~ Nebel des Vergessens ~

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Lieber Leser,

es ist mir eine große Freude, dir jetzt das nächste Kapitel präsentieren zu dürfen!
Schreibe mir doch gerne, wie es dir gefallen hat. Außerdem würde mich interessieren, ob es von der Länge her in Ordnung war.
Lieben Gruß Lady Bitterblue

🩶

Die junge Frau sah ihr immer noch recht blasses Antlitz für einen Moment in dem Spiegel an der hell gefliesten Wand an. Ein Pferdeschwanz verhinderte, dass ihr ihr noch leicht feuchtes, schwarzes Haar ins Gesicht fallen konnte. Auch den weißen Kittel hatte sie nach der Dusche gegen Alltagskleidung getauscht. Jetzt trug sie eine dunkelblaue Jeans und dazu ein schwarzes Top.

Gerade schlüpfte die junge Frau noch in eine leichte hellbraune Strickjacke.
Für einen Moment war sie von ihrem Spiegelbild in höchstem Maße irritiert.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, jetzt zum ersten Mal seit gut vier Wochen etwas anderes, als die immer gleich aussehenden Kittel zu tragen.
Aber dieses so neue Gefühl war auch ein gutes Zeichen.
Zumindest hoffte die Frau das.
Ein sichtbares Zeichen, dass ihre Heilung gute Fortschritte gemacht hatte. So große Fortschritte, dass sie heute das Krankenhaus verlassen durfte.

Alle Prellungen und dunkle Blutergüsse waren verheilt. Die Verletzung an ihrer Hüfte, die durch den heftigen Zusammenstoß mit dem Auto verursacht wurde, war bis auf eine längliche Narbe vollständig ausgeheilt. Auch die Schnittverletzung an ihrer Hand war schon gänzlich verschwunden.
Jetzt mussten nur noch ihre Erinnerungen zurückkommen.
Wann immer sie sich seit ihrem Erwachen versuchte, an etwas zu erinnern, waberte nur zäher Nebel durch ihren Kopf.
Die Ärzte waren aber auch da sehr zuversichtlich. Nach einem so schweren Unfall konnten Gedächtnislücken schon einmal auftreten.

Noch ein letztes Mal glitten ihre grauen Augen durch das Zimmer.
Irgendwie würde sie es vermissen.
Es war ihr in den zurückliegenden Wochen so vertraut geworden.
Aber vielleicht würde es ihr guttun, jetzt in ihre eigene Wohnung zurückzukehren. Vielleicht kamen ja dort die Erinnerungen zu ihr zurück.
Sie wünschte es sich so sehr.
Rasch streifte sie sich noch eine hellgraue Lederjacke über und hob den dunklen Rucksack vom Bett auf.
Ohne einen Blick zurück ging Amberly.

🩶

Als Cassian in den runden Spiegel im Badezimmer sah, erschrak er selbst über sein müdes Antlitz.
Selbst nachdem er sich rasiert hatte, sah er nicht wirklich besser aus. In seinen blauen Augen konnte man immer noch spielend leicht seinen Schmerz ausmachen.
So sollte er nicht mit seiner Familie zu Abend essen.
So sollte er erst recht nicht seinem Bruder gegenübersitzen.
Der Alpha würde ihn für diese Schwäche nur noch mehr verachten.
Wenn es nach Lucians Willen gegangen wäre, hätte er die zurückliegenden Monate in einer dunklen Zelle zugebracht.
Angekettet an eine Steinwand.
Aber zu seinem Glück hatte ihre Mutter das zu verhindern gewusst.

Inzwischen hatte der junge Mann auch das völlig zerknitterte schwarze Hemd durch ein Neues getauscht. Seine Finger verschlossen gerade noch langsam die letzten Knöpfe. Die dunkle Hose hatte er anbehalten.
Noch länger würde er das Abendessen nicht hinauszögern können.
Mit einem heftigen Ausatmen wand der Werwolf sich vom Spiegel ab und verließ seine Gemächer.

🩶

Mit erstaunlich festen Schritten trat Cassian in den geräumigen Speisesaal ein. Die ausladenden Kronleuchter an der hohen Decke verteilten warmen Glanz im Saal. Seine geschärften Sinne hatten ihm schon vor dem Eintreten spüren lassen, dass der Alpha anwesend war.

An der Erscheinung von Lucian Vandeleur war alles perfekt. Sein Bruder hatte für das Essen die Farben ihres Hauses gewählt. Er trug eine schwarze Hose, die in matt glänzenden dunklen Stiefeln endete. Dazu trug er ein dunkelrotes Hemd, das seinem muskulösen Oberkörper schmeichelte.
Jeden anderen hätte er mit den edlen Stoffen täuschen können, nicht aber Cassian.
Er wusste genau, welcher Bestie er gleich gegenübersitzen würde.

The Tale of Moonlight and Wild Roses Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt