„Maaaademoiseeeelle Margooo!", trug der kühle Küstenwind den grasbewachsenen Hügel hinauf, denn die Polizistin erklommen hatte, um sich einen ersten groben Überblick von der Insel zu verschaffen. Verwundert fuhr sie beim Klang der neuerdings vertrauten Stimme herum und sah zu, wie Smee mit vor Anstrengung heftig gerötetem Gesicht zu ihrem Standpunkt hinauf geeilt kam.
„Mister Smee", sagte sie ganz verwundert, als dieser keuchend vor ihr innehielt und sich mit den Händen auf den Oberschenkeln abstützte. „Was ist denn los?"
„G-G-Gefunden", würgte der Pirat zwischen zwei Atemzügen hervor. „Wir haben deinen Sohn Liam gefunden. Also eigentlich hat ihn Kapitänlein gefunden."
Margo brauchte einen Moment, um die Bedeutung dieser Worte vollständig zu begreifen, dann fiel sie dem Älteren freudestrahlend um den Hals und japste: „Ihr habt Liam gefunden? Wirklich? Geht es ihm gut?!"
„Nun, Ja und Nein", antwortete Smee und Margo ließ entsetzt von ihm ab und starrte ihm ernst ins Gesicht: „Wie meinst du das? Was ist mit Liam?!"
„Ehm, also so genau, können wir das noch nicht sagen", entgegnete Smee ausweichend. „Es ist nämlich ein bisschen kompliziert."
„Smee, jetzt sag mir doch endlich, was passiert ist!", verlangte sie von ihm und der Pirat kratzte sich unbehaglich den Nacken. „Ich denke, es wäre besser, wenn ich es dir zeige. Da, auf der anderen Seite ..." Und bevor Margo noch mehr Informationen aus ihm rauskitzeln konnte, steuerte er bereits die gegenüberliegende Steilküste an, wo Seevögel am Himmel kreischten. Margo folgte Smee mit einem unguten Gefühl und was sie sah, als sie neben dem nervösen Piraten am Klippenrand stand, bestätigte es. An sich hätte es ein schöner Ausblick sein können, um den einsetzenden Sonnenuntergang zu beobachten, wäre da nicht der gigantisch, zappelnde Reptilienkörper, der sich scheinbar in der Felsküste verbissen hatte und mit seinem umher peitschenden, schuppigen Schwanz das Wasser um ihn herum heftig aufwühlte. „Steckt er etwa fest?", fragte Margo unsicher und legte den Kopf schief.
„Wir glauben es, ja", seufzte Smee.
„Aber wie konnte das denn passieren?"
„Nun, laut der Meerjungfrau Mitena, hatte er es weniger auf den Felsen direkt, sondern mehr auf die Personen, die sich dort vor seinem Angriff in die schmale Felsspalte hineingerettet haben, abgesehen."
Wieder brauchte Margos Gehirn etwas, um die Bedeutung dieser Worte zu analysieren. „Smee ... willst du mir etwa sagen, dass mein Kind in dieser Felsspalte gefangen ist?"
„Korrekt. Zusammen mit Kapitänlein. Der Rest der Mannschaft ist schon dort und überlegt, wie wir sie retten können, aber der Spalt verengt sich oben sehr, da passt höchstens eine Fee hindurch. Und da du das Rätsel um Dollys Verschwinden so schnell gelöst hast, haben wir gehofft ...!" „Jaja!", unterbrach Margo ihn scharf. „Natürlich helfe ich euch! Beeilen wir uns und unterwegs kannst du mir nochmal ausführlicher erzählen, was überhaupt genau passiert ist!"
„Gern, Mademoiselle", erwiderte Smee, der nochmals tief Luft holte, bevor er zusammen mit Margo die grünende Klippenküste entlang sprintete.
*
„W-Was machen wir denn jetzt?", fragte ein schüchternes Stimmchen und Hook schaffte es endlich, den Blick von dem zappelnden Gaumenzäpfchen abzuwenden und den fremden Jungen, der ihm sofort seltsam vertraut vorkam, anzublicken. Liam schwamm neben ihm im Wasser und hielt sich mit einer Hand an der Steinwand fest. Er glich seiner Mutter wirklich bis aufs Haar, nur das ihres lockig war und seines glatt.
„Sehr gute Frage", erwiderte Hook, legte den Kopf in den Nacken und blickte empor. Der Felsspalt verengte sich über ihnen, bis nur noch ein schmaler Lichtschlitz übrigblieb, durch den ein wenig Sonnenlicht hineingelangte. Das war wirklich übel. Sie saßen in der Falle.
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Lost Boy_A Neverland Story
FanfictionIn London treibt ein mysteriöser Kindesentführer sein Unwesen, der seine Opfer nachts aus ihren Betten raubt. Detective Margo Darling setzt alles daran, den Täter zu fassen, doch es gibt kaum verwertbare Spuren. Keine Einbruchsspuren, keine Hinweise...