Der Tag war da.
Der Tag von Yukhei's Entlassung.
Der Tag, an dem ich an Yukhei gebunden wurde.
Kein Auge hatte ich diese Nacht zugedrückt, ob es an Aufregung oder Angst lag, konnte ich jedoch nicht sagen. Die gesamte Mission reizte mich. Meine Nerven fingen allein bei dem Gedanken daran an zu kitzeln, als ob ich in der Warteschlange einer Achterbahn stände. Trotzdem hatte ich Angst, Angst um mein Leben, Angst von Verbrechern umgeben zu sein, Angst vor der Hilflosigkeit und vor allem Angst vor dem Versagen.
Ich ging noch einmal alle Waffen durch, mit denen ich ausgestattet wurde, um mich selbst zu schützen, natürlich alle als normale Gegenstände getarnt. Ebenso war meine Körperkraft sehr gut. Ich konnte Doyoung mit Leichtigkeit im Armdrücken besiegen, ohne groß mit der Wimper zu zucken. Ich war sicher, so sicher wie noch nie, und doch in riesiger Gefahr.
Ich stellte mich mental schon einmal darauf ein, die einzige weibliche Person an diesem Ort zu sein. Versuche von Vergewaltigung sowie Belästigungen und ähnliches würden an der Tagesordnung für mich stehen. Niemand würde mich ernst nehmen, bis ich ihnen bewiesen hatte, was ich drauf hatte, und das würde nur auf illegale Weise gehen. Ich wusste es einfach.
Mir gefiel es gar nicht, so viel Vertrauen in die Hände eines ehemaligen Verbrechers zu legen. Ich musste auf Yukhei vertrauen oder ihm etwas antun, sobald er versuchen würde, mir auch nur ein Haar zu krümmen und den Plan zu durchkreuzen. Konnte ich das wirklich? Ich konnte. Ich musste. Yukhei war eine Chance oder eine Falle, und ich war das Versuchskaninchen. Es war so dumm, mir das alles freiwillig anzutun, aber ich wollte es unbedingt. Ich war der Grund für einen Funken Hoffnung, für Seoul, obwohl kein einziger Einwohner, der kein Polizeibeamter war, davon wusste.
Ich saß alleine in meiner kleinen Küche, an meinem kleinen runden Tisch aus dunklem Holz, auf dem dazu perfekt passenden Stuhl. Mir war nicht nach Essen, aber ich kannte die Bedingungen der nächsten Tage, Wochen oder Monate nicht, weshalb ich es mir mit einer Packung Instantnudeln noch einmal richtig gut gingen ließ. Alles war so still, dass ich den Dampf der scharfen Nudeln an meinen Wangen aufprallen hören konnte. Lieber ging ich mit Yukhei wohin auch immer, als jemand, der um diese Zeit die Schreie seines Babys, die Stimme des Ehepartners oder das Meckern der eigenen Eltern hörte. Ich war gemacht für diesen Job. Perfekt für diesen Job.
Wie ferngesteuert ging ich zum Spülbecken, trocknete das übrige Geschirr ab, räumte es auf und ließ die Packung meiner Instantnudeln in den letzten Müllbeutel fallen, bevor ich diesen vor die Tür stellte. Ich putzte mir die Zähne, kämmte meine Haare und richtete mein Outfit, welches eine Mischung aus elegant und cool war. So kleiden sich zumindest die Leute in Netflix-Serien, wenn sie zur Mafia gehören. Ein letzter Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich bereit war. Egal, was kommen würde, ich würde das hier durchziehen. Mein linker Mundwinkel zuckte leicht nach oben, als ich mich betrachtete. Irgendwo war ich schon aufgeregt und neugierig auf das, was kam, und darauf versuchte ich mich zu fokussieren. Das Gefühl, als wäre ich auf dem Konzert meiner Lieblingsgruppe, nicht das Gefühl als würde mir vor Angst die Luft abgeschnürt werden.
IcIch schwang meinen Rucksack über meine Schulter, stellte mich vor die Haustür und wartete. Mein Auto war am vorherigen Tag gesichert worden, damit während meiner Abwesenheit auch sicherlich nichts passierte. Also erklärte sich Hyunwoo dafür bereit, mich zum Gefängnis zu fahren. Dort würde ich dann in Yukheis Hände übergeben werden, oder besser gesagt, er in meine. Alles würde gut werden. Ich hatte die Kontrolle.
Einige Minuten später rollte Hyunwoo in einem der Dienstwagen heran. Ich öffnete die Beifahrertür und warf meine Tasche auf den Rücksitz, um gleich darauf neben meinen Kollegen Platz zu nehmen.
"Na altes Haus, schon aufgeregt?",versuchte er vergeblich die Stimmung aufzulockern. Selbst in seinem Gesicht war Anspannung zu erkennen. Selbst er hatte Angst.
"Ganz normale Dienstreise, oder nicht?",gab ich so trocken wie möglich zurück. Meine Stimme brach allerdings in der Mitte meines, mehr oder weniger, Satzes, was mich nur noch unsicherer klingen ließ.
Wir fuhren los. Ich starrte aus dem Fenster auf die Landschaft und lauschte der Musik im Radio. Der Moment wäre fast schon ästhetisch gewesen, wenn er nicht so von Unsicherheit, Angst und Zweifeln geprägt gewesen wäre. Ich versuchte, mir gute Gedanken zuzureden, aber das half auch nicht wirklich. Ich wollte allerdings auch nicht in Selbstmitleid versinken, also was hätte ich tun sollen? Mein Kopf war so leer wie noch nie.
Wir kamen hinter dem Gefängnis an. Dort sollte alles stattfinden, um es geheimer zu machen. Niemand außer mir, meinen Kollegen auf der Wache und Yukhei wusste etwas von unserem Plan. Alles war Top Secret, genau wie die Bauchschmerzen, die mit jedem Schritt schlimmer wurden. Ich hätte nie gedacht, dass mich so etwas so krass mitnehmen könnte. Für meine Verhältnisse war ich komplett aus der Bahn geworfen. Ich war in diesem Moment nicht fähig für irgendetwas, weshalb ich auch nichts von dem mitbekam, was um mich herum passierte.
Die Worte Pack schon mal deine Sachen ins Auto, die von jemandem kamen, der um mich herumstand, ließen mich aus meiner Blase herauskommen. Wie ein Roboter nahm ich also meinen Rucksack und packte ihn in den Luxuswagen, der uns zur Verfügung gestellt wurde, um unsere Geschichte auch wirklich glaubwürdig zu machen.
"Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen.",brachte Doyoung hervor, während er auf mich zukam und seine Hand auf meine Schulter legte. Er lächelte schwer, und obwohl es noch so dunkel war, konnte ich kleine Tränen in seinen Augen glitzern sehen. Er war wahrlich eine reine und wunderbare Seele. Er war immer ein sehr emotionaler Mensch gewesen, selbst wenn er es nie zugab. Ich mochte ihn wirklich sehr. Vielleicht war er mein Lieblingsmensch.
"Es wird alles gut werden",lächelte ich. Allerdings waren das nicht die Worte, die ich sagen wollte. Ich werde dich vermissen. Das waren die Worte, die ich wirklich fühlte aber wer lässt denn heutzutage, außer Doyoung, noch die eigenen Gefühle zu.
Einige Minuten später konnte ich Hyunwoo erspähen, wie er mit Yukheis Arm in der Hand in meine Richtung lief. Auf einmal war all die Angst und Anspannung, die ich vorher verspürt hatte, wie weggefegt. Der Anblick von Yukhei ließ mich komplett in meine professionelle Rolle gleiten. Yukhei schien meine Gefühle aufzusaugen und sie im Gegensatz zu mir zu fühlen. Zumindest sah es so aus, als wäre er hochgradig angespannt und verängstigt. Er wirkte wie ein unschuldiges Kind, das auf dem Spielplatz sein Lieblingsspielzeug verloren hat. Ohne große weitere Worte des Abschieds saßen wir dann im Auto, Yukhei am Steuer. Ich vertraute ihm. Es klingt verrückt, aber ich tat es wirklich. Jetzt war es soweit. Mission Start.
DU LIEST GERADE
Policeman //LucasxReader\\
Fanfiction"Du bist die einzige Frau hier. Es ist deine Entscheidung." Das war der Satz der mein zukünftiges Leben entschied. Aus meinem normalen Polizei-Alltag raus und rein an die Quelle des Verbrechens. Zusammen mit ihm. Wong Yukhei. Oder wie er sich nannte...