Mir war unklar, warum genau ich ausgesucht wurde, aber anscheinend hat die Sonnengöttin heute einfach keinen guten Tag mit mir gehabt. Ich wusste, nachfragen würde nichts bringen, so sehr, wie Otis es betont hatte. Also musste ich wohl oder übel mit dem Gedanken leben, jetzt zu gehen.
Ich erhob mich und versuchte zu lächeln, aber einzelne Tränen begannen bereits, meine Wangen herunter zu rinnen. Meine Mutter sah mir traurig entgegen, aber machte keine Anstalt, sich zu erheben oder sich auch nur mit Worten von mir zu verabschieden. In diesem Moment brach mein Herz in Millionen Teile, denn ich wusste, ich werde sie heute mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit das letzte Mal sehen. Ich versuchte mit jeder Sekunde, die verstrich mir ihr Gesicht noch ein letztes Mal einzuprägen. Die hohen Wangenknochen, schmalen, schon leicht blassen Lippen, die kleinen Falten neben ihren Augen und vor allem ihre gütigen blauen Augen. Ich werde sie vermissen, das war klar. Otis räusperte sich verhalten und auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, war das mein Zeichen, meinen geliebten Stamm zu verlassen. Für immer.
Ich wollte den Raum langsam verlassen, wie es aus Respekt gegenüber den Ahnen eigentlich veranlasst wurde, aber das Gefühlschaos in mir ließ dies nicht zu. Ich stürmte regelrecht aus der Tür hinaus und stolperte die Treppen herunter. Immer mehr Tränen liefen meine Wangen herunter und mein Sichtfeld verschwamm. Mein ganzes Leben lang wollte ich immer nur in diesem Dorf leben. Vielleicht irgendwann dem Rat angehören, einen tollen Mann kennenlernen und heiraten. Aber jetzt? Jetzt war ich gezwungen, all das hinzuschmeißen und in den Palast des Kaisers zu reisen, um irgendeinen Bruder von Otis aufzusuchen, der angeblich unsere Welt retten kann. Der Rat hatte mir nicht einmal gesagt, wovor wir alle denn so dringend gerettet werden mussten und die eingeschnappten Worte von früher halfen mir auch nicht gerade weiter.
Ich ging geradewegs zu dem Stall neben unserer kleinen Hütte und wurde von Arwin erwartet. Mein Bruder sah genau wie meine Mutter bedrückt aus, aber sobald er mich erkannte, lief er auf mich zu. Seine starken Arme nahmen mich noch ein letztes Mal in eine enge Umarmung auf, ehe er, ohne einen Ton zu sagen, mir eine Tasche reichte, meinen Mantel und den Gürtel mit meinen beiden Dolchen. Ich schluckte schwer und nickte ihm nur dankend entgegen. Seine Umarmung hatte für mich mehr gesagt, als tausend Worte es je könnten und auch wenn sie mir den Abschied nicht leichter machte, so fühlte ich mich doch ein wenig gestärkter.
Arwin stand ruhig neben mir, als ich mein Pferd aus dem Stall holte und aufstieg, denn gesattelt war es schon. Vermutlich auch das Werk meines Bruders. Innerlich war ich ihm dankbar dafür, denn hätte ich noch alle meine Sachen packen müssen vor der Abreise, hätte dies sie nur noch erschwert.
"Pass auf dich auf, Theres.", murmelte Arwin neben mir und bevor ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, haute er meinem Pferd einmal auf den Hintern und ich musste mich zusammenreißen so geschockt wie ich von seinen Worten war mich noch festzuhalten und nicht herunterzufallen.
Nun war ich auf mich alleine gestellt und es gab noch nie in meinem Leben einen Moment, an dem ich mehr oder auch nur ansatzweise genauso viel Angst gespürt hatte wie jetzt gerade.
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ich schreibe die Geschichte zwar, aber bin trotzdem selber aufgeregt was als nächstes passiert..
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Die Schwarze See || PAUSIERT
FantasyDie Geschichte eines Königreiches im Untergang und gleichzeitig dem Erwachen einer vergangenen Liebe. 🤍Ausschnitt🤍 "Na komm noch ein Stück näher, Süße. Ich beiße nicht.", er sah mir direkt in die Seele und wie von selbst, begann ich immer näher zu...