Kapitel 1

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"Die Erinnerung an die strahlende Pracht der Elfen verblasst im Nebel der Zeit, während ihr einst unsterbliches Volk dem langsamen Verfall und der Vergessenheit anheimfällt."

Man hörte nur das Rascheln der Blätter, wenn der Wind hindurch fegte und den Regen, wenn er auf den Boden hinabfiel. Und inmitten einer Lichtung stand ein Hirsch, der graste und mit den Ohren wackelte. Ich spannte den Pfeil in meinen Bogen und zielte. Ich versuchte mich zu konzentrieren, schaltete die Umgebung aus, spannte meinen Körper an. Mein Vater mag es nicht gutheißen, dass ich jage. Ich bin eine Frau, ich dürfe das nicht. Und wir haben unsere eigenen Jäger, die für uns das Essen beschaffen. Aber was ist mit dem Volk? Sie haben keinen eigenen Jäger. Ich tue das für sie. Und vielleicht auch ein wenig, um meinen Vater zu provozieren. Gerade als ich den Pfeil fliegen lassen wollte, schreckte der Hirsch hoch und rannte davon. Ich fluchte und entspannte mich wieder. Dabei hörte ich den Grund für das Flüchten des Hirsches. Die königlichen Trompeten. Vater ist also zurück mit meinem Bruder. 5 Tage später, als es geplant war. Das war typisch für sie. Ich musste lächeln und machte mich auf den Weg nach Hause. So griesgrämig mein Vater auch sein mag, ich hatte ihn dennoch gerne.

Die Wachen öffneten mir die Tore zu unserem Schloss. Es war groß und wurde von drei Türmen in verschiedenen Größen umrundet. Skulpturen verzierten die Wände und wenn die Sonne schien, wirkten die Türme golden. Der Weg dorthin führte durch einen großen Park, besetzt mit Tulpen. Das sollen wohl die Lieblingsblumen meiner Mutter gewesen sein. Ich genoss den Weg durch den Park jedes einzelne Mal und ließ die Blumen auf mich wirken. Ich öffnete die schwere Tür des Gebäudes und stand direkt in der Halle. Fünf Bilder schmückten den Eingang. Mein Vater, meine Brüder, meine Wenigkeit und das meiner leiblichen Mutter. Eine wunderschöne Frau mit schwarzen, langen Haaren und spitzen Ohren. Ihre Augen so grün wie der Wald. Mein Vater hat sie wohl sehr geliebt und hat lange gebraucht, um über Ihren Tod hin weg zu kommen. Er musste jedoch früh wieder heiraten, denn das verlangte die Etikette, da es keinen rechtmäßigen Thronerben gab. Mein großer Bruder sah einem Elfen zu ähnlich und meiner Mutter wurde die Untreue vorgeworfen. Ich bin eine Frau und falle somit auch raus. Also kam meine Stiefmutter. Wirklich gekannt habe ich sie nicht, da sie drei Jahre später bei der Geburt meines kleinen Bruders gestorben ist. So wie meine bei meiner Geburt. Mein Vater hat seitdem auch nicht wieder geheiratet, da sein jüngster Sohn nun seinem Platz als König folgen kann. Ich riss mich von den Bildern meiner Familie los und lief Richtung Konferenzsaal, um meinen Vater zu begrüßen. Erst dann fiel mir auf, wie ruhig es hier ist. Es liefen keine Zimmermädchen oder Köche gestresst durch das Schloss, um die Rückkehr meines Vaters angemessen zu feiern. Ich spürte, dass etwas nicht stimmte, nahm es aber auch nicht so richtig wahr.

"Hauptmann Alaric. Schön Sie zu sehen. Ist mein Vater dort drin? Ich würde ihn gerne begrüßen." Hauptmann Alaric stand vor dem Saal und wirkte beunruhigt. "Ich kann Ihrer Bitte leider nicht nachkommen. Ich kann Sie leider nicht hineinlassen." Ich war sprachlos, als ich ihn das sagen hörte. Er wagte es mir den Zugang zu verwehren? Ich kannte Alaric gut und wusste, dass er das nicht ohne einen bestimmten Grund tat. Ein Gefühl von Sorge überkam mich und wurde unruhig. "Ich bitte nicht darum. Ich befehle es Ihnen mich hineinzulassen." Er wollte antworten doch genau in der Sekunde schwing die Tür auf und ein großer, blonder Mann kam auf mich zu. "Eleyne." Ich sah in seinen Augen das etwas nicht stimmte. "Caellach. Was ist los? Wo ist Vater? Wo ist Donhall?" Er ignorierte mich und sah zu Alaric. "Sieh zu, dass die Wachen alle zwei Stunden im Wald pattroulieren. Sobald sie etwas sehen, will ich es wissen. Und stellt verstärkt Wachen um die Mauern auf!" Alaric nickte und machte sich eilig davon. Ich sah meinen Bruder an. Versuchte etwas in seinen Augen zu lesen. Aber er war zu gut darin, seine Gedanken und Gefühle zu verstecken. „Caellach. Was verdammt noch mal ist los?" Er schloss die Augen und seufzte. Sein Kinn zitterte ein wenig, seine Stirn zeigte Falten. Zeigte er gerade Gefühle? Er öffnete seine Augen und ich sah das sie glänzten. Er war den Tränen nahe. „Caellach..." „Nein. Komm mit." Mit großen Schritten ging er an mir vorbei und lief in die Richtung der Schlafsäle.

Schattenreich der Elfen: Das Vermächtnis des HalbelfenschwertsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt