4:56Uhr morgens.
In wenigen Minuten begann meine Schicht. Es gab nicht wirklich eine Schicht, die ich hasste, aber es wäre auch nicht gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich mir um 4 Uhr morgens Besseres vorstellen konnte, als in meinen kleinen PKW einzusteigen und eine halbe Stunde zum Revier zu fahren. Schlafen wäre beispielsweise eine schönere Vorstellung, aber genug von meinem täglichen Selbstmitleid.
Ich stieg aus meinem Wagen, verriegelte ihn per Knopfdruck auf meinem Autoschlüssel und lief vom Parkplatz in meinen Arbeitsplatz. Wie ferngesteuert peilte ich das Büro mit einer Kaffeemaschine an. Auf meinem Weg dahin traf ich natürlich auf ein paar Kollegen, aber mehr als ein knappes "Morgen" war auch nicht drin. Gut so. Ich hatte sowieso keine Lust auf unnötigen Smalltalk.
Nachdem ich mir meinen schwarzen Kaffee in meine schlichte Tasse eingeschenkt hatte, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und genoss noch die wenigen Minuten Stille, bevor Hyunwoo wie immer übermotiviert hereingeplatzt kam und dabei fast die Tür eingerissen hätte. Hoch energetisch grüßte er jeden einzelnen und zettelte ein paar Gespräche an, über seine neuen Tattoos, einen Fall, den er schon vor vielen Monaten gelöst hatte, dass er bald zum Friseur gehen würde, und mehr solcher Sachen.
Ich kapiere den Typen echt nicht.
Ich klappte meinen Laptop auf und sah mir einige Unterlagen an, während er hochfuhr. Ich wusste eigentlich schon längst, mit welchen dieser Fälle ich mich tiefer beschäftigen wollte beziehungsweise sollte, aber es schadet ja nie, mehr darüber zu erfahren, was gerade in diesem Land los ist. Da wir stark unterbesetzt waren, konnten wir es uns nicht leisten, dass jeder sich auf eine bestimmte Sache spezialisierte. Alle machten alles.
Mein Blick streifte ein paar Akten, bevor ich mein Passwort für den Rechner eingab und weiter wartete. Tägliche Dinge boten sich mir dar: Ein Diebstahl in einem Einzelhandel, deren Geschäftsführer darauf beharrte, den Dieb ausfindig zu machen; ein Autounfall, der schon längst geklärt sein könnte, wenn es Zeugen gäbe und sich die beiden beteiligten Parteien nicht gegenseitig die Schuld zuschoben; ein versuchter Mord. Tägliche Dinge im Leben einer Polizistin.
Ich checkte die Mails die mir zubekommen waren,um zu überprüfen ob irgendwas wichtig für meinen Fall erschien. Eine Vergewaltigung einer jungen Frau.
Die arme junge Frau...
Das Gröbste war bereits erledigt. Wir hatten Beweise für die Tat und wussten, wer es war; wir mussten ihn nur noch schnappen. Zu meiner Begeisterung fand ich etwas in meinem Postfach zu meinem Fall. Anscheinend wurde der Täter in den letzten fünf Tagen zur gleichen Zeit auf einem Markt in einem kleinen Stadtteil Seouls gesichtet.
16:20 Uhr. Jeden Tag.
Wir hatten ihn.
Ich informierte meine Kollegen über meinen Fund und schickte Mails raus, in denen ich die Leute aus der Spätschicht beauftragte, dort vorbeizuschauen und den Kerl mitgehen zu lassen. Der Fall konnte abgehakt werden, wenn keine weiteren Komplikationen entstanden würden.
Einige Zeit verging. Die anderen Kollegen machten eine Raucherpause, während Doyoung und ich, die einzigen Nichtraucher, brav im Büro blieben und die Stellung hielten. Sein Gesichtsausdruck wirkte merkwürdig. Ich sah ihn fragend an, um herauszufinden, ob er einen Krampfanfall hatte oder nur einen mächtigen Furz zurückhalten musste. Doch er bemerkte meinen Blick überhaupt nicht und starrte gespannt auf seinen PC.
"Alles in Ordnung bei dir?",brachte ich nach einer Weile hervor. Er schwitzte mächtig und blickte mich mit verwirrten Augen an.
"Das hier kommt mir nur so... merkwürdig vor.",setzte er an und lehnte sich auf seinem schwarzen Bürostuhl zurück und trank einen schluck aus seiner ziemlich unseriösen Panda-Tasse.
Trotzdem hatte er mein Interesse geweckt, und ich schwang mich um den Tisch herum, um mich hinter ihm zu platzieren. Ich blickte auf eine Reihe von Vorkommnissen, die alle das gleiche Muster hatten.
"Explosionen", murmelte ich.
"Jetzt erinnere dich mal daran", mit schwitzigen Fingern tippte er wild auf seiner Tastatur herum und öffnete einen anderen Ordner,"der Fall von vor zweieinhalb Jahren. Wong Yukhei."
Wong Yukhei.
Natürlich erinnerte ich mich. Er bekam eine 25-jährige Freiheitsstrafe und saß bereits seit zwei Jahren hinter Gittern. Im Gefängnis war er nie auffällig geworden. Nach meinem Wissen tat er das, worum er gebeten wurde, und saß wirklich nur seine Jahre ab. Es schien, als würde er seine Taten bereuen. Allerdings hatte ich ihn seit Ende der Verhandlungen nicht mehr zu Gesicht bekommen, weshalb ich nicht in der Lage bin, darüber zu urteilen.
Doyoung fuhr fort:"Es ist das selbe Muster. Yukhei sitzt aber noch brav hinter den schwedischen Gardinen."
Er begann erneut auf die Tastatur einzuschlagen und öffnete Yukhei's Aussagen. Seine Aussagen hatten damals allerdings kein Gewicht. Alle Beweise führten auf ihn und nur ihn allein.Ich tat das nur wegen meinem Bruder[...] Die gesamte Organisation steckt dahinter[...] Am Ende drängten sie mich dazu, all das zu tun, sonst hätten sie mich umgebracht. Ich wollte das alles nicht aber ich musste es für ihn tun [...]
Ich sah die Aussage nicht zum ersten Mal. Damals hatte er ständig auf Dauerschleife die selben Worte immer wieder wiederholt. Wir gingen seinen Aussagen sogar eine Weile lang nach, fanden aber monatelang nichts weshalb wir die Ermittlungen einstellten und den Lügner letztendlich hinter Gittern brachten.
"Was willst du mir damit sagen?"
Vorsichtig blickte ich auf Doyoung herab, der gerade dabei war die abgestorbene Haut von seinen Fingerkuppen zu kratzen.
"Was wenn Yukhei nicht gelogen hat und wir einfach nur nichts gefunden haben? Was wenn diese Organisation existiert?"
Hyunwoo trat herein und mit ihm eine Wolke des ekelhaften Zigaretten Gestanks.
"Was für eine Organisation?", fragte er selbstsicher wie immer. Eine einfache Handbewegung von Doyoung zog ihn näher an den Bildschirm, der zum einen die Aussage von Wong Yukhei anzeigte, als auch die neuen Vorfälle, die dieselben Muster aufwiesen.
"Und wenn die sich einfach nur die Art von Wong abgeschaut haben? Ich meine, heutzutage kann man ja alles easy im Internet herausfinden.", meinte Hyunwoo, während er sich gelassen auf seinen Stuhl fallen ließ.
Doyoung und Hyunwoo debattierten eine Weile hin und her, während ich mich in meinen Gedanken verfing. Wer hatte recht? Etwas musste passieren bevor wieder unschuldige Menschen starben. Irgendwas.
"Hey", unterbrach ich die beiden während ich meine Arme vor meiner Brust verschrenkte,"Was, wenn wir das in einer Versammlung ansprechen und uns Yukhei nochmal zur Brust nehmen? Wenn dieses Mal mit seiner Hilfe wieder nichts herauskommt wissen wir, dass Hyunwoo recht hat."Noch am selben Tag wurde eine Versammlung mit höheren Tieren angeordnet. Wir schilderten unsere Vermutung. Dann kam die Bestätigung. "Schaut euch diesen Wong Yukhei nochmal genau an."
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Policeman //LucasxReader\\
Fanfiction"Du bist die einzige Frau hier. Es ist deine Entscheidung." Das war der Satz der mein zukünftiges Leben entschied. Aus meinem normalen Polizei-Alltag raus und rein an die Quelle des Verbrechens. Zusammen mit ihm. Wong Yukhei. Oder wie er sich nannte...