4. Beatrice Dayn II

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Nach dieser misslungenen Vorstellung einer Flussbeisetzung blieb Beatrice auf Geheiß ihres Neffen der Trauerfeier fern. Zwar hätte sie gerne mit dem ein oder anderen Lord aus den Flusslanden gesprochen und alte Freundschaften wiederbelebt, aber um den Frieden zu bewahren, stattete sie anstelle dessen der Septe von Schnellwasser einen Besuch ab. Lady Minisa hatte einst in ihren Briefen diesen Ort oftmals erwähnt, welchen ihr Gatte Hoster zu ihren Ehren errichten lassen hatte. Da wollte Beatrice es sich nicht entgehen lassen, sich endlich einmal ein eigenes Bild von der Septe zu machen.

Das siebenseitige Sandsteingebäude ragte aus dem wunderschönen Garten empor. Minisa hatte in ihren Briefen nicht gelogen, man hatte wahrhaftig ein Monument für die Ewigkeit erschaffen. Andächtig betrat Beatrice das Gebetshaus der Neuen Götter, an deren Ende ein großes Fenster in Form eines siebenzackigen Sternes aus Buntglas ragte, durch das die Sonne auf den Boden ein seltsames Farbenspiel warf. Jeder Schritt auf den sandfarbenen Fliesen hallte durch die weitläufige Septe, in der sie sich allein zu glauben fühlte. Sie wanderte durch die Halle, gefolgt vom schwarzen Saum ihres Kleides. Fromm faltete sie ihre Hände zu einer Gebetsform zusammen und betrachtete im Vorbeigehen die verschiedenen Marmorbildnisse der Sieben.

Ihre Familie, in die sie eingeheiratet hatte, schenkte diesen Figuren ihren Glauben. Je nach Bedarf wurden die Götter, die alle für etwas anderes standen, zu Rate gezogen. Beatrice schürzte verächtlich die Lippen, trotz ihres Respektes war sie von dieser Glaubensrichtung nicht überzeugt und hatte deshalb in all den Jahren selten ihre Septe in Sternfall besucht. Denn im Gegensatz zu ihrer Familie folgte sie dem Glauben der Alten Götter. Zu ihrem Missfallen hatten ihre Kinder keine freie Wahl, wie es die Tradition des Hauses Dayn, dessen Namen sie auch trugen, wurden sie im Glauben der Neuen Götter erzogen, was sie jedoch nicht vor ihrem Tod bewahrt hatte.

Vielleicht, wenn ihre Kinder den Alten gefolgt wären, würden sie heute noch leben, dachte sich Beatrice, die unmittelbar vor einer bestimmten Statue zum Stehen kam, die nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte – es war der Fremde. Im Weiß des Marmors wirkte er trotz seines Erscheinungsbildes und seiner Bedeutung nicht einmal so bedrohlich wie sein Name zu verheißen mochte. Im Gegensatz zu allen anderen Figuren brannte keine einzige Kerze vor dem Fremden. Sie überlegte nicht lange, gedachte sich mit Rückgriff auf den Vorrat an Kerzen eine davon anzuzünden, wäre sie nicht unter dem Laut einer Stimme erschrocken: „Zu dieser Figur möchtest du lieber nicht beten.".

Beatrice zuckte zusammen und hielt sich eine Hand vors Herz, ehe sie sich umdrehte und dem Anschein nach doch nicht allein war. Hinter einer Säule hatte sich nämlich Brynden versteckt, der sich mit einem Schritt nach vorne zu erkennen gab. Noch vorhin hatte Beatrice ihn an der Flussbeisetzung gesichtet und war fest davon ausgegangen, er würde genau wie alle anderen der Trauerfeier seines Bruders beiwohnen. Stattdessen war er hier zu ihrer Verwunderung in der Septe, durch die das Scheppern seiner Rüstung hallte, als er die Distanz zu ihr verringerte.

Lady Dayn sprach eingeschnappt: „Ich wusste nicht, dass du hier bist.", „Ich muss gestehen, dass ich auch nicht sonderlich oft hier bin.", erwiderte er in gemäßigter Tonlage. Als er sich ihr näherte, schenkte sie ihm ein Lächeln, bevor sie sich wieder der Statue zuwandte, die ihr Interesse geweckt hatte, und ihn fragte: „Ich habe mich nie sonderlich mit eurer Religion beschäftigt, aber ich vermute, dass das der Fremde ist, nicht wahr?", „Unschwer zu erkennen.", antwortete Brynden, „Er repräsentiert den Tod und das Unbekannte, und nur die Wenigsten ersuchen seinen Segen.".

Beatrice glaubte, dass deswegen keine Kerzen brannten, dem Brynden ein Ende bereitete, als er mit einem Streichholz den Docht einer der wenigen Stabkerzen entzündete. Sie traute sich nicht zu fragen, denn sie waren gestern im Streit auseinander gegangen, aber sie vermutete, dass die Kerze seinem verstorbenen Bruder Hoster galt, der auf der anderen Seite des Lebens unter den Augen des Fremden liegen würde. Die Stille, die im Tempel herrschte, war für Brynden kaum auszuhalten. Er erzählte ihr: „Hoster hat diese Septe für Minisa errichten lassen, die sie oftmals aufgesucht hat, um für die Rückkehr ihres Mannes zu beten.".

Beatrice hörte das nicht zum ersten Mal und fügte hinzu: „Sie hatte mir in ihren Briefen von der Septe erzählt. Bei einem meiner nächsten Besuche wollte Minisa sie mir unbedingt zeigen, aber daraus wurde nichts. Nun, 40 Jahre später, stehe ich hier.", wobei das Bedauern über ihr Verfehlen in ihrer Stimme nicht zu überhören war. Die beiden hatten eine innige Freundschaft gepflegt, die nicht wie viele in frühster Kindheit begonnen hatte, sondern erst in den späteren Jahren, bevor beide an die Hand eines Mannes gegeben wurden und ihre Wege sich daraufhin trennen mussten. Aber das war nicht das Ende ihrer Freundschaft, sondern erst der Beginn. Denn zu allen möglichen Gelegenheiten, war es der Besuch eines bekannten Lords oder der Geburtstag eines ihrer Kinder, hatten sie einander Briefe geschickt. Obwohl Beatrice meilenweit von Schnellwasser entfernt war, war sie über die Vorgänge immer auf dem Laufenden.

Betrübt senkte Beatrice den Blick und trauerte ihrer Freundin nach: „Minisa ist viel zu früh aus dem Leben verschieden, sie hatte das nicht verdient.". Brynden nickte: „Weder sie noch ihre Familie. Nach ihrem Tod war Hoster nicht mehr derselbe. Er vermisste sie bis in seinen letzten Stunden.", was sie sich vorstellen konnte. „Der einzige Trost liegt darin, dass beide nun auf der anderen Seite wieder vereint ist.", sagte sie, was auch den Schwarzfisch hoffentlich bestärkte. Jener schaute ausdruckslos auf sie hinab, Beatrice wusste seinen Blick nicht zu deuten und ihr wurde ganz mulmig. Schließlich brach Brynden das Schweigen: „Ich bin froh, dass du gekommen bist.", „Wirklich?", fragte Beatrice erstaunt, „Du bist also nicht böse auf mich?", „Wieso sollte ich?", „Naja, gestern habe ich es gewagt, dich vor den Augen deines Königs anzuschreien, den ich vermutlich aus dem Götterhain verschreckt habe.".

Ein warmes Lächeln umspielte seine Lippen, er antwortete: „Ich glaube, dass du Robb eher beeindruckt als verschreckt hast. Außerdem kenne ich dich schon viel zu lange und weiß, dass du manchmal barsch sein kannst.". Nicht viele hatten das Zutrauen, den Schwarzfisch herauszufordern, und von denen, die es taten, waren die Wenigsten noch am Leben, aber bei ihr war das etwas Anderes. Beatrice wusste das und schaute in seine tiefblauen Augen: „Tut mir leid. Auch wenn du es nicht so ernst siehst, weiß ich, dass ich mich gestern daneben benommen habe.", und dachte unmittelbar an den Ausdruck „zänkisches Weib", den Jonos Bracken in ihrer Auseinandersetzung gebraucht hatte und ihr nicht mehr aus dem Kopf ging, „Manchmal vergesse ich mich in meinen Gefühlen und denke nicht darüber nach, was ich sage.".

Nur Brynden erwiderte: „Was andere für daneben halten, habe ich immer an dir geschätzt. Ich kenne keine aufrichtigere Dame in Westeros als dich.", „Dann hast du vielleicht nicht viele aufrichtige Damen in deinem Leben kennengelernt.", hielt sie ihm entgegen. Das stimmte ihn nachdenklich: „Wohl wahr.". Beatrice war überglücklich und schlug vor: „Komm, lass uns einen Spaziergang unternehmen. Mal schauen, ob du mich dann immer noch für eine aufrichtige Dame hältst.". Brynden bot ihr seinen Arm an und meinte erheitert: „Solange du mich nicht wieder anschreist, gerne.". Mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm: „Du weißt genau wie ich, das ich das nicht versprechen kann.", beide verließen die Septe und traten in das grelle Tageslicht.

Gemächlich bewegten sich die beiden durch den Garten, der aufgrund der Jahreszeit nicht in seiner voller Blüte erstrahlte. Beatrice schwelgte in ihren Gedanken: „Ich hätte mir auch einen solchen Garten gewünscht, in meinem Götterhain in Sternfall, wenn man das überhaupt als Götterhain bezeichnen konnte. Ein Wehrholzbaum hätte dem Klima des Südens nicht standgehalten, aber da ich zuhause in Rabenbaum auch nur zu Totholz beten konnte, habe ich das nicht vermisst.", „War es denn kein Problem, dass du den Alten folgst? Im Süden von Westeros?", „Nicht wirklich, wahrscheinlich weil ich im Gegensatz zum Glauben an die Sieben nicht viele Regeln zu befolgen habe und mich dadurch gut an das Leben anpassen konnte. Außerdem hat mein Mann dem Glauben nicht viel Bedeutung beigemessen, Beric war gottlos.".

Ob Brynden ein gottesfürchtiger Mann war? Glaubte er an die Sieben? Oder an etwas komplett anderes? Sie konnte es nicht sagen, sie hatten bisher nie darüber gesprochen. Jedenfalls war er kein Unmensch, so viel stand fest. Vorsichtig fragte er: „Vermisst du ihn nicht?", „Beric? Es ist schon wieder so viele Jahre her, ich... ich vermisse ihn, sicher, aber ich denke nicht jeden Tag an ihn. Ich glaube, Allyria hat mir sehr dabei geholfen, darüber hinwegzukommen.", „Wie geht es ihr? Ist sie wohl auf?".

Beatrice überlegte, denn sie sprach nicht mit vielen über ihre Tochter und war sehr bedacht, was sie über Allyria preisgab. Zögerlich antwortete sie ihm: „Ihr geht es gut, auch wenn sie etwas gekränkt ist. Ihr Verlobter Beric Dondarrion will einfach seinem Versprechen nicht nachkommen, viel lieber treibt er sich mit Schweinehirten, Deserteuren und Fanatikern des Herrn des Lichts herum.", denn jener hatte die Bruderschaft ohne Banner gegründet, eine Vereinigung, die keinem König oder Lord gehorchte, sondern sich allein für das Wohl der Menschen einsetzte und die einfache Bevölkerung schützen wollte.

Ein ehrenwertes Ziel, meinte Beatrice. Dennoch änderte das nichts daran, dass Lord Dondarrion ein Versprechen einzuhalten hatte, wenn er denn überhaupt noch Interesse daran hatte, ihre Tochter zu ehelichen. Brynden erklärte daraufhin: „Er und seine Gefolgsleute halten Haus Lennister in Schach. Ohne ihn würde es in den Flusslanden ganz anders aussehen. Außerdem wird dieser Krieg hoffentlich bald vorbei sein, wenn Robb weiterhin die richtigen Entscheidungen trifft.", „Ihr Männer seid alle gleich.", lachte sie, „Redet bereits vom Ende des Krieges, bloß weil ihr eine Schlacht gewonnen habt. Nur weiß keiner von uns, was kommen mag. Dieser Krieg kann 10 Tage, 10 Monate oder 10 Jahre dauern. Allyria wird nicht jünger und als Mutter will ich sie in guten Händen wissen. Allmählich muss ich mich auf die Suche nach einem anderen Junggesellen begeben, der sie Beric vergessen lässt. Zum Glück bin ich dafür an dem richtigen Ort gelandet, weil es Schnellwasser seit Jahren an einer Lady fehlt.".

Brynden machte Halt, er glaubte sich verhört zu haben und beobachtete, wie Beatrice an einen Rosenbusch herantrat. „Auf gar keinen Fall.", sprach Brynden bestimmt, „Du willst Edmure nicht als deinen Schwiegersohn haben. Ich kenne meinen Neffen, er ist ein Narr. Glaub mir, deine Tochter würde mit ihm nicht glücklich werden.". Aus gutem Grund konnte er ihrem Vorschlag nicht zustimmen und versuchte ihr diese Idee auszusprengen, aber davon ließ sich Beatrice nicht beirren: „Ach ja? Ich wette mit dir, dass er Gefallen an Allyria finden würde, wenn er sie einmal zu Gesicht bekommt.", „Daran habe ich keine Zweifel.", lachte er mit Verdruss, „Nur für eine Reise nach Sternfall bleibt keine Zeit. Wir sind im Krieg.". Beatrice verdrehte die Augen. Ihre Finger berührten die Blüten einer Rosenknospe, während sie erklärte: „Ich verstehe, dass ihr Interesse daran habt, dass Edmure in ein Haus mit einer militärischen Streitmacht einheiratet, welche Haus Dayn euch bieten kann.".

Daraufhin wurde Brynden, der anfänglich von dem Gespräch abgeneigt war, neugierig und stellte sich direkt neben sie, um in ihr Gesicht zu schauen: „Ist dem so?", „Unser Heer ist 3000 Mann stark und wir haben eine Flotte bestehend aus 23 Galeeren, die zukünftig von Bedeutung sein könnten, wenn ihr nach Königsmund einmarschieren wollt. Allein mit Soldaten werdet ihr diesen Krieg nicht gewinnen.", worüber er sich nur noch belustigen konnte. Beatrice konnte sich seinem Lachen nicht anschließen, sie meinte es ernst und fühlte sich dadurch in ihrer Ehre angegriffen, als er meinte: „Wem willst du hier was vormachen? Mal ganz zu schweige, dass Haus Dayn nicht gerade für seine Streitmacht bekannt ist. Glaubst du, dass Prinz Doran Martell sein Einverständnis dafür geben wird? Dieser hat sich noch auf keine Seite in diesem Krieg gestellt – ob er das Schicksal von Dorne für deine Heiratspläne aufs Spiel setzen wird? Wohl kaum.", und er hatte wahrscheinlich recht. Sie lag nur ungern im Unrecht und nahm schweigend ihre Niederlage in Kauf, während ihr Blick durch den Garten schweifte.

Nur Brynden wollte kein Spielverderber sein und meinte: „Aber nehmen wir mal an, er würde genau wie König Robb dem Bündnis zustimmen, was ich nebenbei bemerkt für vollkommen abwegig halte...", „Aber nur mal angenommen.", „Glaubst du, dass du damit deiner Tochter einen Gefallen tust? Allyria wäre tausende Meilen von Sternfall entfernt, von ihrem eigentlichen Zuhause, ihre Mutter wäre nicht länger in der Nähe und würde ihr nicht zur Seite stehen, während sie ihren Aufgaben als Lady von Schnellwasser nachkommt und Edmure kleine Tullys schenken muss.", „Wer sagt denn, dass ich in Sternfall bleibe?". Nachdenklich neigte er den Kopf und belächelte ihren Ehrgeiz in dieser Angelegenheit: „Willst du etwa in Schnellwasser einziehen?".

Über diese Möglichkeit hatte Beatrice noch gar nicht nachgedacht: „Keine schlechte Idee, aber auch wenn ihr mir das verwehren solltet, würden mir noch die Tore von Rabenbaum offenstehen.", „Daraus wird nichts, Triss.", „Was? Gefällt dir nicht die Vorstellung, dass wir uns jeden Tag sehen? Gemeinsam zu Abend essen? Wie in guten alten Zeiten?", woraufhin er seinen Kopf senkte. Lady Dayn griff nach seinen Händen und redete auf ihn ein: „Du weißt, dass ich nicht allein wegen Hoster hiergekommen bin, oder?". Sie schaute in sein wettergegerbtes Gesicht, es hatte ihm die Sprache verschlagen und wie ein kleiner Junge stammelte er: „I-ich...".

Zu seiner Erleichterung tauchte ein Wachmann der Tullys auf, der eine Nachricht seines Königs zu überbringen hatte. Jener verlangte nach der Anwesenheit des Schwarzfisches, der mit seinem Daumen über ihre Finger strich, ehe sie sich der Berührung entzog. Beatrice wusste das zu verstehen, verschränkte ihre Hände ineinander und meinte zum Abschluss: „Geh schon. Dein König braucht dich.", mit einem Hofknicks verabschiedete sich und machte sich auf dem Rückweg zu ihrem Lager. Und sie spürte, wie seine Augen sie auf ihren Weg verfolgten, aber er lief ihr nicht hinterher, weil er wahrscheinlich wusste, dass das ein Abschied war.


Zurück in ihrem Zelt warteten die beiden Wachmänner auf Lady Beatrice Dayn, die sich nach ihrem Marsch durch das Lager den schwarzen Schal aus Seide von den Schultern riss und über den Stuhl legte. Mit Sicherheit waren Quentyn und Ser Edgar davon überrascht, sie in dieser Verfassung zu erleben, denn sie selbst musste zugeben, dass sie sich seit ihrem Aufbruch von Sternfall nicht mehr wieder erkannte. Mit ihren zarten Armen stützte sie sich vom Tisch ab und meinte mit Blick auf ihre Gefolgsmänner: „Langsam fehlt mir die Kraft, länger hier zu bleiben. Alle Menschen, die ich glaubte, mein ganzes Leben lang zu kennen, wirken auf einmal so fremd.". Edgar, ein erfahrener Kämpfer im gehobenen Alter, trat einen Schritt nach vorne und ergriff das Wort: „Euer letzter Besuch liegt viele Jahre zurück, Mylady. Zeiten ändern sich, und mit ihr die Menschen.". Damit behielt er wohl recht, denn anders konnte sie sich das nicht erklären und sackte wie ein Sandhaufen auf dem Stuhl zusammen.

Beatrice war froh, an diesen beschaulichen Ort, bestehend aus einem Feldbett, einer hölzernen Truhe sowie einem Tisch mit zwei Sitzgarnituren, zurückzukehren, um Abstand von all dem da draußen zu gewinnen. Erwartungsvoll schaute sie zu ihren Wachmännern: „Habt ihr bereits etwas Neues in Erfahrung bringen können?". Ohne zu zögern, ergriff Quentyn, ein junger Bursche mit goldenem Haar und tiefliegenden giftgrünen Augen, das Wort: „Durchaus, Mylady. Die Schenken sind von Geschichten um die Bruderschaft ohne Banner erfüllt.". Eifrig nahm er eine Karte von den Flusslanden zur Hand und breitete sie auf dem Tisch aus. Nur mit Mühe konnte man in der krakeligen Schrift den Namen „Salzpfann", eine Ortschaft nicht unweit von hier, entziffern, auf die Quentyn deutete und seiner Herrin Bericht erstattete: „Zuletzt seien sie in dieser Gegend gewesen, nachdem der Berg durch Salzpfann gezogen ist. Wie ich hörte, ist von der Siedlung nicht mehr viel übrig geblieben.", was Beatrice bedauerte, denn sie kannte die kleine Siedlung, aus der Salz in alle Richtungen von Westeros exportiert wurde.

Diese Information war ihr sehr teuer: „Wann ist das gewesen?", „Vor nicht einmal einer Wochen. Sie haben die letzten Lennister-Soldaten aus dem Ort vertrieben und die Bewohnern mit Lebensmitteln versorgt.", wodurch es ihr schwer fiel, ein schlechtes Wort über Lord Dondarrion zu verlieren, denn er war trotz seinem gebrochenen Versprechen ein aufrichtiger Mann und sie hielt ihre Achtung vor ihm nach wie vor hoch. Dennoch musste sie mit ihm sprechen, weil er der eigentliche Grund war, warum sie in die Flusslande gekommen war. Die Beisetzung von Hoster Tully war nur ein Vorwand, um die Bruderschaft ohne Banner aufzuspüren, in der unter dem ganzen Gesindel auch der Erbe von Sternfall – Edric Dayn – diente. Dieser diente seit einigen Jahren Beric Dondarrion, erst als Page und dann als Knappe, um eines Tages zu einem Ritter geschlagen zu werden. Nur damals ahnte noch keiner, dass der Krieg der fünf Könige ausbrechen würde und Beric Dondarrion auf Geheiß von Eddard Stark darauf angesetzt wurde, den Berg zu fassen.

Edric, ein Knabe von zwölf Jahren, begleitete Beric Dondarrion in die Flusslande. Sein Vater hatte hierfür sein Einverständnis gegeben, aber da wusste noch keiner, dass der Lord von Schwarzburg einen anderen Weg einschlug und diese abtrünnige Bande ins Leben rief. Was musste es nur für Edric heißen, dass er in dieser Gesellschaft verkehrte, fern von jeglichen Konventionen, die ihm in seiner frühen Erziehung mit auf dem Weg gegeben wurden. Das war nicht das Leben, das man für ihn vorgesehen hatte – sein Vater, der Herr von Sternfall, schickte Beatrice in den Norden, mit der Aufgabe, den Erben von Sternfall aus der Bruderschaft ohne Banner zu retten und ihn nach Hause zurückzubringen. Und dafür wollte sie sich schon am nächsten Tag auf den Weg machen, um gemeinsam mit ihren Wachmännern die Spur aufzunehmen und Beric Dondarrion aufzuspüren.

Am folgenden Morgen begab sich Lady Beatrice Dayn nach Schnellwasser. Mit einer Schriftrolle eilte sie zum Turm des Maesters, um dort einen Raben nach Sternfall zu entsenden. Sie gedachte, ihre Familie über ihre Abreise zu informieren, denn schließlich hatte sie ihrer Tochter versprochen, in den Flusslanden keine Wurzeln zu schlagen. Nur zu Überraschung lief sie auf dem Weg durch die Burg in Lady Catelyn Stark, die nicht weniger überrascht wie sie war. Beatrice hatte sich vorgenommen, ihr und Brynden zu Liebe aus dem Weg zu gehen. Nur schien ihr Aufeinandertreffen unumgänglich zu sein, dem beide sich nicht einfach entziehen konnten. Mit gesenktem Blick begrüßte Lady Catelyn die alte Bekanntschaft: „Lady Dayn.", und wollte ihres Weges gehen. Beatrice, die es nicht übers Herz brachte, an der Tochter ihrer einst besten Freundin wortlos vorbeizugehen, sprach zu ihr: „Lady Stark, ich hatte gehofft, dass wir uns noch vor meiner Abreise sprechen. Wahrscheinlich haben Sie das schon oft genug gehört, aber bevor sich unsere Wege trennen möchte auch ich Euch mein ausdrückliches Beileid für den Tod Eures Vaters aussprechen.".

Lady Stark machte Halt, holte tief nach Luft und bedankte sich für die Beileidsbekundung: „Vielen Dank.", „Ich weiß, dass ich eher zu Ihnen hätte kommen sollen.", meinte Beatrice, „Nur habe ich während der kurzen Spanne meines Aufenthaltes keinen geeigneten Moment dafür gefunden.". Endlich wagte es Catelyn aufzusehen, sodass Beatrice in ihrem Gesicht ihre Mutter wieder erkannte, nur war es nicht Minisa, sondern Hoster, der aus ihr sprach: „Dafür müssen Sie sich nicht entschuldigen, Lady Dayn. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht mit eurer Anreise gerechnet. Und so schnell wie Sie gekommen waren, wollen Sie schon wieder abreisen.", dabei umspielte ein kleines Lächeln ihre Mundwinkel, wodurch Beatrice wusste, dass eine Versöhnung ausgeschlossen war.

Als Dame ihres Standes gab sich Beatrice nicht geschlagen und hielt das zusammengerollte Pergamentstück, nicht größer als ein kleiner Finger, in die Höhe und fügte hinzu: „Ja, daher möchte ich noch meiner Tochter Bescheid geben, dass sie meine Rückkunft erwarten kann.". Neugierig fragte Catelyn: „Wie alt ist sie nochmal?", „17 Jahre – nicht viel älter als Euer Sohn. Nur musste dieser mit seinen jungen Jahren früh erwachsen werden, wie so viele in diesen Zeiten. Wir sind uns im Götterhain begegnet, er ist so ehrenhaft wie sein Vater, was er auch seiner Mutter zu verdanken hat.", in der Hoffnung, die Wogen zwischen ihnen zu glätten.

Aber Catelyn war sichtlich verwundert: „Wirklich? Robb hat mir nichts davon erzählt.", und spielte damit die Bedeutung ihrer Begegnung herab, was Beatrice zu erwidern wusste: „Vielleicht weil er weiß, dass Sie nicht gut auf mich zu sprechen sind.".

Infolge dieser Worte weiteten sich ihre Augen, die sich mit bitterster Abneigung füllten, als sie Lady Dayn in einem hasserfüllter Tonfall entgegnete: „Wie auch? Dafür ist zu viel passiert, was die Geschichte unserer beiden Häuser betrifft.", nur Beatrice war sich nicht sicher, auf was sie sich da bezog. War es, weil Eddard ihrem Sohn das Leben geraubt hatte? Glaubte sie etwa, Beatrice wollte ihr dasselbe Schicksal zufügen? Oder war es ihr Glaube, dass ihre Familien mehr als nur der Mord am Schwert des Morgens verband?

Beatrice erklärte: „Das, was passiert ist, geschah nicht aus bösem Blut.". Catelyn lachte verächtlich, sie glaubte ihr kein Wort und sprach in tiefster Verachtung: „Ich wünschte, ich könnte Ihnen vertrauen. Auch, weil meine Mutter in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen hat. Nur in diesen Zeiten weiß man nicht mehr, was und wem man noch glauben kann.", „Ausgerechnet in Zeiten wie diesen ist es wichtig, einander zu vertrauen. Zu Liebe unserer Kinder.", „Sie haben ja keine Ahnung...", „Oh doch. Ich weiß, was es heißt, seine Kinder im Krieg zu verlieren. Wenn Sie nicht das gleiche Schicksal erleiden wollen, dann sollten Sie Ihre Strategie ändern. Denn so wie Sie bisher gefahren sind, werden Sie Ihre Töchter nie wieder sehen.". Lady Stark schäumte vor Wut: „Ist das, was Sie wollen?! Mich leiden sehen? Vergeltung für Ihren Verlust?", „Vergeltung? Nein. Der Tod meiner Kinder lässt sich nicht durch ein weiteres Unrecht ungeschehen machen.".

Auf einmal fehlten Catelyn die Worte, sie verschränkte ihre Hände ineinander und schaute in den Boden. „Eine sichere Heimreise, Lady Dayn.", wünschte sie der Bekannten im Abgang und verschwand hinter den großen Toren eines Vorzimmers. Beatrice hatte verloren, denn egal, was sie tat oder sagte, sie würde nie das Vertrauen von Catelyn genießen. „Was hätte Minisa getan, wenn sie noch am Leben gewesen wäre?", fragte sie sich unmittelbar nach dieser Begegnung, „Auf welche Seite hätte sie sich gestellt? Hätte sie ihrer Tochter Recht gegeben oder auf sie eingeredet, dass dieser Streit sinnlos wäre?" – Beatrice würde es nie erfahren und bedauerte die Kluft, die zwischen ihr und Haus Tully lag, ehe sie zum Maester rannte.


Quentyn und Ser Edgar hatten in der Zwischenzeit bereits alles zusammengepackt, nach einer kurzen Auseinandersetzung mit seinem älteren Kameraden musste Quentyn die entliehenen Möbel zurück nach Schnellwasser bringen. Als Beatrice davon Wind bekam, beauftragte sie Ser Edgar damit, ihr zu den Pferden zu folgen und sie bereit für ihre Abreise zu machen; schließlich brauchte er auch eine Beschäftigung und sollte nicht tatenlos rumsitzen wie so viele hier in diesem Lager. Neugierig fragte er auf ihrem Weg: „Möchten Sie sich nicht derweilen von Ihrer Familie verabschieden, Mylady?", „Das hat keine Zeit.", denn sie wollte ihren Aufenthalt nicht in die Länge ziehen und mit ihrer Abreise keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, kurz und schmerzlos.

Leider hatte sie nicht mit dem Sohn ihres Neffen gerechnet. Lucas Schwarzhain, der zu nahezu jeder Tageszeit seine Rüstung trug, stand hinter den beiden und hatte die Unterhaltung zwischen den beiden verfolgt: „Willst du etwa schon wieder abreisen? Du bist gerade erst angekommen.", fragte er überrascht. Beatrice seufzte, ehe sie sich zu ihm umdrehte und erklärte: „Ich muss. Es ist ein weiter Weg.", „Verständlich. Schade, ich hatte gehofft, du würdest noch eine Weile bleiben. Lass mir dir wenigstens aufs Pferd helfen...", aber seine Großtante schlug seine Hand weg und nahm eigenständig die Zügel ihrer Lady Goldstaub in die Hand: „Ich bin zwar schon alt, aber durchaus noch in der Lage, allein auf ein Pferd zu steigen.", sie setzte einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich grazil auf den Rücken ihres Sandrosses. Sie hasste es, für eine alte, gebrechliche Frau gehalten zu werden, für die sie aufgrund ihres Erscheinungsbildes oftmals gehalten wurde.

Nachdem Quentyn wieder aufgetaucht war, waren die Abgesandten des Hauses Dayn vollzählig und bereit für die Abreise. Zum Abschied sagte Beatrice zu ihrem Großneffen Lucas: „Wenn dein Vater nach mir fragt, sag ihm, dass ich auf dem Heimweg bin.".

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 28 ⏰

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