Der Junge

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Ich sah mich um und dann zu ihr. „Was ist passiert?", sie schmunzelte und ließ meine Hand los. „Wir sind kurz durch Raum und Zeit gereist", ihre Stimme klang stolz, und sie drehte sich zur offenen Tür. Ich hörte sie freudig flüstern.

„Durch Raum und Zeit gereist?", sprach ich vor mich hin und sah den Raum an, in dem wir uns befanden.
Es war ein großer, schöner und bunter Raum. Er erinnerte mich an meine Mutter; sie hätte sich hier wohl gefühlt.

Die Wandfarbe war rot und bedeckt von vielen verschiedenen Selbstporträts. Auf einigen Gemälden war die selbe Person zu sehen, eine mächtige Person mit einem Zepter in der Hand. Auf einigen trug er Pelzmäntel, auf anderen normale Kleidung. Zwischen diesen Gemälden waren Engel abgebildet, die von gruseligen Gestalten verletzt wurden. Ein Gemälde fiel mir besonders auf, denn es war anders als die anderen. Auf dem Bild war eine Frau abgebildet, sie lag im Bett und streckte ihre Hand in meine Richtung. Auf ihrem Kopf lag ein von Hand geflochtener Blumenkranz.
Ihre Augen waren leer, und auf ihrer Wange war noch eine Träne zu erkennen. Mittlerweile stand ich vor der Wand, an der das Gemälde hing, und starrte tief hinein. Ich war fasziniert von dem Ölgemälde; die Art, wie es gezeichnet war, zog mich in eine andere Welt.

„Erkennst du sie?", fragte Ina mich ruhig und stellte sich neben mich. Ich sah sie an und schüttelte den Kopf. „Wer ist das?", fragte ich sie und starrte weiter auf das Gemälde. Ich merkte, wie ihr Blick auf mir ruhte, und jetzt sah ich sie an. Sie schaute schnell weg, als ich meinen Blick vom Gemälde nahm. „Der erste Mensch, der schwanger von etwas Heiligem war", ihre Stimme wurde trauriger. Doch noch bevor ich nachfragen konnte, hörte ich hinter uns ein Klicken, das sich nach einer Waffe anhörte. „Wer seid ihr? Woher kommt ihr? Was wollt ihr hier?", sprach die fremde Stimme hinter uns, doch ich drehte mich nicht um, Ina jedoch schon. „Ich bin es, Alex, und ich habe Jasmins Sohn mitgebracht", sie tippte mich an, und ich drehte mich langsam um. Auf mich war direkt die Waffe gerichtet, und ich hob aus Reflex meine Hände. „Seraphina, du hast einen Fremden mitgebracht", sprach der Kerl bitter und hielt die Waffe fester. „Nein, wirklich, er ist es!"

„Und wo ist dann seine Mutter? Jasmin würde ihn nie alleine los schicken", er sah mich finster an, und ich schluckte, da sich in meinem Hals ein fester Kloß bildete. „Sie... sie ist tot", brachte ich nur schwer über die Lippen und ließ meine Hände sinken. Er senkte seine Waffe und ging einen Schritt zurück, dabei fiel er in seinen Sessel, der zu dem Ölgemälde gedreht war, vor dem ich gerade so fasziniert war.

„Sie ist tot?", fragte Ina sanft nach, und ich nickte. Da ich nicht anfangen wollte zu weinen, drehte ich mich zurück zum Gemälde und betrachtete es. In mir breitete sich ein wohliges Gefühl aus. Ich hatte das Gefühl, endlich mehr zu erfahren, mehr über mich, mehr über meine Mutter und mehr über uns.

Seit meiner Geburt war ich nur ein Junge, der mit seiner Mutter in einem Ort in Dänemark wohnte. Ich hatte keine Großeltern oder Geschwister.
Es war immer nur der Junge und die Mutter.

Jetzt war es nur noch der Junge.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 11 ⏰

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Das Schattenkönigreich: Die Prophezeiung Der Verlorenen Seelen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt