𝓟𝓻𝓸𝓵𝓸𝓰 - 𝓫𝓮𝓪𝓻𝓫𝓮𝓲𝓽𝓮𝓽

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Passender Song: Heaven in the Way - Mary-Clair Brickell

Das Glas war prall von Sonnenstrahlen und angenehmer Wärme gefüllt. Das elegant eingerichtete Zimmer war trotzdem voll von Angst und Schwäche. 

Die Rose, das Wertvollste im ganzen Schloss war lasch, ihr Kopf war kurz davor einzuknicken. Und doch hing noch ein letztes Blatt an ihr. Sie war gut aufbewahrt auf einem kleinen, eckigen Tisch angebracht in einer Glasvitrine. 

Verbittert trat eine Person in den Raum. Eine edle Frau mit stolz erhobenem Kopf, ihre Augen auf das Glas gerichtet. 

„Ich werde morgen nicht mehr hier sein", flüsterte die Königin mit rauer Stimme, ihr Blick wanderte zu ihren Schuhen, die wie immer makellos weiß waren, so wie ihr Kleid. 

Ihr Herz klopfte, ihre tiefe Sorge war kurz davor sie zu überfluten. Dieses beklemmende Gefühl, dass sie sich nicht wehren konnte, war unbeschreiblich schwer zu beschreiben für sie. Ihr ganzes Leben wusste sie, dass dieser Moment kommen würde und doch war es nun ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte. 

Verkrampft trat sie einen Schritt in den Raum, kurz schloss sie ihre Lieder, bis sie einen Entschluss fasste.

 Mit zitternden Händen griff sie nach einer Feder und einem Papier. Sie setzte sich leidtragend an ihren altmodischen Schreibtisch, der Sessel quietschte wie immer, wenn sie ihn anschob. Schnell zückte sie ein Tintenfass und begann zu schreiben.

Liebster Edward,

Ich weiß, du bist auf Reisen, aber dieser Brief ist wichtig, denn er wird mein letzter an dich sein. Die Rose ist schwach, sehr schwach. Vielleicht bin ich schon beim nächsten Morgengrauen nicht mehr hier. Ich will, dass du weißt, dass ich dich von ganzem Herzen liebe und das habe ich auch schon immer getan. Doch nun bleibt mir nicht mehr viel Zeit, denn meine ist bald vorbei. Unser Sohn wird eine wunderbare Königin finden, die, mit dem reinsten Herzen im ganzen Land. Sag auch ihm, wie sehr ich ihn liebe. Pass gut auf dich auf, mein Liebster,

deine Königin und Gemahlin

Grace de Echard.

Eine einzelne Träne quoll aus ihrem Augenwinkel, die sie rasch wegwischte. Sie wollte in ihren letzten Augenblicken keine Zeit mit weinen verschwenden. 

Die Rose würde ihr letzten Blatt nicht verlieren und sterben, sie würde wieder auferstehen. Aus ihrem Blatt würde eine neue Rose wachsen, stark und jung. Doch nun war sie alt und bereit wieder neu zu beginnen. 

Rasch faltete die Frau den Brief und steckte ihn in ein Kuvert, bevor sie ihn vor die Tür legte. Die Diener würden ihn rechtzeitig finden. 

Plötzlich spürte sie einen Stich im Herzen, ein leiser Schrei blieb ihr im Hals stecken. Als sie zum Glas mit der Rose sah, schluckte sie kurz. 

Das letzte Blatt, es fiel. Wie in Zeitlupe sah sie es zu Boden sinken und sackte dabei selbst nieder.

 Das Nächste, was sie verspürte war der Schmerz in ihrer Brust, dann unendlich Schwärze. Nur noch für einen Augenblick sah sie ihre Nachfolgerin. 

Eine junge Frau mit ebenschwarzem Haar und grünen Augen. 

Eine geborene Künstlerin der bösen Magie. 

Die Rose hatte ihre Wahl getroffen. 

𝑅𝐼𝒮𝐸𝒩 𝑅𝒪𝒮𝐸 - 𝒢𝑒𝒷𝓇𝑜𝒸𝒽𝑒𝓃Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt