Ich wusste, es würde irgendwann dazu kommen. Ich bin nicht mehr in der Lage, in meinen Tunnel ab zu tauchen. Oder einen klaren Kopf zu behalten. Wegen IHR.
"Warum hast du mir nicht früher davon erzählt, dass du mit Hanna telefoniert hast? Offenbar sogar ein Videoanruf?"
Diese Frage. Ja Jake, warum hast du es ihr nicht erzählt? Feigling.
"Ich... ich hielt es nicht für wichtig "
"Nicht wichtig? Achso. Mit ihr konntest du also telefonieren? Sie durfte dich sehen?"
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Natürlich hat Hanna mich nicht gesehen. Und auch nicht meine Stimme gehört, dafür habe ich gesorgt.
"Das hat sie nicht, dafür habe ich gesorgt. Aber es war ihr wichtig, mit mir zu reden"
"Und weil es ihr wichtig war, rufst du sofort an"
Worauf will sie hinaus? Das lesen von Emotionen oder Gedanken hinter geschriebenen Sätzen war nicht gerade meine Stärke. Abgesehen davon haben wir eigentlich gerade wichtigeres zu tun.
"Ja"
Das war die Wahrheit. Ich habe nicht über meine Antwort nachgedacht, oder darüber was sie auslösen könnte.
"Dann bin ich also nicht wichtig genug für dich. Ich wollte schon so oft mit dir telefonieren, aber du hast immer gesagt, es würde nicht gehen"
Verdammt. Wie kommt SIE denn jetzt darauf? Sie kann nicht wissen, welche Bedeutung sie für mich hat. Wie auch, wenn ich alles abblocke und nur hin und wieder mal meine Beherrschung verliere. Es wäre zu gefährlich. Für uns beide. Ich bin nicht für solche Gefühle gemacht. Mein Leben gibt mir diese Freiheit einfach nicht. Während ich noch überlegte, wie ich antworten soll, kam bereits die nächste Nachricht von IHR. Es waren bereits über 30min vergangen, in denen ich einfach da saß und nicht reagierte.
"Gut. Dann weiß ich Bescheid. Offenbar bedeute ich dir ja nichts"
Das Zeichen änderte sich von grün auf rot. Sie war offline.
Ich las ihren letzten Satz so oft, dass ich nicht mehr mit zählen konnte. "Ich bedeute dir nichts". Wie kann sie sowas nur denken? Meine Gedanken kreisten. Ich wurde nervös.
Glückwunsch Jake, du hast es geschafft, dass sich der erste Mensch in deinem lausigen Leben, der dir etwas bedeutet, zurück zieht und sauer ist. Was ist so schwer daran, zu deinen Gefühlen zu stehen? Alles - war die Antwort.
Die Angst vor Ablehnung kroch in mir hoch, gleichzeitig auch der Gedanke, SIE verloren zu haben...Das Mädchen, das mir den Atem raubte. Ich hatte natürlich recherchiert. Es war extrem schwer, irgendetwas über sie raus zu finden. Im Gegensatz zu 98% der Bevölkerung schien sie im Internet vorsichtig zu sein. Trotzdem fand ich irgendwann ein Bild. Nur ein einziges. Darauf zu sehen war sie mit ihrem Hund, ein Selfie. Ihre wunderschönen grünen Augen strahlten mich an. Sie hat ein umwerfendes Lächeln und diese positive Energie. Man sah sonst nichts von ihr, nur ihr Gesicht und die roten Haare, die im Wind wehten. Wow.
Von diesem Moment an ließen mich ihre Augen nicht mehr los. Sie aus meinem Kopf zu bekommen, war unmöglich. Sie war wichtig, für Hanna. Aber noch wichtiger war sie für mich.Unser Kontakt intensivierte sich schnell und ohne, dass ich etwas dagegen hätte tun können. Meine Neugier war geweckt. Sie war mysteriös und trotzdem kam sie mir vertraut vor. Ich konnte meine Gedanken nicht mehr kontrollieren, sie schweiften immer wieder ab. So oft ertappte ich mich dabei, wie ich an sie dachte. An ihre Art, ihre Sätze, ihre wunderschönen Augen. Ich las unsere Gespräche immer wieder, um das Gefühl zu haben, ihr nah zu sein.
Als sie mir sagte, dass sie mich mag spürte ich dieses unbekannte Kribbeln im Bauch. Ein Gefühl, welches ich nicht kannte. Vor lauter Panik stieß ich sie weg. Ich hatte tausend Gedanken, tausend Dinge, die ich ihr hätte sagen wollen. Aber ich tat es nicht. Ich habe sie angelogen um sie zu schützen. Zumindest redete ich mir das ein.
"Es fühlt sich aber nicht richtig an"
Diese Worte waren so falsch, so unsinnig. Sie waren einfach nicht wahr. Es fühlte sich verdammt richtig an. Alles mit ihr. Die Gespräche, das Lachen, die Nähe. Ich hatte noch nie jemanden so nah an mich heran gelassen und trotzdem fühlte es sich bei IHR selbstverständlich an. Normalerweise wäre ich schon längst weg gerannt. Aber ich konnte nicht. Nicht bei IHR.
Und jetzt? Bin ich nicht mal fähig ihr zu sagen, dass sie mir viel bedeutet? Jake, wen belügst du hier. Sie bedeutet mir ALLES. Verdammt, dieses Mädchen ist mir wichtiger als alles andere. Wenn ich das eingestehe, werde ich schwächer. Wobei das eigentlich auch schon egal ist. Sie ist ohnehin bereits meine einzige Schwachstelle...
Also tippe ich nun doch meine Antwort.
"MC das stimmt nicht! Du... bedeutest mir ... ALLES!"
Ich löschte das letzte Wort wieder.
"MC das stimmt nicht! Du ... bedeutest mir... viel!"
Das war schon mehr, als ich eigentlich zugeben wollte. Aber reicht ihr das? Schon wieder sitze ich hier und denke an sie. Wie wird sie reagieren? Was hält sie jetzt überhaupt noch von mir?
Scheiße Jake, wie konntest du sie so nah ran lassen?
Sie war sofort online und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
"Davon merke ich nichts. Ich bin so naiv. Tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwende" --- Offline.
Ich starrte auf den Monitor, das Lächeln war weg. Ich saß wie versteinert auf meinem Stuhl. Was meint sie damit?
Sofort verschaffte ich mir Zugang zu Ihrem Handy. Ich konnte nicht anders.
MC: " Jessy, steht deine Einladung noch?"
Jessy: " Was ist das für eine Frage? Klar"
MC: "Ich habe mir einen Zug raus gesucht. Er fährt in 5h"
Jessy: "OMG du kommst her? Wie geil! Endlich. Sag Bescheid, wann du ankommst. Ich warte am Bahnhof. Ich freue mich so"
MC: " Ich mich auch. Sag bitte erstmal keinem sonst etwas, ok? Ich bin gegen 22Uhr in Duskwood "
Jessy: " Geht klar. Bis später"
Nein! Ich spürte, wie mir etwas den Atem abschnürte. Das darf nicht wahr sein. Sie hatte mir versprochen, nicht nach Duskwood zu gehen. Bisher war sie sicher und weit entfernt. Was tut sie jetzt? Ist das ihre Rache? Sie weiß nicht, dass ich die ganze Zeit schon in der Nähe von Duskwood bin. Soll ich sie aufhalten? Aber wie? Jake beruhige dich. Du wirst sie nicht aufhalten können. Sie ist ein Sturkopf. Gut, dann muss ich sie eben vor Ort beschützen!
Der Gedanke daran, sie bald direkt vor mir zu sehen, ließ mich eine Gänsehaut bekommen. Ich war nervös. Ich hatte Angst. Angst, ihr zu begegnen. Angst, die Kontrolle zu verlieren. Angst, ihr könnte etwas passieren wie... denk nicht daran Jake. Das ist Vergangenheit! Diesmal wird es anders. Wir finden Hanna und alles wird gut... oder?
DU LIEST GERADE
Fate - Der Weg ins Leben
FanficEin 25 jähriges Mädchen vom Dorf lernte den Hacker Jake kennen, als dieser seine Halbschwester suchte. Die Leben der beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, dennoch wurden sie jeweils in das des anderen hinein katapultiert. Ohne es zu wollen, e...