𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 4

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Ein Irrtum. Ja, das musste es sein. Diese ganze Sache war viel zu unrealistisch und klischeehaft. Wenn dieses Volk meine Sünden kennen würde, würden sie mich auf dem Scheiterhaufen verbrennen wollen. 

Ich trat unruhig in meinem Zimmer auf und ab. Der Raum, in dem ich mich befand war weiß gestrichen. Um die großen, einladenden Fenster war sie zartrosa gestrichen. Mein Himmelbett war riesig, es hätten locker drei Leute hineingepasst. Und doch war all das nur für mich alleine. Die makellosen Möbel, die Bodentiefen Vorhänge. Und die Rose in der Mitte des Raums. Das Wertvollste im ganzen Land. 

Der gestrige Tag war turbulent verlaufen. Der König hatte mich ins Schloss geführt, Diener hatten sich vor mir verbeugt und mich begrüßt. Ich hatte alles schweigend entgegengenommen, unfähigauch nur ein Wort zu sprechen. Prinzessin Ruby. Schaudernd dachte ich daran, dass ich von nun an so hieß. 

Vor ein paar Tagen hatte ich noch im Dreck nachetwas Essbarem gebuhlt und nun stand ich hier in einem himmelblauen Abendkleid, das anscheinend sehr einfach gestaltet war, wie es mir die Diener berichteten. Für mich war das alles ein wenig zu viel. Ich vermisste meine Hütte im Wald, wo es immer so schön leise gewesen war. Was mir aber im Moment am meisten Sorgen bereitete, war der Fakt, dass ich einen Mann heiraten musste, den ich nicht kannte. 

Ryan de Echard. Erstgeborener Sohn und somit Thronfolger. Schaudernd dachte ich an das, was in ein paar Augenblicken passieren würde. Ein paar Diener würden mich abholen und zum Speisesaal bringen, wo ich ihn zum ersten Mal treffen würde. Der König hatte nicht mehr viel mit mir geredet, anscheinend hielt er es nicht für nötig mir mehr zu erklären. 

Aus Daan hatte ich auch nichts mehr herausbekommen, er hatte mir nur noch vom Pferd geholfen, sich verabschiedet und war im Schloss verschwunden. Seufzend zupfte ich an meinem Kleid herum, als eine Person in den Raum trat. 

Eine kleine, schlanke Frau kam lächelnd auf mich zu. „Guten Tag Prinzessin Ruby, ich bin Miss Ell, ihre persönliche Hauszofe." 

Ich nickte ihr dankbar zu, wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Ich hatte eine eigene Zofe. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht,würde ich sie nun in den Speisesaal geleiten, der König wartet schon!", erklärte sie schnell. 

„Ja", war das Einzige, was ich herausbrachte.

 Ich war es nicht gewohnt, dass man mich mit „Sie" ansprach. Hätten mir Daan, Carac und Mark bloß gesagt, was hier auf mich zukommen würde. Ich hätte sie für Irren gehalten und trotzdem hätte ich gleich gewusst, dass es so schnell kein Entkommen gebenwürde. Und das alles nur wegen einer Rose. Innerlich wusste ich, dass sie sich vertan haben musste. Normalerweise wählte sie die Frau aus, die das reinste Herz im ganzen Lande hatte. Dass das eine Frau aus dem Schattenreich war, kam bisher nur selten vor, aber ich... das konnte nicht sein. Früher oder später würde alles aus meiner Vergangenheit ans Licht kommen und die Menschen des Lichtreichs zum Aufschrei bringen. 

Ich lenkte meine Gedanken wieder auf das Wesentliche. Das Abendessen. 

Miss Ell führte mich die ganzen Treppen hinunter und Flure hindurch, sie kannte wohl jeden Winkel dieses Schlosses. Da mein Zimmer ganz oben lag, taten meine Füße am Ende weh, als wir fast unten ankamen. Eine große Holztür war am Ende eines kleinen Ganges, feine Verzierungen waren darin eingeschnitzt. Meine Zofe griff nach der Klinke und drückte sie nach unten. 

Soeben strömten jede Menge Dinge gleichzeitig auf mich zu. Die riesigen, bunten Glasfenster, der glänzende Parkettboden und der lange, braune Tisch. Links und recht von ihm waren zwei weitere Tische angebracht, allerdings waren diese etwas kleiner und nicht ganz so herrschaftlich. Schnell erkannte ich, dass auf den anderen beiden Tischen die Diener und Angestellten aßen, währendder mittlere der Königsfamilie gehörte. Unschlüssig sah ich zu Miss Ell, die michganz vorne an den Tisch brachte. Der Platz an der Spitze gehörte dem König, rechts von ihm saß er

Mein Puls beschleunigte sich, ich setzte ein nervöses Lächeln auf. Miss Ell deutete auf den leeren Platz gegenüber dem Prinzen, wo ich mich schließlich niederließ. Ich blickte kurz in sein Gesicht, seine strahlenden, blauen Augen faszinierte mich, sein blondes, leicht gewelltes Haarschien wie gold zu glänzen. 

Ehe ich ihn weiter betrachten konnte, erhob sichder König und brachte die Menge zum Schweigen. „Meine Familie, meine Diener und Zofen, höret meine Worte an. Prinzessin Ruby, zukünftige Königin des Landes ist endlich richtig angekommen! Lasst uns heute auf sie anstoßen!" Laute Zustimmungbrach aus, der König nickte kurz, das Essen hatte begonnen. In den ersten Momenten war ich unfähig etwas zu tun, unsicher und unerfahren. 

Bis der Prinzmir nun endlich einen Blick würdigte. Seine Miene war gleichgültig, als ersprach: „Bediene dich, bevor es kalt wird." Seine Worte waren knapp, ich gabmir einen Ruck und griff zu einem Stück Fleisch, was ich mir auf meinen Teller lud. Erst jetzt merkte ich, wie sehr ich Hunger hatte. Gierig stürzte ich mich auf das Essen, beachtete hochgezogene Brauen von den anderen nicht. Es war mir egal, was sie dachten. Ich hatte mich schon dazu gerafft Gabel und Messer zunehmen, sollten sie doch zufrieden sein. 

Erst als ich den stirnrunzelnden Blickder jungen Frau neben mir sah, hielt ich kurz inne. „Tut mir leid, ich bin nicht so an Manieren gewohnt und ich habe Hunger...", flüsterte ich kurz entschuldigend. Sie lächelte mir zu und winkte ab. Ihre strohblonden Haare waren fein zu einer Frisur hochgesteckt, passend trug sie ein hellblaues Kleid, was ihr perfekt stand. Meiner Schätzung nach war sie ungefähr so alt wie ich. 

„Ich kann Sie nur verstehen, allerdings würde ich Ihnen raten etwas vorzüglicher zu essen", antwortete sie schließlich. 

„Nenn mich du", stellte ich beschlossen fest. Ich fand es anwidernd mit „Sie" angesprochen zu werden, meiner Meinung nach hörte es sich seltsam an. 

„Oh, wirklich", murmelte sie mit großen Augen, „Ich meine, es ist mir eine Ehre!" 

Ich schmunzelte und richtete mich gerade auf, versuchteihre Haltung etwas nachzuahmen. „Schon viel besser. Ach ja – mein Name istCelena. Lady Celena Mardoph. Tochter von Graf Hanson Mardoph. Ich weiß nicht, ob dir sein Name etwas sagt. Wir haben einen Landsitz in der Nähe und sind hier gerade zu Besuch." 

Ich schüttelte den Kopf, merkte jedoch, dass ihre Augen mir trotzdem freundlich anblickten. „Kein Problem, ich meine, du kommst ja von weither." 

Nachdem sie sich vorgestellt hatten, quatschten wir noch eine Weile. Immer wieder wanderte mein Blick zu Ryan, wie er stur mit leerem Blick seine Mahlzeit zu sich nahm. Mein Herz sackte etwas. Lag es etwa an mir? Als Celenameine Blicke sah, räusperte sie sich. „Er ist anfangs immer etwas distanziert, aber glaub mir, bald wird er dir zu Füßen liegen!" 

Ich wollte ihr glauben, hörte aber einen kleinlauten Unterton in ihrer Stimme, den ich nicht ganz deuten konnte. Der restliche Abend verlief weiter wie geplant, es wurde gegessen und zum Abschluss ein Glas Wein auf mich angestoßen. 

Am Ende war ich nichts anderes als müde und ausgelaugt. Mein Rücken schmerzte von dem geraden Sitz und mein Magen war bereit sich zu übergeben. Trotzdem setzte ich immer, wenn möglich ein breites Lächeln auf. 

Als wir endlich vom König entlassen wurden, holte mich Miss Ell wieder ab. Meine Beine fühlten sich an wie Pudding, der Wein warwohl ein wenig zu stark für meine Bedürfnisse gewesen. Sie schien es zu bemerken und hackte sich wortlos bei mir ein. 

„Bis bald!", rief ich Celena noch zu, ihr mir zuwinkte, dann wurde ich von meiner Zofe aus dem Saal gebracht.

𝑅𝐼𝒮𝐸𝒩 𝑅𝒪𝒮𝐸 - 𝒢𝑒𝒷𝓇𝑜𝒸𝒽𝑒𝓃Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt