Der Sheriff

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Der erste Oneshot führt uns in den "wilden Westen" der USA, anno 1908.Zu der Geschichte möchte ich anmerken, dass sie im Rahmen einer Schreibchallenge (etwa Juli 2023) entstanden ist. Die Aufgabe war: „Schreibe aus Sicht eines Sheriffs, dessen treuer Begleiter seine Smith & Wesson (Schusswaffe) ist." 

Der hiesige Protagonist hat allerdings keine Vorstellungen oder Berührunspunkte mit den Dingen des Übernatürlichen. Daher könnte man streng genommen sagen, dass die Story hier nicht reinpasst - aber ich mag gerne, also ist sie da. :D )

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Navasota, Texas – 1908

Die staubigen Straßen Navasotas lagen leer und verlassen im ersten Licht des Tages. Niemand wollte an diesem Sonntagmorgen noch vor Sonnenaufgang vor die Tür treten. Nicht, solange das Licht die Nacht noch nicht aus den Straßen und Gässchen der kleinen Stadt vertrieben hatte.

Wirklich Niemand?

Fast niemand.

Gerade hatte eine einsame Gestalt auf einem schwarzen Hengst das hölzerne Ortseingangsschild der kleinen Stadt passiert. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch keiner, dass diese Gestalt die Geschicke des Ortes in den nächsten zwei Jahren grundlegend ändern würde.

Frank zügelte seinen Rappen und schob die breite Hutkrempe ein Stückchen höher, um einen besseren Blick auf die Stadt zu bekommen. Seine Stadt. Noch wussten die guten Bürger Navasotas nichts von ihm. Doch er hatte vor, das zu ändern. Bald.

Mit einem Zungenschnalzen trieb er seinen Hengst zu den letzten Metern an. Doch sein Pferd wollte nicht, wie er wollte. Es scheute und tänzelte nervös auf der Stelle.

„Hooo – Großer", murmelte Frank dem Tier beruhigend zu und tätschelte ihm dem Hals. „Was ist denn los?"

Da hörte er, was sein Pferd schon lange vor ihm bemerkt hatte: Das verräterische Knarren eines alten Holzkarrens, der mitsamt alten, klapprigen Esel aus einer Gasse heraus in die Hauptstraße einbog. Automatisch zuckte seine Hand zu der Smith & Wesson an seinem Gürtel. Doch dann schallt er sich einen Narren.

Er war hier, um ein neues Leben anzufangen – und alte Gewohnheiten hinter sich zu lassen. Seine Ma hatte ihn davon überzeugt. Also zwang er sich dazu, die Hand wieder zu senken.

Stattdessen musterte er den weißhaarigen, völlig in schwarz gekleideten Mann, der das einsame Gefährt begleitete. Mit einem leisen Zungenschnalzen gab er seinem Pferd die Sporen und holte im leichten Trab zu dem Alten auf. „Guten Morgen, Sir!"

Überrascht schaute der schwarzgekleidete Mann auf. „Oh. Ein neues Gesicht. Was treibt euch so früh durch diese Stadt im Nirgendwo?"

Frank lächelte und glitt geschmeidig vom Rücken seines Pferdes herunter. Er fand es unhöflich, von oben herab mit dem Alten zureden. „Geschäftliches. Und euch?"

Der Andere grinste ein Lächeln voller Zahnlücken. „Geschäftliches." Dabei klopfte er vielsagend auf den Karren, dessen Fracht nur lose mit einer groben Wolldecke abgedeckt war. Zwei Schuhe schauten am unteren Ende heraus.

Franks Augenbrauen hoben sich überrascht. Jetzt wusste er, warum sein Pferd so reagiert hatte. Es mochte keine Toten. „Gott sei seiner Seele gnädig. Wer war der arme Hund?"

„Das? Der junge Turner. Hat sich gestern mit Cotton Eye Joe angelegt. Ging wohl nicht gut für ihn aus."

Cotton Eye Joe. Dummer Name. Frank musterte den Karren wieder mit zusammengekniffenen Augen. Unbewusst glitt seine Hand abermals zu dem Revolver an seinem Gürtel. Den Namen würde er sich trotzdem merken. „Und was ist passiert? Mit Turner und - Cotton Eye Joe?"

Der Alte wackelte fast schon beunruhigend schnell mit dem Kopf hin und her. „Ohhhhh - das kann ich nicht genau sagen, Mister. Ich zieh' nur jeden Sonntag Morgen einmal durch die Stadt und schaue, ob die letzte Nacht was über gelassen hat. Das ist mein Sonntagsspaziergang, wenn Sie verstehen?"

Frank lachte. Ja. Er verstand. „Einer muss wohl aufräumen."

Bei der Texas Ranger Division hatte er ähnliche Gewohnheiten gepflegt. Nur waren es da Nachtspaziergänge gewesen. Und freilich hatte er mehr zu jenen gezählt, die etwas „übergelassen" hatten, nicht zu jenen, die hinterher aufräumten. Aber zwei Jahre bei den „Los Diablos Tejanos" waren lange genug. Das wollte er hinter sich lassen. Seiner Ma zuliebe.

„Um beim Thema zu bleiben", setzte Frank noch mal an. „Wen muss ich denn fragen, wenn ich ein bisschen mehr über die letzte Nacht wissen will?"

Schaffe am Morgen, schlaf Mittags ohne Sorgen' - sagte seine Ma immer. Sie war eine kluge Frau, denn Mittags konnte verdammt heiß werden, hier in Texas.

Die Augen des Alten verengten sich misstrauisch. „Am besten fragen Sie da Billy. Im Saloon. Der war wohl dabei. Aber ein gut gemeinter Rat, junger Mann: Passen Sie auf sich auf. Cotton Eye Joe ist einer der Gründe, warum wir unsere Frauen und Kinder nicht mal tagsüber nach Downtown lassen, wenn es nicht sein muss."

Zugegeben: Das klang nicht danach, als würde er seine alten Gewohnheiten wirklich aufgegeben müssen. Bedauerlich. Sehr bedauerlich.

Frank grinste.

„Danke, guter Mann. Aber ich bin vierundzwanzig Jahre alt." Der Neuankömmling zwinkerte dem Alten frech zu. „Ich kann auf mich aufpassen." Dann musterte Frank seinen Gegenüber in der schwarzen Kluft erneut, während er den Kopf seines Pferdes beiseite schob, als dieser sich seiner Jackentasche näherte, immer auf der suche nach einem Zuckerstückchen „Dann sind Sie der örtliche Bestatter?"

Der Alte tippte sich an die Stirn. „Kluges Köpfchen haben Sie da."

Der junge Mann nickte dankend für das Lob. „Man tut, was man kann. Klingt, als wäre viel zu tun, die Tage?"

Der Bestatter wackelte abschätzend mit dem Kopf. „Viele Schießereien. In den letzten zwei Jahren hatten wir wohl um die hundert Tote. Deshalb hab ich mir meinen Sonntagsspaziergang angewöhnt. Is' aber auch ein Kreuz, sag ich Ihnen. Seit sie den letzten Sheriff über den Haufen geschossen haben, will keiner mehr den Job machen."

Wieder strichen Franks Fingerspitzen fast schon liebevoll den Griff seiner Smith & Wesson entlang. „Gut, dass sich das jetzt ändert."

Der Alte schaute einen Moment belämmert. Dann lachte er. „Es freut mich, sie kennenzulernen, Sheriff-?"

„Hamer", ergänzte Frank und tippte sich an die Hutkrempe.

„Sheriff Hamer."

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Jaaaa - das war sie schon: Meine kleine Westernstory! <3

Aber weil mir der Punkt „Lesen bildet" ja wichtig ist, will ich hier noch ein paar Infos über den historischen Kontext loswerden - für alle, die es interessiert:

Francis August „Frank" Hamer war tatsächlich einer der bekanntesten und erfolgreichsten Texas Ranger. (Das ist eine bis heute aktive texanische, staatlich anerkannte, polizeiähnliche Organisation.) Er war sogar so gut, dass man ihn für die Jagd auf Bonny und Clyde aus dem Ruhestand zurückbeorderte. Und auch diese Aufgabe hat er mit (traurigem) Erfolg zu Ende gebracht. Allerdings wird ihm eine gewisse Schießwütigkeit nachgesagt.

Das hier angesprochene Städtchen Navasota stand zwischen 1908 und 1911 tatsächlich unter Hamers Aufsicht. Bevor er kam, war es laut Wikipedia auch für die normale Zivilbevölkerung ein gefährlicher Ort. Als er ging war es eine gesetzliche Vorzeigestadt. Für ihn steht haben sie sogar eine Statue errichtet. Aber wie genau er "das Recht durchgesetzt" hat, bleibt Interpretationssache. ^^''

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