4.1 Dynasty, MIIA

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"It all fell down, it all fell down, it all fell down.
And all I gave you is gone,
Tumbled like it was stone.
Thought we built a dynasty that heaven couldn't shake.
Thought we built a dynasty like nothing ever made.
Thought we built a dynasty forever couldn't break up."
- Dynasty, MIIA

POV Noah

Müde strecke ich mich in meinem Bett, als mein Wecker klingelt. Ich öffne meine Augen und sehe sofort zu Colin. Auch er ist gerade erst aufgewacht. Ich stehe auf und schleiche barfuß rüber zu seinem Bett. Als er erkennt, was ich vorhabe, hebt er die Decke an, sodass ich zu ihm ins Bett schlüpfen kann. Dort angekommen, kuschele ich mich an seine Brust und schließe für weitere fünf Minuten meine Augen.

Ich liebe es so in den Tag zu starten. Bei ihm kann ich mich richtig fallen lassen und fühle mich geborgen. Leider geht die Zeit viel zu schnell um und wir müssen aufstehen, wenn wir nicht zu spät zum Unterricht kommen wollen. Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir pünktlich sind, denn wir stehen kurz vor unseren Abitur Prüfungen, da ist jede Minute Vorbereitung kostbar.

"Mhhh", macht es neben mir und ich hebe belustigt den Kopf. Ich weiß, dass Colin es genau so hasst unser Kuscheln zu beenden, trotzdem schafft er es immer wieder uns beide zum pünktlichen Aufstehen zu bewegen. Zum Glück, denn ich würde es nicht schaffen und wir würden jeden Morgen zu spät kommen.
"Los, aufstehen jetzt", gibt der Lockenkopf von sich und ich gehorche ihm.

Nach dem Unterricht möchte ich mich endlich um meine Bewerbung für die Filmschool kümmern. Einen Kurzfilm habe ich schon, aber es fehlen noch vereinzelte Sachen, die ich gerne an die Bewerbung anhängen möchte. Ich setzte mich also mit meinem Laptop in mein Bett und fange an Bilder und Videos von meinen vorherigen Projekten herauszusuchen.

Die Filmschool ist mein Traum seit ich klein war. Ich möchte so sehr, dass sie mich annehmen, weshalb die Bewerbung gut sein muss. In den letzten Tagen habe ich deshalb alles andere leider ein wenig schleifen lassen und auch für Colin hatte ich nicht so viel Zeit wie gewöhnlich.
Gerade als ich an ihn denke, geht die Zimmertür auf und mein Wuschelkopf kommt herein. Er setzt sich neben mich aufs Bett und schaut neugierig auf meinen Bildschirm.

"Sitzt du immer noch an der Bewerbung?", fragt er in einem möglichst neutralen Ton, aber ich kann eine Spur Genervtheit heraushören. "Ja, die muss gut werden", antworte ich, ohne von meinem Laptop wegzusehen. "Ich dachte, wir könnten vielleicht mal wieder Eis essen gehen", meint Colin nun. "Hab' gerade keine Zeit", gebe ich zurück und merke erst zu spät, wie verletzend es klingt. Colin neben mir verkrampft sich. "Sorry", murmele ich, stelle meinen Laptop zur Seite und nehme seine Hand, dann sehe ich ihn endlich an. "Ich bin einfach total gestresst gerade, ich will so sehr, dass sie mich nehmen." "Das versteh' ich ja auch, aber das kannst du nicht an mir auslassen", meint Colin und er hat recht. "Ich weiß, es tut mir leid", sage ich und sehe ihm dabei in die Augen, damit er erkennt, dass ich es ernst meine.

"Wie wär's damit: Ich hol' uns Eis aus der Küche, damit du eine kurze Pause machen und anschließend gleich weiterarbeiten kannst. "Okay", sage ich sanft und gebe ihm einen schnellen Kuss. Daraufhin steht Colin auf und verschwindet aus dem Zimmer.

Wenig später kommt er mit zwei Schüsseln zurück. In der einen Stracciatellaeis für mich und in der anderen Erdbeereis für ihn. Er setzt sich wieder neben mich, sodass ich seine Körperwärme spüren kann. Es ist ein schönes Gefühl. "Danke", sage ich, als er mir meine Schüssel reicht und beginne mein Eis zu löffeln. "Hast du deine Bewerbung eigentlich schon abgeschickt?", frage ich interessiert nach. "Ja hab ich", gibt Colin mit vollem Mund von sich und ich muss grinsen. Wir wollen beide nach NRW. Dort gibt es eine sehr gute Filmschool und Colin will Informatik studieren, das gibt es überall, weshalb er sich entschieden hat mit mir nach Köln zu gehen. Wir freuen uns schon richtig darauf. Nach den schriftlichen Prüfungen wollen wir uns Wohnungen anschauen, damit wir direkt nach dem Abi dort hinziehen können.

Und dann ist es soweit. Unsere erste Abiturprüfung steht an. Ich habe es in den letzten Tagen zum Glück geschafft neben dem Lernen meine Bewerbung endlich abzuschicken. Damit wäre zumindest ein Stressfaktor beseitigt. Aber das Lernen für die Prüfungen verlangt sowohl mir als auch Colin sehr viel ab. Wir haben so gut es geht versucht gemeinsam zu lernen, um Zeit miteinander verbringen zu können, aber letztendlich war es sinnvoller alleine zu lernen, weil wir uns sonst zu schnell von allem abgelenkt haben. Dadurch haben wir in den letzten Tagen sehr wenig Zeit miteinander verbracht, was mir nur noch mehr Sorge bereitet. Mein einziger Lichtblick ist, dass das ganze in wenigen Tagen erst mal vorbei sein wird. Dann können wir uns endlich auf schönere Dinge konzentrieren.

Heute steht das Matheabitur an, das Fach, bei dem Colin mir am meisten helfen konnte. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich gar nichts kann. Colin scheint das zu bemerken. Bis eben stand er noch bei Joel und hat sich mit ihm unterhalten. Als er aber meine angespannte Miene sieht, kommt er sofort zu mir und nimmt mich in den Arm. "Du schaffst das", flüstert er in mein Ohr, sodass nur ich es hören kann. "Wir haben das zusammen geübt, ich weiß, dass du das kannst." Bei seinen Worten fühle ich mich gleich schon viel besser. Seine Stimme in meinem Ohr und seine Arme um meinen Körper lassen mich ruhiger werden. Ich nicke und lasse meinen Kopf auf seine Schulter sinken. So stehen wir, bis unsere Lehrer*innen kommen und uns in den Raum beten.

"Wie war's?", fragt mich Colin grinsend, als er nach der Prüfung in unser Zimmer kommt. War ja klar, dass er gute Laune hat, Streber... "Ganz gut, denke ich", gebe ich von mir und ich denke, dass man mir meine Erschöpfung anmerkt. "Trotzdem will ich nie wieder Zahlen sehen." Colin lacht und setzt sich zu mir. "Kann ich nicht nachvollziehen", sagt er schmunzelnd. Ich rolle die Augen.

"Hast du eigentlich schon eine Rückmeldung von der Uni?", frage ich ihn, um von der Matheklausur abzulenken. Es sollte eine unverfängliche Frage sein, denn ich bin davon ausgegangen, dass er auf jeden Fall angenommen wird. Seine Noten in den entscheidenden Bereichen sind super und auch sonst ist er gut in der Schule. Als er jedoch meinem Blick ausweicht, macht sich ein mulmiges Gefühl in mir breit. "Was ist?", frage ich nun unsicher. Er atmet tief ein und aus bevor er zu sprechen beginnt: "Ich hab' eine Zusage", sagt er vorsichtig. Wo ist denn dann das Problem? Die Frage scheint mir ins Gesicht geschrieben zu sein, denn er spricht weiter: "Ich hab' allerdings auch eine Zusage für eine andere Uni, in Potsdam. Ich habe mich schon früher für diese Uni interessiert, schon bevor wir uns kannten. Es ist meine Traum Uni und ich konnte es mir nicht entgehen lassen, mich zumindest zu bewerben. Ich dachte sie nehmen mich eh nicht, dann wäre es egal..." "...aber du willst da hin", beende ich tonlos seinen Satz. Ich spüre wie sich Tränen in meinen Augen sammeln, als Colin langsam nickt um meine Aussage zu bestätigen. "Du hättest mir davon erzählen müssen", wispere ich und die Enttäuschung ist nicht zu überhören. "Ich weiß, das wollte ich auch, aber ich hatte so Angst davor. Jedesmal wenn ich es dir sagen wollte, hat sich mein Hals zugeschnürrt und ich dachte, wenn ich eine Absage bekomme, ist es so wie so egal." Auch bei ihm sammeln sich Tränen, die sich langsam ihren Weg über seine Wangen bis hin zu seinem Kinn bahnen. "Ich bin mir sicher, wir bekommen das hin, wir lieben uns doch", merkt er an. Ja ich liebe ihn, aber bin ich bereit für eine Fernbeziehung? Ich glaube nicht. "Wie stellst du dir das vor? Wir haben es jetzt schon kaum geschafft regelmäßig Zeit miteinander zu verbringen, obwohl wir zusammen wohnen! Wie soll das werden wenn wir Hunderte Kilometer getrennt voneinander sind?" Ich kann nicht verhindern, dass ich wütend werde. Will er alles was wir hatten einfach wegwerfen?

Colin nickt resigniert. "Ich will da unbedingt hin, Noah." Er spricht so leise, dass ich kaum höre, was er sagt, aber seine Worte treffen mich mit voller Wucht. Verzweifelt lasse ich die Schultern hängen. Jegliche Spannung weicht aus meinem Körper, als ich mich geschlagen gebe: "Also war's das jetzt mit uns?", frage ich ebenso leise. Wieder nickt er: "Wir wollen verschiedene Dinge, ich denke es ist besser, wenn wir uns trennen." Mit diesen Worten verlässt er das Zimmer. Kraftlos bleibe ich zurück und sinke auf mein Bett. Ich habe ihn verloren, die Liebe meines Lebens. Meine größte Angst ist wahr geworden.

Nolin OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt