2. Leere

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Das Abendessen verläuft schweigsam.
Weder ich, noch meine Eltern reden.
Hin und wieder erkundigt sich mein Vater wie es uns geht. Ich sage meistens nur „gut" und stochere weiter in meiner Lasagne rum.

Als wir fertig sind, springe ich auf, räume meinen Teller weg und renne in mein Zimmer.
Sobald die Kopfhörer wieder auf voller Lautstärke sind, schließe ich ab und ziehe meine Jacke aus.
Das Blut ist getrocknet, jedoch ist die Wunde sehr tief.
Ich keuche erschrocken auf als ich sie sehe.
So tief wollte ich es doch gar nicht machen...
Eine Träne kullert über meine Wange und fällt auf den Boden.
Dieses Geräusch ist so leise, doch mit einem Mal kommt es mir so vor, als würde ich es dennoch durch die Kopfhörer hören.
Ich gehe zu meinem Schminktisch, nehme ein Wattepad heraus und tunke es einmal ins Wasserglas, was neben meinem Bett steht.
Als ich damit über die Wunde streiche, zucke ich kurz zusammen. Der Schmerz raubt mir den Atmen, doch er ist noch immer befreiend. Jedenfalls besser als die Leere, die ich sonst in mir trage.
Ich werfe das, nun rote, Wattepad in den Mülleimer und klebe ein Pflaster auf die Wunde. Dann hole ich das Messer hervor und säubere es.
Meine Familie darf niemals davon erfahren...

Ich lege mich aufs Bett und schließe die Augen.
Das pochen der Wunde und die laute Musik lenken mich von dieser Leere ab.
Ruhig atmend liege ich hier, denke über mein Leben nach und verbiete mir die dunklen Gedanken.
Als mein Handy vibriert schlage ich die Augen auf und setze mich hin.
Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen als ich eine Nachricht von meiner Freundin erblicke.
„Hey Liebling, hast du morgen was vor? Ich vermisse dich und möchte dich sehen. Ich denke die ganze Zeit an dich."
Grinsend antworte ich. Morgen ist Samstag. Also perfekt für ein Treffen.
„Sicher Süße. Für dich habe ich immer Zeit. Morgen um 10? Ich liebe dich.❤️"
Keine Minute später kommt die Antwort.
„10 Uhr ist perfekt. Ich freue mich und liebe dich auch. Bis morgen Liebling.❤️❤️"
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen lege ich mein Handy wieder auf den Nachttisch und gehe ins Bad um mir die Zähne zu putzen.
Wenigstens habe ich noch einen Grund um am Leben zu bleiben...

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