Und 10 Minuten, denen weitere 10 Minuten folgten. Mit der Ankunft am Ausgangspunkt der Tour war es ja nicht getan. Als uns das Bähnchen wieder in den riesigen Glaspalast ausgespuckt hatte, standen wir mehr oder weniger Mitten im Getümmel. Ums Eck gab's zwar eine Toilette - die würde uns in diesem Fall aber nicht viel helfen. Was Dad brauchte, um mich wieder sauber zu bekommen, war ein Raum mit fließendem Wasser und idealerweise einem Wickeltisch. Sowas gab es hier garantiert. Aber ehrlich gesagt war ich nicht sehr scharf darauf, mit dem was sich da in meiner Windel verteilt hatte, suchend durch dieses riesige Gebäude zu laufen. Jeder Schritt sorgte dafür, dass die Sauerei schlimmer wurde. Wenigstens kam inzwischen nichts mehr nach. Nach dem ersten Durchfall-Schwall waren nämlich noch zwei kleinere Ladungen Kacka in der Windel gelandet - ohne, dass ich auch nur die kleinste Chance gehabt hatte, das irgendwie zu verhindern. Mein Darm wehrte sich mit aller Macht gegen die Kombination aus Wasser und Trockenfrüchten.
Weil auch mein Dad ganz genau wusste, dass es keine gute Idee war, mit mir ziellos durchs Gebäude zu laufen, parkte er mich neben einer kleinen Insel aus Grünpflanzen und Sitzwürfeln. Hier war nichts los, deshalb konnte ich hier gefahrlos darauf warten, bis Dad mit der Info zurückkam, wo er mich wickeln konnte. Ich positionierte mich so, dass ich hinter den Grünpflanzen mehr oder weniger unsichtbar war - wagte es aber nicht, mich hinzusetzen. Außerdem zog ich den Reißverschluss meines Overalls etwas auf, damit die Ausdünstungen aus meiner Windel nicht direkt an meiner Nase ankamen. Das Softshell-Material war Fluch und Segen: Weil es mehr oder weniger luftdicht war, zog ich nur eine minimale Kacka-Fahne hinter mir her. Aber dafür suchte sich der Gestank eben den Weg, der nach draußen führte. Und der führte eben an meiner Nase vorbei. Mit dem offenen Reißverschluss wurde es etwas besser. Und weil mein Dad fünf Minuten später mit einem Gesichtsausdruck zurückkam, den ich nur allzu gut kannte, besserte sich meine Laune umgehend: er hatte einen Plan. "Wir müssen in den Keller, da gibt's alles, was wir brauchen!". Sprach's und schob mich mit einem beherzten Handgriff um die nächste Ecke zu zwei etwas abgelegen positionierten Aufzügen. Die führten nicht nur zu barrierefreien Toiletten, sondern eben auch zu insgesamt drei Wickelräumen, von denen einer auch für Kinder und Erwachsene gedacht war, die auf Windeln angewiesen waren.
Keine 90 Sekunden später entließ uns der Aufzug mit dem charakteristischen "Ploing" in einen erstaunlich hellen Bereich im 4. Untergeschoss, der mit viel Sichtbeton, Holz und Pflanzenbildern an der Wand zwar ziemlich modern, gleichzeitig aber auch einladend wirkte. Hinter dem Empfangstresen, an dem eine junge Mitarbeiterin saß, gab es ein paar einzelne Nischen, in die sich Mütter zum Stillen zurückziehen konnten. In der Ecke dahinter lag eine kleine Ruhezone, in der Familien mit kleinen Kindern zur Ruhe kommen konnten. Außerdem war da noch eine Art Bar, an der man sich mit heißem und kaltem Wasser versorgen und in einer Mikrowelle Babynahrung erwärmen konnte. Sogar Dad war von so viel Familienfreundlichkeit sichtlich beeindruckt und hatte auch überhaupt kein Problem damit, der Dame zu erklären, dass wir einen Platz brauchten, um mir meine volle Windel zu wechseln. Was mich daran am meisten überraschte war eigentlich vor allem die Tatsache, dass mich Dads Unerschrockenheit nach wie vor überraschte.
Das nächste Highlight: Die Mitarbeitern ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Sie übergab meinem Dad einen Schlüsselchip für den entsprechenden Wickelraum und fragte sogar noch, ob wir genügend Windeln für mich dabei hatten, oder ob ich mal Lust hätte, eine andere zu benutzen? Im Wickelraum gab es nämlich nicht nur einen Vorrat an Baby-Windeln, sondern auch entsprechendes Inkontinenzmaterial für größere Kinder, Jugendliche sowie Erwachsene - und zwar im Look des Autoherstellers!. Außerdem gab's sogar die Möglichkeit, Shirts und Pullover mit dem Marken-Emblem zu kaufen. Als Wechsel-Wäsche und natürlich als Souvenir. Ehrlich gesagt waren mir das ein bisschen zu viel Informationen in viel zu kurzer Zeit. Aber wenn die hier so professionell mit dem Thema Windeln und Inkontinenz umgingen, war ich vielleicht gar nicht so ein Exot. Und schwupps, nahmen meine Ohren auch wieder eine natürliche Farbe an.
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Alles (nicht) nur geträumt
General FictionNoah ist fast 10. Gut in der Schule, fleißig und eigentlich ziemlich beliebt. Er lebt mit seinem Dad in einem beschaulichen Reihenhäuschen. Ein Leben wie aus dem Bilderbuch. Aber Noah hat ein Problem. Er würde so gerne mal bei seinen Kumpels übernac...