2. Beatrice Dayn I

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Ein reges Treiben herrschte im Innenhof von Schnellwasser, Männer unter dem Klimpern ihrer Eisenrüstung marschierten an ihnen vorbei, während Brynden Tully sie über die Brücke hinter die Mauern führte. Nach einem Jahrzehnt bekam Lady Beatrice die Burg wieder zu sehen und bemerkte erstaunt: „Es hat sich hier kaum was verändert.", „Außer, dass ein Aufgebot von 10.000 Mann vor den Toren lagert.", erwiderte seine rauchige Stimme. Auch der Schwarzfisch hatte sich kaum verändert, er war schon immer ein Hecht von einem Mann gewesen, groß und schlank. Abgesehen von seinem ergrauten Haar, das ordentlich hinter seine Ohren gekämmt war, und seine faltigen Gesichtszüge war er derselbe geblieben, denn sie hatte ihn selten in legerer Kleidung erlebt, stattdessen trug er ein graues Kettenhemd, eine Halsgerbe aus geschwärztem Stahl, die an die Schuppen eines Fisches erinnerten, mit seinem persönlichen Wappen: eine schwarze Forelle.

Nur Beatrice konnte an seinem Alias nichts abgewinnen, zwar nannten ihn alle immer nur „Schwarzfisch", aber sie kannte ihn von klein auf als Brynden, welcher beiläufig anmerkte: „Wenn du möchtest, kann ich dir ein Zimmer freiräumen. Andere werden sicher...", „Auf gar keinen Fall.", fuhr sie ihm ins Wort, „Mach dir wegen mir keine Umstände, dafür hätte ich mein Erscheinen ankündigen sollen.", in Wirklichkeit hätte sie ein Zimmer hinter den vier Wänden von Schnellwasser präferiert, aber ihr Anstand verbat ihr dies und so nahm sie stattdessen Vorzug mit einem Zelt, welches hoffentlich nicht allzu fern von dem ihres Neffen lag. „Um ehrlich zu sein, habe ich mit deinem Kommen nicht gerechnet.", gestand er ihr, „Schließlich sind wir beide mit ihm im Streit auseinandergegangen.". Lady Beatrice entgegnete: „Und doch sind wir hier.", auch wenn sie ihn lieber unter anderen Umständen wiedergesehen hätte.

Beatrice glaubte, dass ihn der Tod seines älteren Bruders mehr zusetzte als er nach außen hin zeigte: „Ich bedaure deinen Verlust, Brynden. Er ist dein Bruder gewesen. Konntet ihr zumindest euren Streit beilegen?". Er zögerte und antwortet in gedämpfter Tonlage: „Hoster war zum Schluss hin kaum mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich glaube, dass er mir am Sterbebett vergeben hat, bevor er seinen letzten Frieden gefunden hat.", worüber Beatrice sichtlich erfreut war. „Schon seltsam.", dachte sie laut, „Wie uns der Tod letztlich zusammenführt.", ehe beide in Richtung des Götterhains bogen.

Das brachte Brynden auf einen anderen Gedanken und nahm zu diesem Thema kein Blatt vor den Mund: „Du weißt, dass es Wahnsinn gleicht, sich in diesen Zeiten auf eine solche Reise zu begeben.", aber Beatrice kannte seine geradlinige Haltung und erwiderte: „Ich glaube, dass Hoster für mich dieselben Mühen auf sich genommen hätte, wäre es meine Beerdigung gewesen.", „Es gleicht einem Wunder.", sagte er, „Nicht nur, dass du hier lebendig und in ganzen Stücken angekommen bist, sondern auch noch rechtzeitig. Die Beisetzung soll morgen stattfinden.", „Morgen schon?!", und ließ erschrocken von seinen Arm ab, „Wenn dem so ist, möchte ich noch mit deiner Familie sprechen. Würdest du mich zu ihnen bringen?".

Als sie in sein Antlitz schaute, das bereits von den Jahren gezeichnet war, entdeckte sie eine argwöhnische Besorgnis in seinen tiefblauen Augen: „Ich weiß nicht... lass mich wenigstens zuvor mit Cat reden.", „Glaubst du, sie weiß noch nicht, dass ich hier bin? Nach meinem Aufstand?", lachte Beatrice, „Ich bin sicher, dass sie nicht dieselbe Feindseligkeit wie ihr Vater gegen mich hegt. Es wäre wohl überholt, nach so langer Zeit weiterhin Zwietracht zu säen, nur weil Haus Dayn auf Seiten der Targaryens gekämpft hat.". Jedoch war Brynden alles andere als unbesorgt und sagte schroff: „Du weißt, dass das nicht der einzige Grund gewesen ist.", sodass ihr für einen Moment die Luft wegblieb und sie abgestoßen in den Boden schaute.

Ja, Beatrice kannte die wahren Begebenheiten, die ihr Verhältnis zu Haus Tully verschlechtert hatten, aber sie wollte diese Gerüchte, die sich um ihre Tochter Ashara rankten, nicht zur Aussprache bringen, da ihnen jeder Gehalt an Wahrheit fehlte. Erbost erklärte sie dem Schwarzfisch: „Ich kann nicht wahrhaben, dass du diesen Lügen deinen Glauben schenkst.", „Ich mache dir nichts zum Vorwurf und werde dazu keine Position beziehen.", teilte Brynden ihr behutsam mit, „Nur ich möchte Cat nach ihren Verlusten weiteren Kummer ersparen, sie trägt bereits genügend Last auf ihren Schultern.".

Lady Dayn fragte entsetzt: „Das bin ich also? Eine Last?", „Das habe ich nicht gesagt!", „Aber du wolltest es.", warf sie ihm vor, „Wenn meine Anwesenheit nicht erwünscht ist, trete ich liebend gern meine Rückreise an! Ich möchte wirklich keine Umstände bereiten...". Vor Aufregung konnte sie nicht stehenbleiben und brachte ihre Beine in Bewegung, die sie zum Götterhain tragen wollten. Und selbst nachdem so viele Jahre vergangen waren, kannte sie den Weg dorthin in und auswendig und würde den Schwarzfisch nicht länger brauchen, der ihr jedoch auf den Gängen hinterherlief und fluchte: „Du hast dich wirklich kein bisschen verändert! Wie immer kannst du keinen Moment zuhören und läufst wie ein kleines Kind davon, wenn dir etwas nicht passt!", „Das einzig kleine Kind bist du!", hielt sie ihm entgegen und bemerkte nicht, dass sie schon längst den Götterhain erreicht hatte. Mit erhobenen Zeigefinger blieb sie im Tor stehen und mahnte: „Im Gegensatz zu dir glaube ich nicht diesen Mähren, die betrunkene Männer in Roberts Rebellion erfunden haben! Und solange ich lebe, werde ich für die Wahrheit eintreten und diesen elendigen Gerüchten ein Ende bereiten! Das schwöre ich bei den Alten und den Neuen Göttern!".

Zu ihrem Missfallen hörte Brynden ihr längst nicht mehr zu und schaute konsterniert an ihr vorbei. Als auch sie ihm den Rücken zukehrte und zum Wehrholzbaum blickte, entdeckte sie dort einen jungen Mann, keine 20 Jahre alt, der die beiden wohl schon länger beobachtet hatte und mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf sie zukam. Fromm faltete Beatrice ihre Hände zusammen, in der Hoffnung, dass der Mann mit den vertrauen Gesichtszügen nicht den Inhalt ihres Gesprächs belauscht hatte. Es war nicht selten, dass sie sich in ihrer Rage vergaß, nur schien dies den jungen Herrn fast schon zu belustigen, als er erheitert sprach: „Ich wusste nicht, dass auch andere in Schnellwasser den Götterhain aufsuchen würden.". Bevor Beatrice das Wort ergreifen konnte, um sich zu erklären, sprach Ser Brynden: „König Robb, das ist Lady Beatrice Dayn. Sie kannte meinen Bruder von früher und ist zu seiner Beisetzung angereist.".

Auch Beatrice ereilte das Entsetzen über die Tatsache, dass sie dem König des Nordens gegenüberstand, weswegen sie sich ergebend vor ihm verneigte: „Entschuldigt, Eure Hoheit, ich habe Euch nicht sofort erkannt.", „Wie auch, wir sind uns zuvor noch nicht begegnet.", sagte er zu ihrer Verteidigung. Als ältester Sohn von Eddard Stark kam er zu ihrer Verwunderung ganz nach seiner Mutter, sein Gesicht glich noch dem eines Knaben, der er trotz seiner weisen Worte auch war, als er sie neugierig anschaute und fragte: „Tut mir leid, wenn ich das Frage, aber sind Sie mit Ser Arthur Dayn verwandt?". Eine Frage, die sie ihm nicht zur Last legen konnte und wohl in fast jeder neuen Begegnung erhielt, weswegen sie mit einem Schmunzeln antwortete: „Ja, er war mein Sohn.", sodass Robbs Augen zu leuchten begannen und seine Stimme einen kindlichen Ton gewann: „Mein Vater hat mir so viel vom Schwert des Morgens erzählt. Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen, Lady Dayn. Wie kommt es, dass Sie meinen Großvater kannten?". Beatrice antwortete peinlich berührt: „Nun, ich stamme ursprünglich aus Haus Schwarzhain und habe daher in meinen jungen Jahren oftmals Schnellwasser besucht. Hoster war ein langjähriger Freund der Familie. Für Euren Verlust möchte ich mein tiefstes Beileid aussprechen.", „Vielen Dank, doch Ihr kanntet Hoster mehr als ich je könnte. Meine Erinnerung reicht nicht so lange zurück wie die Eure, weswegen ich mit Euch fühle.", und jene glaubte, in dem Gesagten seinen Vater zu hören, sodass sie über das ganze Gesicht strahlte.

Zu ihrem Leideswesen meldete sich der Schwarzfisch zu Wort und bereitete der heiteren Unterhaltung ein jähes Ende: „Lady Dayn wünschte sich, den Götterhain aufzusuchen, um in Stille ein Gebet für meinen Bruder zu sprechen.", wofür Beatrice ihm im Moment den Hals umdrehen wollte, denn das Gebet hätte warten können, schließlich hatte sie die Gelegenheit erhalten, mit dem jungen Wolf zu sprechen, der jedoch in Verlegenheit geriet: „Wenn dem so ist, möchte ich Sie nicht länger aufhalten, Mylady.".

Gemeinsam mit seinem Großonkel verabschiedete er sich von Lady Dayn, die am liebsten den ganzen Tag mit ihm verbracht hätte. Sie schaute den beiden noch lange hinterher und fragte sich, ob sein Vater Eddard Stark jemals ein Wort von seiner Reise nach Sternfall verloren hatte, oder ob er dies wie ein gut behütetes Geheimnis mit ins Grab genommen hatte. Wahrscheinlich letzteres, denn ansonsten wäre sein Sohn, dessen Erinnerung ausschließlich bis zu Arthur Dayn reichte, ihr nicht mit dieser Offenheit begegnet.

Ein frischer Luftzug kitzelte ihre Wangen, als sie vorsichtig einen Schritt in den Götterhain von Schnellwasser setzte. Das Vogelgezwitscher, der Blumenduft und das Geplätscher der kleinen Bäche ließen sie für einen Augenblick all ihre Sorgen vergessen. Auf dem Weg zum Herzbaum durchquerte sie eine Allee aus großen, alten Ulmen, die Schatten vor der unbarmherzigen Sonne boten, welche sich während ihres Besuchs hinter dichten Haufenwolken versteckte. Langsam nahm sie vor dem altehrwürdigen Wehrholzbaum Platz, an dem sie bereits als Kind gehockt hatte und ihren Vater immer wieder gefragt hatte, wann sie endlich zum Räderturm gehen durfte, welcher von hier aus zu sehen war. In dieser Zeit hatte sie nichts mehr geliebt als das große Wasserrad zu bestaunen, wie das Wasser des Trommelsteins plätscherte und für aller Arbeit in der Burg genutzt wurde. Irgendwann hatte sie den Räderturm gemieden und keinen weiteren Schritt hineingesetzt, nachdem Hoster ihr gedroht hatte, sie ins Wasser zu werfen, wenn sie nicht endlich ihren Mund halten würde. Den Grund für ihre damalige Auseinandersetzung wusste Lady Beatrice nicht länger, es musste sich um eine Kleinigkeit handeln, wahrscheinlich hatte sie sich wieder keine Gedanken um ihre Worte gemacht und frei heraus gesprochen, wie ihr der Schnabel gewachsen war. Nur das mündete unmittelbar in weitere Konflikte und deren Ausmaße wurden ihr meist erst im Nachhinein bewusst, weswegen sie so eben ihre Wortwahl gegenüber Brynden bereute, ihren letzten Verbündeten aus Haus Tully, den sie mit ihrer scharfen Zunge auch noch verscheucht hatte.

Vor dem Wehrholzbaum, in dessen weiße Borke ein weinendes Gesicht geschnitzt war, erkannte Beatrice, dass es nicht von Vorteil war, in diesen Zeiten Verbündete zu verlieren. Ihr Besuch war dazu gedacht, Verbündete zu gewinnen, die sie in Haus Stark wissen wollte. Aber wenn es stimmt, dass Lady Catelyn nicht gut auf sie zu sprechen war, so konnte sie ihr Vorhaben für nichtig erklären. Ihre Feindseligkeit reichte zurück vor Robert's Rebellion, die ihren ersten Anfang im Turnier von Harrenhall nahm, als Prinz Rhaegar Targaryen nicht seine Frau, sondern Lady Lyanna Stark zur Königin der Schönheit ernannt hatte. Beatrice konnte es selbst bezeugen, da sie gemeinsam mit ihrem Gatten in die Flusslande gereist war und mit eigenen Augen miterleben musste, wie sich das Schicksal ihres Hauses in wenigen Tagen Schlag auf Schlag wendete:

Mit Begeisterung war Lady Beatrice nach Harrenhall gereist, um ihre Tochter Ashara wiederzusehen, die als Hofdame Prinzessin Elia gedient und wahrlich zu den schönsten Frauen am Hofstaat gezählt hatte. Deswegen war es nicht verwunderlich, dass sie von vielen Herrschaften, darunter namentliche Lords und Ritter, umgarnt wurde, und unter all den Feierlichkeiten hatte eben auch Eddard Stark mit Ashara getanzt. Dieser Tanz schien für manche genug Anlass zu sein, abstruse Geschichten zu spinnen und ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen, weswegen auch der Name ihrer Tochter einst in Winterfell gefallen war, als die Ehre von Lord Stark zur Debatte gestanden hatte.

Der Grund war wohl der Bastard-Junge namens Jon Schnee, den Ned Stark von seiner Reise aus den Süden mit nach Hause gebracht hatte. Beatrice konnte ihr nicht zur Last legen, dieses Kind nicht geliebt zu haben, schließlich wusste sie selbst, was es hieß, ein fremdes Kind großzuziehen, da sie einen Jungen aus der vorherigen Ehe ihres Mannes unterhalten musste und ihm niemals dieselbe Liebe wie die gegenüber ihrer eigenen Kindern entgegenbringen konnte. Nur war ihr zu Ohren gekommen, dass Lady Stark den Jungen verachtete, und mit ihm dessen Mutter, weil sie durch die Anwesenheit dieses unschuldigen Kindes tagtäglich an die Untreue ihres Gemahls erinnert wurde. Wie Beatrice Lord Stark kannte, hatte er jegliche Gerüchte um ihn und ihrer Tochter erstickt, aber das hielt Catelyn nicht davon ab, Ashara Dayn für ihr Unglück verantwortlich zu machen und einen Groll gegen Haus Dayn zu hegen.

Lady Beatrice wünschte sich ein Gespräch mit Catelyn, um ihren Streit beizulegen. Immerhin kannte sie ihre Mutter Minisa, mit der sie eine langjährige Freundschaft verbunden hatte. Nur kam Catelyn in ihrem Wesen gar nicht nach ihr, sondern war genauso nachtragend wie ihr Vater, weswegen sie von Brynden dazu angehalten war, sie nicht mit ihrer Anwesenheit zu schmähen und ihrem Zorn zu entgehen. Das passte nicht zu Beatrice, denn sie hatte noch nie einen Konflikt gescheut, geschweige wäre sie davon gerannt, obwohl ihr das der Schwarzfisch zum Vorwurf machte. Als ihr Onkel war er verständlicherweise darum bemüht, Catelyn in der Sorge um das Leben ihrer Kinder weiteren Kummer zu ersparen. Beatrice wünschte nicht einmal ihrem ärgsten Feind, den Tod des eigenen Kindes zu erleben, was sie selbst zweimal durchleben musste und zweimal steckte der ehrenhafte Eddard Stark dahinter, der einst vor ihrer Tür in Sternfall aufgekreuzt war. Auch er hatte keine Rücksicht auf sie genommen, als sie von ihm erfahren musste, dass Ser Arthur Dayn im Kampf vor dem Turm der Freude gefallen war.

Lady Beatrice musste schweren Herzens einsehen, dass das Misstrauen, das ihr die Menschen entgegenbrachten, gerechtfertigt war, denn nach Außen hin konnte sie Haus Stark nur hassen. Sie war zu einer Fremden ihres eigenen Landes geworden und so beschloss sie, den einzigen Menschen aufzusuchen, der ihr noch zu vertrauen schien.

Tytos erwartete sie bereits vor dem Eingang seines Zeltes, sie fiel ihm um den Hals und erklärte: „Das einzig Schöne an meiner Reise ist, dich wiederzusehen.". Sie hätte ihn von Anfang an begleiten sollen, um ihr den Ärger mit dem Schwarzfisch zu ersparen und diese peinliche Begegnung mit König Robb zu umgehen, aber wäre sie ihm dann überhaupt noch persönlich begegnet? Wohl kaum. Beatrice legte ihre Hände auf seine breiten Schultern und schaute in sein eingefallenes Gesicht: „Du hast abgenommen. Bekommst du ja genügend zu essen?", „Der Krieg hinterlässt seine Spuren.", setzte Tytos entgegen und führte sie in das Zelt hinein, „Aber wir kommen über die Runden. Andere scheinen nicht unser Glück zu teilen, Ser Gregor Clegane hat mit seinen Gefolgsleuten unzählige Felder im Schwarzhaintal verbrannt, wodurch die Ernte dieses Jahr mager ausfallen wird.", „Das ist vorrangig das Werk von seinem Lehnsherrn Tywin Lennister, ihm haben wir dieses Unglück zu verdanken.", schimpfte sie und nahm am gedeckten Tisch Platz. Zwar kannte sie den alten Löwen nur flüchtig über ihre Bekanntschaft mit Joanna Lennister, jedoch hatte sie ihn schon damals zu Hofe für einen skrupellosen Mann gehalten, dem man nicht über den Weg trauen konnte. Betrübt seufzte sie: „Reichen eure Vorräte noch aus?", „Solange Rabenbaum nicht erneut belagert wird, kann der Berg wegen mir noch weitere Felder verbrennen.". Tytos setzte sich zu ihr, um mit ihr eine Mahlzeit einzunehmen.

Als er ihren Kelch mit Wein befüllen wollte, legt jene ihre Hand auf die Öffnung und schüttelte den Kopf: „Ich trinke nicht zu dieser Tageszeit. Das betäubt meine Sinne.", „Wenn dem so ist, bleibt mehr für mich.", und er schenkte sich bis zum Rand ein. Beatrice wusste zwar, dass in diesem Moment Tytos zu ihr sprach, nur mit solchen Antworten glaubte sie manchmal, sein Vater würde ihr gegenübersitzen. Stutzig fragte sie: „Meine Männer sind wohl ausgeflogen?", „Das Kartenspielen hat ihnen nicht gereicht, beflügelt von der Neugierde haben sie Brynden und Lucas begleitet, um einen Schaukampf zu verfolgen.", antwortete Tytos, was sie sichtlich befremdete: „Reicht denn das Kämpfen auf dem Schlachtfeld nicht mehr?", „Nicht alle sind als Kämpfer geboren, manche müssen erst dazu gemacht werden.", worauf er auf sich selbst anstieß.

Beatrice kam auf seine Söhne zu sprechen: „Schon seltsam, wie die Zeit vergeht. Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, reichten sie mir gerade bis zur Hüfte und träumten noch davon, auf einen Drachen zu reiten.", „Abgesehen von ihrer Größe sind sie die gleichen Träumer geblieben.", und sie befürchtete, dass die beiden sie mittlerweile um zwei Köpfe überragten, denn die Mitglieder ihrer Familie erreichten alle eine beachtliche Größe, selbst die Frauen. „Ist Brynden immer noch so ernst?", „Wohl wahr, er nimmt seine Rolle als Erbe von Rabenbaum sehr ernst.", was seinen Vater nicht sonderlich erfreute, „Ich glaube, dass er in Wirklichkeit ein alter Greis, gefangen im Körper eines jungen Mannes ist. Deswegen versteht er sich auch sonderlich gut mit Maester Karsen.", „Maester Karsen... ich habe ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, ist er wohl auf?". Tytos schwenkte den Kopf: „Nun, er hatte dieses Jahr seinen 87. Namenstag, weswegen sich sein Alter bereits bemerkbar macht – sein Gang wird von Monat zu Monat schwerer, auch seine Augen werden schlechter, aber keine Sorge, er redet nach wie vor wie ein Buch.", „Zum Glück, denn wenn er nicht mehr sprechen könnte, würde eine Welt zusammenbrechen. Wir hatten einmal einen Maester in Sternfall, der hatte seine vordersten Zähne verloren. Ich sag dir, es war kaum zu ertragen, ihm zuzuhören, dafür ließ er mich Maester Karsen vermissen.", „Glaub mir, er scheint auch dich zu vermissen. Brynden wird nach der Beisetzung nach Rabenbaum zurückkehren, du könntest ihn dorthin begleiten und meiner Familie einen Besuch abstatten.", „Ich weiß das zu schätzen. Mittlerweile glaube ich, dass ihr die einzigen seid, die über meine Ankunft erfreut sind...", und dachte erneut an ihre Auseinandersetzung mit Brynden Tully.

Tytos lehnte sich zurück und warf ein: „Unsinn, der Schwarzfisch machte einen erfreuten Eindruck, als er dich auf der anderen Seite des Tores gesehen hatte.", „Das war er vielleicht, bevor wir uns gestritten haben.", fügte sie hinzu und überlegte doch noch zum Krug Wein zu greifen, um diese Auseinandersetzung in den Hintergrund ihres Gedächtnis zu verbannen. Ihr Neffe kam ihr voraus, griff nach der Karaffe und tat ihr den Gefallen, als er ihr ohne Aufforderung doch noch einen Schluck einschenkte, in der Hoffnung, ihre Zunge zu lockern und mehr zu den Umständen zu erfahren.

Dankend nahm Beatrice den Kelch an und nippte daran, während Tytos verlangte zu erfahren: „Ich dachte immer, dass du mit dem Schwarzfisch am besten ausgekommen bist.", zu seiner Überraschung verzog sie den Mund und stellte den Kelch zurück auf den Tisch. Sie hatte sich in ihren Jahren in Sternfall an den Starkwein aus Dorne gewöhnt, welcher eine süßliche Note besaß, die dem Wein in den Flusslanden völlig fehlte, sodass sie verbittert erklärte: „Damals war er nicht der Tor, der er heute ist. Er wollte mich nicht zu Lady Catelyn lassen wegen diesen unsäglichen Gerüchten um Ashara.". Tytos erkannte den Ernst in der Lage, aber ließ seine Tante ausreden, als sie sich eingestand: „Glaubst du, eine Begegnung mit mir wäre von solchem Ausmaß, dass es Lady Catelyn den Boden unter den Füßen wegziehen würde?".

Ihr Neffe blickte nachdenklich in seinen Kelch und suchte nach den richtigen Worten, woraufhin Beatrice enttäuscht vom Tisch aufstand: „Dein Schweigen ist Antwort genug. Ich wusste ja nicht, dass ich eine unerträgliche Furie geworden bin.". Trotzig verschränkte sie ihre Arme, sie rannte durch das Zelt und ihre Beunruhigung schlug sich in unschönen Sorgenfalten auf ihrer Stirn nieder, als er sich aus seinem Stuhl erhob und einen Gedanken einwerfen wollte, ehe draußen vor dem Zelt sein Name ertönte: „Tytos!".

Beatrice würde diese Stimme unter tausenden erkennen und auch ihr Neffe schien bereits das Unheil, das sich ihnen näherte, herbeizusehen. Entnervt legte er den Kopf in den Nacken, einer seiner Wachmänner namens Desmond lugte herein, aber sein Lord brauchte keine Aufforderung und befahl seiner Tante: „Bleib hier.", bevor er selbstbewusst aus dem Zelt marschierte. Währenddessen hielt sich Lady Beatrice in ihrem Versteck bedeckt und beobachtete durch eine Spaltöffnung am Eingang das Geschehen, als sich Jonos Bracken mit ausgebreiteten Armen ihrem Lager näherte und bereits aus der Entfernung den Eindruck machte, dass er nicht hier war, um Freundschaft zu schließen. In seinem Alter hatte er sich kaum verändert, abgesehen davon, dass eine kreisrunde Platte den Platz seines ergrautes Haar eingenommen hatte. Beatrice hatte sich vor ihrer Abreise versprochen, sich in Schnellwasser zu mäßigen und eine Konfrontation mit Jonos Bracken zu umgehen, und hoffte inständig, dass ihr Neffe den aufbrausenden Lord Bracken handhabte: „Lord Jonos, was für eine Überraschung, Sie zu sehen!", und bewahrte die nötige gehobene Distanz, die ein Bracken mit einem von Eifersucht zerfressenen Blick auf einen Schwarzhain niemals beherrschen würde.

Deswegen schoss Lord Jonos Bracken gleich zu Beginn seine ersten Giftpfeile ab: „Sie haben sich Zeit gelassen, zurück in unser Lager zu kommen.", „Ich bin verhindert gewesen, mein Familiensitz ist vom Berg belagert worden.", erklärte Tytos, „Aber mein Sohn Lucas hat ja die Stellung hier gehalten.", „Der Jungspund, der nicht einmal ein Schwert richtig führen kann, dass ich nicht lache!", verhöhnte er in Anwesenheit seiner folgsamen Anhängsel den Zweitgeborenen von Lord Schwarzhain, „Ich weiß ja nicht, in welcher Welt Sie leben, aber es wäre für uns alle besser, wenn Sie ihn nach Hause schicken würden. Das hier ist kein Übungsplatz, auf dem sich kleine Kinder austoben können.". Tytos setzte zu einem Gegenschlag an: „Wenn dem so ist, warum schicken Sie Ihre Söhne nicht hierher, um an unserer Seite zu kämpfen? Ach ja, ich vergaß, Sie haben ja gar keine, die das Erbe von Haus Bracken fortführen können.", „Sie täuschen sich gewaltig, mein Freund! Mein Junge Harry hat schon bald das richtige Alter erreicht, um Euren Knaben die Stirn zu bieten! Mal schauen, was dann noch von Haus Schwarzhain übrig bleibt...".

Aber die Gewalt seiner barschen Stimme nahm ab, als Lady Beatrice erhobenen Hauptes ihre Deckung verließ und im grellen Tageslicht zum Vorschein trat. Mit ihrem Eintritt in das Wortgefecht wollte sie seine Drohgebärden im Keim ersticken. Sie dachte sich: „Der Einzige, der sich täuschen lässt, sind Sie, Lord Bracken! Niemand würde sich so leichtfertig ein Kind unterjubeln, das Euch nicht einmal ansatzweise ähnlich sieht.", denn sie hatte gehört, dass er nach wie vor einen promiskuitiven Lebensstil verfolgte, den er selbst nach seiner dritten Ehe nicht niedergelegt hatte und ihm den Anschein vermittelte, einen Bastardjungen gezeugt zu haben. Aber anstatt ihm das vor den Kopf zu werfen, nahm sie schweigend ihren Platz an der Seite ihres Neffen ein, um gemeinsam ihrem langjährigen Rivalen entgegenzutreten.

Jedoch war Lord Jonos Bracken nicht auf den Mund gefallen, er legte seine Hände an den Gürtel und sprach erheitert zu seinen Gefolgsmännern: „Ich wollte nicht glauben, als ich es hörte, dass sie hier ist, aber dieses zänkische Weib findet ihren Weg in alle Lager von Westeros.", was Beatrice nicht überhörte: „Zumindest spring ich wenigstens nicht vom einen Nachtlager zum anderen. Wie geht es Eurer Gemahlin, Lord Jonos?", und sie spürte den verächtlichen Blick ihres Neffen auf sich ruhen, der ihr ermahnend zuflüsterte: „Reiß dich zusammen!". Nur ließ sich Lord Jonos nicht davon beeindrucken, langsamen Schrittes näherte er sich seiner Rivalin, wodurch Tytos seine Hand um den Griff seines Dolches legte und bereit war, diesen zur Not an seine Kehle zu legen. Im Gegensatz zu ihrem Neffen war Beatrice nicht alarmiert und besänftigte ihn mit einer unmerklichen Handbewegung, als Lord Bracken unmittelbar vor ihr zum Stehen kam und bedacht auf seiner Wortwahl zu ihr sprach: „Lady Bracken geht es hervorragend, sie ist in Steinheck und kümmert sich um unsere Töchter. Während Sie in den Flusslanden sind, wer kümmert sich um Ihre Tochter?", „Allyria ist 18 Jahre alt, sie kann sehr wohl auf sich selbst aufpassen. Meine Tochter hat Verständnis dafür, dass ich meinem langjährigen Freund Lord Hoster die letzte Ehre erweisen möchte.", „Natürlich, dennoch frage ich mich, wie Sie das mit sich selbst vereinbaren konnten. Es ist wohl kein Geheimnis, dass Euer Sohn sein Leben an der Klinge von Ned Stark gelassen hat. Umso mehr muss es Ihnen schwer fallen, hier Ihrem Feind zu begegnen.", „Sie täuschen sich, Lord Jonos. Haus Stark ist nicht mein Feind.", in Wirklichkeit stand ihr Feind ihr soeben gegenüber, aber das wollte sie ihm nicht sagen, sondern sie fuhr fort: „Ich gedenke dahingehend auch nicht lange in den Flusslanden zu bleiben, um Ihnen damit jeglichen weiteren Sorgen zu nehmen.".

Lord Jonos Bracken musterte sie von Kopf bis Fuß: „Das werden wir noch sehen.", und schenkte ihr zum Abschied ein schiefes Lächeln, ehe er sich ohne Weiteres entfernte. Beatrice atmete erleichtert auf und sie glaubte, ihn vorerst vertrieben zu haben. Nur Tytos teilte nicht ihre Ansicht und mahnte: „Jetzt hasst er uns erst recht.", „Soll er doch. Wir waren nie auf einem grünen Zweig mit ihm und werden es auch nie sein.", „Und das dank dir! Du hättest im Zelt bleiben sollen!", „Und dich mit ihm alleinlassen?", hielt sie ihm erzürnt entgegen, „Vielleicht nimmst du dir seine Worte nicht zu herzen, aber ich kann und werde keine weitere Beleidigung an Haus Schwarzhain dulden.", denn das verbat ihr Stolz als geborene Schwarzhain, die sie in den Augen von Jonos Bracken nach wie vor war.

Jedoch warf Tytos ein: „Ich nehme es sehr ernst! Und deswegen können wir uns in Zeiten des Krieges keine weitere Auseinandersetzung mit Haus Bracken erlauben!", „Darf ich dich daran erinnern, dass du vorhin den Weiterbestand seines Hauses in Frage gestellt hast?". Ihr Neffe hatte nicht weniger im Moment des Wortgefechts die Beherrschung verloren und zeigte auch Einsicht: „Ich weiß, dass das nicht sonderlich klug gewesen ist, aber wir gehören zu einer Armee und kämpfen gemeinsam im Krieg gegen den Eisernen Thron. Er ist nicht der Feind.", „Du unterschätzt ihn.", meinte Beatrice und ihre grazilen Hände schlüpften in ein Paar lederner Marderhandschuhe, „Das einzige, was Haus Schwarzhain und Haus Bracken im Moment zusammenhält, ist der gemeinsame Feind - und wenn dieser wegbricht, wird er die Gunst der Stunde nutzen, in der Haus Schwarzhain am schwächsten ist, und zu einem Schlag ausholen. Er war, ist und wird immer unser Feind sein.".

Haus Schwarzhain und Haus Bracken standen seit Jahrtausenden im Krieg gegeneinander, der trotz mehrfacher Versuche kein Ende nehmen wollte. Keine Verhandlung vor dem König der sieben Königslande zeigte einen langfristigen Erfolg, einzig und allein eine Eheschließung zwischen den beiden Häusern befriedete den Konflikt. Die Tatsache, dass ein Ehebündnis zwischen Jonos und ihrer jüngeren Schwester Alayne im Gespräch gestanden hatte, hinterließ in ihrem Mund einen bitteren Beigeschmack, wenn sie sich vorstellte, diesen garstigen Mann ihren Schwager nennen zu müssen. Aber zum Glück war dieser Plan im Sand verlaufen, wie alle anderen Versuche, den Streit der beiden Häuser zu schlichten. Beatrice wusste, dass dieser Konflikt nur ein Ende nehmen konnte und holte tief nach Luft: „Entschuldige mich...", bevor sie sich in Bewegung setzte. „Wo willst du hin?", verlangte Tytos zu erfahren, aber Lady Dayn hatte selbst noch nicht das Ziel ihrer Reise benannt und antwortete ihm: „Weit weg!".

The Walls Have Ears // Game of ThronesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt