Kapitel 1. - Die Wiedergeburt

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Schwach pulsierte das Licht der kleinen Seele, die sie vor sich hatte. So viel Leid und Schmerz hatte sie ertragen, so viel Qual erdulden müssen. In ihren Händen zitterte sie noch, einem zarten Vög'lein gleichend, den sie vor den gierigen Krallen einer Katze gerettet hatte – und das hatte sie doch, oder nicht? Vor dem Fegefeuer, in die sie hineingeworfen worden war. Wiedergeboren? Nein, das hätte dieser armen Kreatur nicht zugestanden – doch sie, gütig wie sie war, hatte andere Pläne mit ihr. Sie, die doch Erbarmen mit diesen gepeinigten Seelen der Menschen hatte, die ihresgleichen solch' schreckliches Leid antaten und sie auf den Scheiterhaufen warfen wie Abfall! Sie nahm sie bei sich auf und behandelte sie wie ihre Kinder, machte sie zu ihren Kindern. Liebevoll streichen die zarten Finger der blasshäutigen, jungen Frau über die Seele, hob sie an die ebenso blassen Lippen, in der keinerlei Blut zu fließen schien und der helle, warme Schimmer begann zu verblassen. Stattdessen färbte er sich nach und nach immer dunkler, nahm eine Farbe an, die an verdorbenes Blut erinnerte. Immer intensiver begann sie nun wieder zu pulsieren, einem Herzschlag ähnelnd, mehr und mehr, immer stärker und stärker. „Mein süßes, liebes Kind..." hauchte eine Stimme, die weder Kind noch Frau gehörte, lieblich, sanft und doch boshaft, während die zarte Gestalt sich langsam von dem steinernen Thron, auf dem sie gesessen, langsam erhob und einige Schritte tat. Einige abstrakt wirkende Gestalten, mit Haut so hell und blass, wie das frisch gefallener Schnee, doch zugleich wirkte ihr Körper so dunkel und schwarz wie Pech, aus dem sie wohl geboren worden waren. Mit raschen, tippelnden Schritten näherte sie sich einem zerborstenen Steinpodest, kniete dort nieder und legten etwas so behutsam auf den Boden davor in die schimmernde, blutende Erde, als könne es bei der kleinsten Erschütterung zerbersten, zerbrechen und doch war es nichts weiter als ein Klumpen rohen, blutigen Fleisches. Ein dünnes, jedoch von Dankbarkeit gezeichneten Lächelns zierte das anmutige Gesicht der Frau, die sich mit langsamen, fließenden Schritten auf den Fleischklumpen zubewegte. Ihre weiße Robe floss elegant um ihre zarte, mädchenhafte Gestalt die noch keinerlei frauliche Rundungen aufwies. Flatterte bei jeder ihrer Bewegungen. Ebenso das lange, rabenschwarze Haar, welches einen starken Kontrast zu ihrer blassen Haut gab.

Kaum war das abstrakte Gebilde erreicht, streckte sie behutsam die Hände danach aus, umfasste es so liebevoll, behutsam und mit äußerster Bedachtheit mit den Händen, um es an ihre Lippen zu führen welche sich in lautlosem Flüstern bewegten. Unter diesen tonlosen Worten schien die Seele ihren ehemaligen, rein weißen Schimmer nun gänzlich zu verlieren und stattdessen immer intensiver zu pulsieren. „Du bist sehr aufgeregt, nicht wahr?" hauchte sie sanft und strich behutsam über den Schein der Seele und es wirkte nun so, als würde sie ihr antworten, doch nur sie allein konnte die Worte hören, den sie nickte knapp, lächelte behutsam, fast schon mütterlich. „Es ist bald so weit, mein Kind... bald... hab noch ein wenig Geduld... dann kann ich dich in meine Arme schließen..." wisperte sie, legte ihre Lippen mit mütterlicher Zärtlichkeit gegen den Seelenschein, ehe sie diese in das Innere des Fleischfetzens verschwinden ließ der sogleich begann, sich zu verändern. Nicht sofort sichtlich, doch mit jedem Wimpernschlag, der verging, jedem Herzschlag. Stück um Stück, immer ein klein wenig mehr.

Mit einem freudigen Lächeln, welches ein Kind auf den Lippen trug, erwartet es eine wirklich wundervolle Überraschung. Dann, in einer fließenden, leichten Bewegung erhob sich die zarte Gestalt. Sie setzte sehr viel in dieses Kind. Hoffnung, große Erwartungen. Es sollte ihre wohl größte Schöpfung werden. Ihr bestes, ihr schönstes Werk! Ihre perfekte Kreation! Ihr Ebenbild! Oh, wie traurig würde sie wohl sein, sollte es sie enttäuschen, hm?

Anders als ihre misslungenen den missratenen Kindern, welche sie zuvor geboren hatte– doch keines davon sollte es jemals kennen lernen... sie alle waren vernichtet worden... sei es durch die Hand der Menschen oder gar durch die Eigene...

Nein, sie wollte in diesem triumphalen Augenblick gar nicht darüber nachdenken, den gerade in diesem Moment sprühte ihr Herz nur so vor Liebe und Zuneigung, voller Stolz, für dieses Geschöpft, das dort geboren werden würde, dass sich aus einem Stückchen Fleisch heraus entwickeln würde. Mit ebenso eleganten Schritten wie zuvor, kehrte sie auf ihren Thron zurück, ließ sich auf diesen nieder sinken und überschlug die schlanken Beine übereinander, stützte den Kopf auf einem Arm ab, den Blick dabei stets auf ihrem Kindlein ruhend, welches alsbald die Augen öffnen und seine ersten Schritte tun würde... Sie konnte es kaum mehr erwarten, ihn endlich in seine Arme zu schließen – ja, es war gewiss, dass sie einen wunderschönen Jungen zur Welt bringen würde, das hatte sie beschlossen! Doch in dieser Welt war das Geschlecht ohnehin unerheblich, nicht wahr? Denn obgleich ihr Körper, der einer Frau zu gleichen schien... nun... war es doch unerheblich... konnte sie doch sein, was auch immer sie wollte... was auch immer ihr Gegenüber begehrte... so war das mit den Dämonen... mir den Kreaturen der Hölle...

Kind des WahnsinnsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt