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*nächster Morgen*
Wir haben gestern noch ein paar Minuten zusammen gesessen und geredet. Über viele Sachen. Die meisten gingen natürlich um Sina.
Andreas sitzt am Steuer. Ich mit Mama auf der Rückbank. Wir sind auf dem Weg zum Heim.
,,Jetzt sind wir das letzte mal zu dritt hier im Auto.", sagt Andreas, als er eingeparkt hat. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass wir schon länger hier stehen.
,,Bereit?", fragt Andreas und schaut uns erwartungsvoll an. ,,Bereit.", erwidern Mama und ich gleichzeitig und müssen leicht lachen.
Dann steigen wir aus und gehen in Richtung des Gebäudes. Andreas hält uns die Tür offen und wir treten hinein. Einmal noch kurz durchatmen. Dann gehen wir in den Raum.
Da sitzt sie. Noch nichts wissend. Nichtsahnend. Unsere Schwester.
*Sicht Chris Ende*
*Sicht Sina*
Ich sitze auf meinem Bett und summe etwas vor mich hin. Gedankenverloren stehe ich auf und gehe zum Regal, wo mein Tagebuch liegt. Naja, es ist mehr ein Buch, wo ich meine Ideen sammeln und aufschreibe.
Ich schreibe einfach das auf, was in mir vorgeht, woran ich denke, oder was ich fühle. Irgendwann füge ich es zu sinnvollen Sätzen und Reihenfolgen zusammen. Daraus entstehen dann meine eigenen Lieder.
Niemand weiß, dass ich gut singen kann. Ich noch nie vor jemandem gesungen. Möchte ich auch nicht.
Zwischendurch muss ich mich immer wieder an gestern Abend erinnern. Ich spüre diese ekelhaften Hände immer noch an mir. Die Bilder gehen mir nicht aus dem Kopf. Aber da ist noch etwas, was mir einfach nicht aus dem Kopf gehen will; Andreas und Chris.
Warum wollten sie unbedingt noch zur Leiterin? Was haben sie da gemacht? Warum wussten sie, dass ich im Heim wohne? Warum haben sie sich so komisch verhalten.
Ich kann nicht beurteilen, was bei den beiden komisch ist. Ich kenne sie nichtmal 1 Woche oder so. Im Prinzip sind sie auch Fremde.
Fremde, denen ich vertraue.
Ich schüttele den Kopf. ,,Nein, hör auf mir das einzureden!", meckere ich mit meinem Verstand.
Es ist aber so.
Wieder schüttele ich den Kopf.
Ich setze mich wieder auf mein Bett und schaue aus dem Fenster.
Es klopft. ,,Herein?", frage ich vorsichtig. Die Tür öffnet sich und Anna steht im Raum. ,,Sina. Es ist soweit.", kommt nur von ihr. Ich reiße meine Augen auf. Ist es das, was ich meine, was es ist!?
Ich springe aus meinem Bett. ,,Was ist soweit?", hake ich schnell nach. Sie lächelt mich an. ,,Es ist Zeit, "auf Wiedersehen" zu sagen.", ich schaue sie ungläubig an. Mit einer Mischung aus Trauer, aber riesigem Glück. ,,Ich...Ich wurde...?", ich versuche die Frage zu formulieren, aber kann sie nicht zu Ende bringen. ,,Nein, du wurdest nicht adoptiert.", ich atme enttäuscht auf.
Warum habe ich mich so gefreut? Ich werde nie mehr von hier wegkommen.
Vielleicht geht Anna ja aus dem Dienst oder so...
Mein Blick ändert sich von glücklich zu traurig. ,,Ich glaube, es ist noch viel besser.", fügt sie nach ein paar Sekunden hinzu. Ich schaue wieder auf. Etwas verwirrt, aber neugierig.
,,Deine Mama wartet unten auf dich. Mit deinen Brüdern.", Mir steigen Tränen in die Augen. Mein Herz beginnt zu rasen. ,,Meine Mama? Meine leibliche Mama? Ich habe Brüder? Geschwister?", wiederhole ich. Sie nickt nur und lächelt.
Dann öffnet sie die Tür ganz. Zum Vorschein kommt eine etwas ältere Frau, die mir sofort symphatisch ist.
Als sie mich sieht, werden ihre Augen ganz glasig. Meine füllen sich auch erneut mit Tränen.
,,Meine Kleine Sina.", haucht sie. Dann kommt sie auf mich zu und umarmt mich. Ganz fest. Ich spüre so viel Liebe und Geborgenheit, die ich bis jetzt noch nie gespürt habe. ,,Mama.", schluchze ich. ,,Es tut mir so leid, meine Kleine...Es war ein zu großer Fehler...Ich...", fängt sie an. Ich schluchze nur und nicke. ,,Es ist okay. Es ist okay...Okay...", zwischen den Worten muss ich schluchzen. Mama weint ebenfalls.
Mama. Meine Mama. Ich habe Familie.
Ich beginne zu lächeln. Nicht gezwungen, von Herzen.
*10 Minuten später*
,,Lass uns runter gehen.", schlägt Mama vor. Wir nicken. Mit langsamen Schritten gehen wir die Treppe runter. Meine Tasche in der rechten Hand.
Ich werde nie wieder hierhin kehren. Endlich. Ich habe es geschafft.
Wir verabschieden uns nur noch von der Leiterin und anderen. Dann schließt sich die Tür hinter uns. ,,Bist du schon gespannt auf dein Zuhause?", lächelt mich Mama an. ,,Und wie...Aber das wichtigste bist du. Dass ich dich habe.", lächele ich zurück. Sie nimmt mich in den Arm. ,,Womit habe ich dich nur verdient.", lacht sie leicht. Ich tue es ihr gleich.
,,Da hinten. Da warten deine Brüder.", sagt sie. Ich reiße die Augen auf. Stimmt. ,,Ich hab Brüder?", frage ich noch einmal. Sie nickt. ,,Ja, sie sind 41 und 37 Jahre.", ich nicke.
Ich bin aufgeregt. Noch aufgeregter als zuvor. Bei jedem Schritt werden meine Knie weicher und weicher. Fast beginne ich schon zu zittern. ,,Da, da sind sie.", sie zeigt in eine Richtung. Ich schaue suchen dort hin. Doch, als sich unsere Blicke treffen, kann ich nicht glauben, wer da steht. Nein, das ist eine Fata Morgana. Eine Einbildung.
Dort stehen Andreas und Chris.

My Brothers🦋💎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt