leinentuch eingekleidet worden, sodass die kleine Wunde über ihrem Herzen für alle sichtbar war. Nachdem Sabah die rötliche Salbe wieder aufgetragen hatte, spürte Khione diese nicht mehr. Nur war sie nicht wie erhofft an weitere Informationen bezüglich des letzten Teils der Eheschließung gekommen.
Rundherum tanzten Männer und Frauen und spielten auf ihren Icabu Musik. Das hohle Holzinstrument, über das dünner Leder gespannt war, stellte bei den Arakis eine Verbindung zwischen Himmel und Erde da. Das gleichmäßige Trommeln symbolisierte den Rhythmus des Herzens und der Natur, das die Einheit und Harmonie mit der Welt ausdrückte. Bei manchen Anlässen wurden die Icabu genutzt, um mit der Göttin Kontakt aufzunehmen und um Schutz zu bitten. Es war eine Art der Arakis, mit der Anderswelt zu kommunizieren. Dazu sangen sie Lieder, die aus hohen und tiefen Tönen ohne richtige Worte bestanden. Selbst Pahra wusste nicht genau, worum die Texte handelten. Obwohl sie schon lange bei ihnen lebte, hatte sie es bis heute nicht herausgefunden. Das lag wohl daran, dass Pahras Bezeichnung dieses Gesanges bei Makhah sauer aufgestoßen war. Sie meinte nämlich, dass er sich wie liebeskranke Wölfe mit Keuchhusten anhörte. Selbst Khione grinste bei dem Ausdruck. So ganz unrecht hatte die Heilerin nicht.
„Du essen wollen?"
Sabahs Stimme neben ihr riss Khione aus den Gedanken. „Danke, nein", erwiderte sie. Solange sie nicht wusste, was auf sie zukam, brachte sie keinen Bissen mehr herunter. Nicht einmal von Pahra hatte sie Informationen erhalten, nur, dass sie jederzeit bei Schmerzen zu ihr kommen konnte. Khione hasste die Geheimniskrämerei, und warf Makhah einen düsteren Blick zu, weil er sich keinerlei Mühe gab, sie darauf vorzubereiten. Stattdessen stand er mit Tehew, Kabiha und Asku etwas abseits des Sitzplatzes, der aus Strohballen bestand und für ihn und Khione reserviert war.
Pahra saß mit Makira neben seiner Schwester und stärkte sich mit der kräftigen Suppe aus Wurzelgemüse, die mit gebratenem Fleisch am Spieß ein herzhaftes Mahl bot. Sie schwieg und hörte nur zu, aber Khione bemerkte, wie oft sie den Blick schweifen ließ, der am Ende immer bei ihr landete. So, als wolle sie fragen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Doch würde sie Khione verstehen? Oder war sie durch ihr Leben bei den Arakis auf deren Seite und würde Khione für ihre Zimperlichkeit auslachen?
Leise seufzend fuhr sich Khione mit dem Handrücken über die Augen. Der anstrengende Tag machte sich langsam bemerkbar und der Rauch sowie die Wärme ließen sie brennen. Mühsam unterdrückte sie ein Gähnen und rutschte an Sabah, als Makhah zurückkehrte und sich – ohne sein Gespräch zu unterbrechen – neben ihr niederließ. Von Tehew nahm er eine Pfeife entgegen, an der er kräftig zog und zurückreichte, ehe Asku ihm einen Kelch gab, den er großzügig auffüllte. Eine alkoholische Substanz, die Khione zum Naserümpfen brachte. Ihr war der Saft lieber, der die Arakis in den Sommermonaten aus Buschbeeren herstellten.
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Khione - Gefährtin des stolzen Kriegers
Ficción históricaAraki - die barbarische Rasse im Norden der Welt Azura. Ausgerechnet von ihnen wird die junge Khione auf ihrer Flucht vor den Entführern mit einem Pfeil abgeschossen. Schnell wird ihr klar, wie unerwünscht und gehasst sie im Araki-Clan von Shiharu M...