40 | Unerwartete Begegnungen

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Vielleicht hatte ich mir das ganze auch nur eingebildet und ich wurde nach dem ganzen Stress und den Warnungen von Adriano, paranoid.
„Ich habe aufgepasst. Oder hätte ich dich sonst angerufen? Du warst ganz bestimmt nicht meine erste Wahl, wenn es darum geht, mein Leben zu schützen. Das kannst du mir glauben!"
Ohne auf meine Worte überhaupt zu reagieren, drehte er sich um und verschwand durch das Tor seiner Werkstatt. Da ich selbst nicht wusste, wie ich mich jetzt verhalten sollte, lief ich ihm nach.
„Verrate mir eines. Und bitte verschone mich mit irgendwelchen Ausflüchten. Daran sind schon andere gescheitert. Du weißt offensichtlich mehr, als du zugibst. Warum bist du nicht einfach ehrlich und erzählst mir, was los ist."
Doch auch jetzt sprach er einfach nicht mit mir. Also gut, wenn er lieber schweigen wollte, werde ich meine Zeit hier nicht länger verschwenden. Ich verließ ohne weiteres die Werkstatt und lief zu meinem Auto rüber, als Adriano nun wohl doch noch seine Stimme wiederfand.

„Wo willst du hin?" Laut ertönte seine Stimme hinter mir, ohne, dass er sich auch nur einen Zentimeter in meine Richtung bewegte. Er machte mich wahnsinnig.
„Ich verschwende meine Zeit nicht mit einem übel launigen Typen, der offensichtlich Geheimnisse vor mir hat. Also werde ich gehen. Ciao!" Mal sehen, wie lang es dauern würde, bis er sich jetzt doch her bemühte ... In 3... 2... 1 ...
„Also gut. Komm wieder rein und ich sage dir, was ich weiß. Aber dann hörst du auf damit."
Männer waren in vielen Dingen einfach so durchschaubar und besonders meine lieben Landsmänner mochten es absolut nicht, wenn man sie einfach so stehen ließ.
„Geht doch! Warum nicht gleich so?"
Ein triumphierendes Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit, welches mir von Adriano nur Augen verdrehen, einbrachte.
„Wie kann es sein, dass so eine Nervensäge wie du, so viele Männer in ihren Bann zieht. Es ist mir wirklich ein Rätsel." Er lachte über seine eigenen Worte.
„Bist du etwa neidisch, weil du nicht ihre Aufmerksamkeit bekommst? Wir können gern mal ausgehen, dann stelle ich dir gern ein paar nette Typen vor."
„Was? Nein! Ich bin nicht -" Er war vollkommen irritiert und ich brach in schallendes Gelächter aus. Sein Gesicht lief knallrot an und es fiel mir wirklich nicht leicht, mich zusammenzureißen.
„Beruhige dich. Ich mach doch nur Spaß. Kannst du mir bitte endlich sagen, was hier vor sich geht?"

„Ich komme selbst aus dieser abgefuckten Welt, Emilia. Ich habe früher Geschäfte mit deinem Onkel gemacht. Daher kenne ich seine Handlanger mehr als nur gut. Und du solltest nicht allein durch die Straßen ziehen. Ich kenne deinen Onkel gut genug."
Da fiel mir auf, dass ich ihn nie nach seinem Familiennamen gefragt hatte. „Wie ist der Name deiner Familie?" An seiner Reaktion konnte ich sofort erkennen, dass er wusste, worauf ich hinaus wollte.
„Conti. Mein voller Name ist Adriano Conti." Und sofort machte es klick. Er gehörte selbst einer der Mafia Familien an. Nicht aus Catania, aber seine Familie war bekannt. Aber, was hatte sie nach Catania verschlagen?
„Deine Familie kommt aus Palermo. Wie zur Hölle kommt mein Onkel darauf, mit dir Geschäfte zu machen?"
Ich brauchte mehr Informationen, denn hier stimmte etwas ganz und gar nicht.
„Du bist darüber im Bilde, welche Geschäfte dein Onkel vorantreibt?", fragte er mich nun in einem Ton, als würde er gleich eine Bombe platzen lassen.
„Import Export.", antwortete ich ihm knapp. „Ja, so kann man das natürlich auch nennen. Er verkauft weltweit Waffen und Frauen. Er ist gefährlicher, als du wahrscheinlich annimmst."
Und damit hatte er vollkommen recht. „Natürlich! Er braucht die Firma, um neben seinen Waffengeschäften auch an alle anderen, an die er so nicht rankommt, die Sicherheitssysteme zu verkaufen. So ein Drecksack."
Ich war etwas geschockt von dieser Offenbarung und lief wie gesteuert auf und ab.
„Meine Männer und ich sind aus Palermo gekommen, um die Deals, die er tätigte, abzuwickeln. Transport, Übergabe und noch ein paar andere Dinge. Als er aber wollte, dass wir Frauen an widerliche alte Säcke in irgendwelchen Clubs verkaufen, habe ich die Zusammenarbeit beendet. Auch ich habe Grenzen."
Ich war vollkommen in Gedanken versunken und überlegte bereits, wie ich ihm ein Strich durch die Rechnung machen konnte. Gab es eine andere Lösung, als ihn zu töten? Mittlerweile war ich mir da nicht mehr sicher.
„Sind das alle Informationen, oder gibt es noch mehr Überraschungen, auf die ich mich gefasst machen muss?" Adriano musterte mich, als ob er meine Frage nicht verstand.
„Noch mehr? Ich denke, dass das genug ist, womit du dich rumschlagen musst. Und du solltest dich schnell darum kümmern, dass du Schutz hast. Wenn er schon seine Männer auf dich angesetzt hat, heißt das nichts Gutes!"
Mein Kopf arbeitete auf Hochtouren und ich musste gut überlegen, wie ich an diesen Schutz kommen würde. Meine Gedanken wurden in diesem Moment durch das Klingeln meines Telefons unterbrochen. Aurelio. Er fragte sich bestimmt, wo ich bleibe, denn ich hatte ihm bereits vor einer Ewigkeit geschrieben, dass ich auf dem Rückweg sei.
„Ich muss da ran. Danke! Mal wieder."
Ohne auf eine Antwort zu warten, entfernte ich mich von der Werkstatt um Aurelio's Anruf entgegen zu nehmen.
„Hey. Ich bin bald da. Mir ist noch was dazwischen gekommen. Ich bin bald zuhause."
„Ist alles in Ordnung, Emilia?", fragte er mich, als spürte er, dass ich ihm etwas verheimlichte. Ich konnte ihm das aber nicht einfach so am Telefon erzählen.
„Ja, es ist alles gut. Ich war noch eben bei der Werkstatt, wegen des Reifens. Ich wollte es nochmal überprüfen lassen."
Ich hoffte wirklich, dass er mir zumindest für den Moment glaubte.
„In Ordnung. Dann sehen wir uns gleich. Fahr vorsichtig."
„Immer. Bis gleich."
Ich beendete das Gespräch und stieg in meinen Wagen. Auf der Rückfahrt gab es diesmal keine Zwischenfälle. Vielleicht war es ja auch nur Zufall, dass der Wagen hinter mir war. Zumindest versuchte ich mir das für einen Moment einzureden.
Wieder im Apartment angekommen, stand Aurelio im Wohnzimmer und war wieder am Telefonieren. Als sein Blick auf meinen traf, gab er mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er gleich fertig ist. Ich nickte ihm zu und wollte mich schon einmal fürs Mittagessen mit seiner Schwester umziehen. Ich entschied mich für ein rotes Sommerkleid. Ich zog gerade mein T-Shirt aus, da tauchte Aurelio hinter mir im Spiegel auf.
„Da komme ich ja genau richtig." Er umarmte mich von hinten und und fixierte meinen Blick im Spiegel. „Ich könnte dich den ganzen Tag einfach nur ansehen und wäre der glücklichste Mann der Welt."
Mein Herz machte bei seinen Worten einen Sprung und das Kribbeln im Bauch ließ sich auch nicht ignorieren. Noch immer in seiner Umarmung gefangen, drehte ich mich zu ihm um und blickte ihm tief in seine strahlend blauen Augen.
„Was ist? Warum schaust du mich so an?"
Statt einer Antwort stellte ich mich auf meine Zehenspitzen und zog seine Lippen an meine. Ich brauchte seine Nähe. Er hob mich hoch und lief mit mir zum Bett, wo er mich behutsam auf die Matratze legte. Sein Körper direkt über meinem. Die Hitze machte sich sofort wieder bemerkbar.
„Wir können das Mittagessen auch absagen." Sein Grinsen verriet mir sofort, dass er lieber hierbleiben würde.
„Meinst du nicht, dass es unhöflich wäre, deiner Schwester abzusagen, weil du andere Dinge im Sinn hast?", neckte ich ihn.
„Unhöflich? Ganz bestimmt. Aber es wäre genauso unhöflich, ein Mittagessen, dich so vor mir liegend vorzuziehen."
Ich verstand absolut, was er meinte. Ich wollte es genauso. Ich wollte aber ebenso, dass seine Schwester nach dem Dilemma im Club, einen guten Eindruck von mir hat.
„Wir haben noch so viel Zeit, um all diese Dinge und noch viel mehr zu tun. Das verspreche ich dir." Gespielt dramatisch, ließ er seinen Kopf auf meine Schultern fallen und gab nach.
„Also gut. Wir gehen zu diesem Treffen." Allerdings brannte mir noch eine Frage auf dem Herzen. Ich musste sie loswerden, denn seine Familie kennen zu lernen, auch wenn ich seine Schwester schon flüchtig getroffen hatte, war etwas Großes für mich.
„Aurelio, eine Sache muss ich wissen. Auch, wenn es bestimmt noch zu früh dafür ist."
Seine Stirn legte sich sofort in Falten und ich erkannte augenblicklich diesen besorgten Blick in seinen Augen.
„Was beschäftig dich so sehr?", hakte er nach.
„Was ist das zwischen uns?" Jetzt war es raus und ich konnte die Worte nicht mehr zurücknehmen. Die Chemie zwischen uns sprach für sich selbst, aber ich musste es wissen. Denn, wenn es für ihn nur etwas Körperliches wäre, war ich mir nicht sicher, ob ich das könnte. Sofort entspannte sich alles an ihm.
„Das beschäftigt dich? Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, was es für mich ist. Für mich bist du die Frau, die ich an meiner Seite haben will. Die ich an meiner Seite brauche. Du bist mein, Tesoro. Soll nur ein Mann es wagen, sich dir so zu nähern, wie ich es tue. Das würde nicht gut für ihn enden." Er legte mir eine Hand auf die Wange und legte seine Lippen nah an meine.
„Du bist mein, so wie ich dein bin, Tesoro!" Mein Herz sprang mir fast aus der Brust und ich konnte nichts anderes tun, als ihn erneut an mich zu ziehen und zu küssen. Jetzt war ich es, die dieses Mittagessen absagen wollte.
Aber da mussten wir jetzt durch. Ich schob ihn sanft von mir weg.
„Bevor ich es mir jetzt noch anders überlege, ziehe ich mich besser um und dann können wir los."
Mein Grinsen war nicht zu übersehen und ich war glücklich. In diesem Moment war ich einfach glücklich und genoss es in vollen Zügen.
„Gut, dann wollen mir mal sehen, was meine Schwester von uns will. Ich warte im Wohnzimmer auf dich." Zog er mich erneut an sich heran, gab mir einen Kuss auf die Stirn und ging aus dem Zimmer.
Ich hatte mich schnell umgezogen und meine Haare zu einem Zopf gebunden. Die Fahrt dauerte nicht lange, denn wir trafen uns in der Stadt. Aurelio ließ es sich natürlich nicht nehmen, direkt vor dem Restaurant zu parken.
Er stieg aus und lief schnell ums Auto herum, um mir charmant wie er nun mal ist, die Tür zu öffnen. Er reichte mir seine Hand, die er auch nicht losließ, als ich bereits ausgestiegen war. Er wollte, dass alle sahen, dass wir zusammengehörten. Und ich es war ein schönes Gefühl, dass er so stolz darauf war, mich an seiner Seite zu haben. Ich war es auch.

Hand in Hand liefen wir zum Eingang und als Aurelio den Kellner informierte, dass für uns reserviert war, bat er uns, ihm zu folgen. Seine Schwester sei schon da und hatte auf der Terrasse Platz genommen.
Am Tisch angekommen traute ich meinen Augen nicht. „Hast du davon gewusst?"
Geschockt blickte ich Aurelio an, der anscheinend selbst keine Ahnung hatte, dass seine Schwester in Begleitung kommen würde.
„Ciao, belleza! Wie schön dich zu sehen." Sichtlich genervt von seinem Auftritt, zog ich Aurelio zu unseren Stühlen, dem diese Situation genauso wenig gefiel wie mir.
„Luca! Dich hatte ich nicht hier erwartet."

Kapitel 40
Als wir unsere Plätze einnahmen, sprach erstmal keiner von uns. Aurelio hielt immer noch meine Hand fest und das nun fester als zuvor.
Ich spürte, wie angespannt er war. So ging es mir allerdings auch. Ich war davon ausgegangen, dass seine Schwester zu treffen, schon ein großer Schritt war, aber nun mit einem der Brüder am Tisch zu sitzen, die mich hintergangen haben, ist eine neue Herausforderung.
„Ihr zwei also? Was eine schnelle Entwicklung.", fixierte Aurelio die beiden, die uns gegenüber saßen. Seine gute Laune war definitiv verflogen. Und ich konnte es ihm nicht verdenken. Ich wollte auch nicht hier sein.
„Das Gleiche kann man von euch auch behaupten. Nicht wahr, belleza?"
Grinsend sprach Luca nun direkt mit mir. Wollte er mich grad komplett verarschen? Wenn das sein Weg war, die Wogen zu glätten, ging sein Plan absolut nach hinten los.
„Was willst du von mir Luca? Ich habe dir nichts zu sagen und du weißt genau warum,"
Isabella saß währenddessen ganz entspannt da, nippte an ihrem Glas und begutachtete das Schauspiel.
„Was soll dieses Drama hier eigentlich? Ich dachte, wir wollten uns zum Essen treffen?"

Remember my Name - Emilia d'Amico | Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt