Die Gebetsstätte der Sonnengöttin

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Mit einem Mal erkannte ich, was dort so imposant in der Mitte des Dorfes thronte. Es war eine der Gebetsstätten für die Sonnengöttin. Sie war schon stark in sich zusammengefallen und noch immer trat Rauch aus einem der Fenster im Turm hervor, aber die einstige Schönheit war zumindest an den bunt bemalten Fenstern noch immer erkennbar. Dieses Dorf musste eine besondere Bedeutung in den Legenden haben, denn nur wenige Dörfer in dieser Größe hatten eine solch große Gebetsstätte. Wir hatten gerade mal eine einfache Holzhütte, die von innen mit Malereien aus einer vergangenen Zeit geschmückt war und ein paar wenige Bücher, welche angeblich Originale darstellen sollten, aber so wirklich geglaubt hatte ich das nie.

Was ich hier vor mir sah, übertraf alle meine Vorstellung, wie die Stätten in anderen Dörfern wohl aussehen würden. Glatte, breite Stufen trugen einen empor zu der wohl, im nicht verbrannten Zustand, wunderschön aussehenden Tür. Es war eine Holztür und aus der Ferne waren noch ein paar der Schnitzereien zu erkennen. Ich musste mir das ganze einfach aus der Nähe ansehen, die Zeit würde ich opfern. Nach ein paar Blicken in Milos und meiner Umgebung fand ich einen nicht verbrannten Holzbalken direkt neben der Stätte, wo ich ihn anband. Ich versicherte ihm, ich wäre gleich zurück und überlegte einen Moment, ob ich eine Waffe mitnehmen sollte, doch ich entschied mich dagegen. Man hatte selbst mich schon als kleines Kind gelehrt, dass solche Gegenstände nichts auf dem heiligen Boden zu suchen haben. Ich verstaute sie also sicher in der Satteltasche und gab Milo noch einen Apfel zu fressen, um mich nicht ganz so schuldig zu fühlen, ihn an diesem gruseligen Ort alleine zu lassen.

Als ich die Treppen erklungen hatte und nun vor der halb abgebrannten Tür stand, wurde mir doch ein wenig unwohl zu Mute. Wer weiß, was ich dort drinnen auffinden würde.

Erst jetzt bemerkte ich die seltsamen Abdrücke an der Tür. Sie waren dunkel und sahen fast aus wie Handabdrücke. Ich kniete mich hin und fuhr eine der Markierungen durch und schreckte zurück. Es war nicht einfach nur Farbe oder Schlamm. Es war Blut, getrocknetes Blut. Jemand war vor nicht allzu langer Zeit hier gewesen und schien den Weg ins Innere gefunden zu haben, denn auch an dem Griff der alten Tür war Blut zu finden. So langsam bereute ich meine zurückgelassenen Dolche bei Milo ein wenig, aber ich würde diese Gebetsstätte nicht entweihen, nur weil ich ein wenig Angst hatte.

Ich musste einiges an Kraft aufwenden, um die alte Tür aufzuschieben, aber schließlich schaffte ich es. Eine Wolke aus Asche und Staub wehte mir entgegen, als ich eintrat. Die Balken waren eingestürzt und ich hatte Mühe, etwas zu erkennen. Dieses Gebäude schien seit längerem schon nicht mehr für den eigentlichen Sinn gebraucht worden zu sein. Pflanzen wucherten an den Wänden und versteckten die Malereien unter ihnen, als wären sie aus einer ganz anderen Zeit. Ich machte ein paar Schritte nach vorne, bis etwas hinter mir knackte. Ich erschrak und wandte den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam, aber konnte nichts erkennen. Vermutlich war es nur ein alter Ast gewesen, der den Geist aufgegeben hat und doch war ich nun noch mehr in Aufruhr als vorher. Meine Sinne schärften sich und ich war mir sicher, nach einem kurzen Umsehen würde ich den Ort direkt wieder verlassen. Es war viel zu seltsam hier, um diesen Ort über die Nacht als Unterschlupf zu benutzen. Und wer weiß, vielleicht kamen diejenigen, die alles in Brand gesteckt hatten, ja auch wieder.

Ich überwand meine Furcht und trat weiter in die Gebetsstätte hinein, am anderen Ende des Raumes thronte der Altar und diesen wollte ich mir genauer ansehen, vielleicht sogar ein kleines Gebet sprechen, um diesen heiligen Ort zu ehren. Auf meinem Weg dorthin musste ich beinahe klettern, denn die Bruchstücke aus Holzbalken und Steinen erschwerten mir den Weg gewaltig. Ich versuchte, so wenig wie möglich durch die Nase zu atmen, denn je weiter ich kam, desto mehr stieg mir der Geruch der Verwesung in die Nase. Als ich direkt vor dem Altar stand, war es beinahe unerträglich. Aber ich versuchte es zu ignorieren und mich auf den Anblick des noch recht unzerstörten Altars zu konzentrieren. Der Tisch stand noch und selbst die weiße Tischdecke schien, abgesehen von ein paar Brandflecken und einer leichten Schicht Staub, keinen Mangel aufzuweisen. In der Mitte des Tisches lag ein einzelnes Buch, welches die Geschichte unseres Königreiches erzählte. Wir hatten ein ähnliches in unserem Dorf, jedoch nicht so kunstvoll ausgearbeitet wie diese Version. Ich schlug es doch jedoch nicht auf, in der Angst, es zu beschädigen und auch darin zu versinken, denn einmal angefangen zu lesen, konnte ich meistens nicht aufhören. Ich kniete mich nieder und senkte den Kopf. Eine Weile saß ich einfach so da und dachte über meine aktuelle Lage nach, ehe ich leise ein Gebet vor mich hin murmelte. Es war kein langes oder besonders wichtiges Stück, aber es bedeutete mir etwas und hat mir schon oft in schwierigen Lagen geholfen. Ich öffnete die Augen wieder und fühlte mich wieder voller Hoffnung. Dieser Moment nur für mich und mein Gebet hatte mir neue Kraft gegeben, ich war mir nun sicher, dass Milo und ich den noch langen Weg bis zum Palast schaffen würden.

Die Schwarze See ||  PAUSIERTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt