²⁶ besuch

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Komplett übermüdet schleppte ich mich aus dem Krankenhaus, sperrte mein Fahrrad auf und fuhr zurück.
Ich hatte ehrlich gesagt gar keinen Bock, jetzt zu Hause aufzukreuzen.
Immerhin konnte ich auch zu Taras.
Ich verstand endlich, wieso Adam seine Lage als aussichtslos betrachtete.
Er hatte einfach richtig Pech gehabt.
Was nicht hieß, dass es ihm nie besser gehen würde.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass er sich das Leben nehmen würde, ziemlich hoch war - ich hoffte wirklich, dass das nicht passieren würde.
Wenigstens war er jetzt auf der Geschlossenen, dort war Suizid fast keine Option, alleine schon, weil man ihn rechtzeitig finden würde.
Ich hielt vor Taras' Wohnung und sperrte mein Rad wieder ab.
Ich klingelte.
Keine Antwort.
Fuck, schlief er?
Ja, wahrscheinlich, aber er konnte jetzt auch kurz aufmachen und mich in sein Bett lassen.
Ich klingelte nochmal und nochmal, bis endlich der Summer ertönte und ich das Haus betrat.
Taras stand in der Tür und sah mies verschlafen und fertig aus.
Ich merkte sofort, dass er auf Benzos war, aber ließ einen Kommentar dazu erstmal sein.
"Was los?", fragte er leise und ließ mich rein.
"Kann ich hier schlafen? Bei dir?"
Er nickte.
"Wie geht's Adam?", fragte er leise.
"Keine Ahnung, gestern ging's ihm noch ganz okay, dann ist er schlafen gegangen. Er ist noch nicht wach. Er schreibt dir bestimmt."
Taras seufzte. "Ich glaub' nicht, dass er geschlafen hat."
"Doch, er ist gestern so gegen zwei eingepennt."
"Krass."
Ich folgte Taras ins Schlafzimmer.
"Hüpf' rein, ich will weiter schlafen", murmelte er und wir legten uns in sein Bett.
Ich kuschelte mich an ihn.
"Du hast dich selbst verletzt, oder?", fragte ich leise.
"Hm? Was?", stellte er sich dumm, aber ich wusste genau, was los war.
"Sei ehrlich, wer schläft mit Hoodie."
Taras seufzte. "Mach' dir weniger Gedanken..."
"Ich merk' auch, dass du auf Benzos bist", fügte ich leise hinzu.
"Wa-"
"Versuch' gar nicht erst, zu lügen, darin bist du irgendwie nicht so gut."
"Ich bin gut im Lügen, du durchschaust nur jeden sofort." Er legte einen Arm um mich. "Bist du sauer wegen den Benzos?"
"Nein, keine Sorge. Du hattest heute echt jeden Grund dazu, wenn ich ehrlich bin."
Er nickte und schloss seine Augen.
Ich tat es ihm gleich.

Ich wurde wach, weil irgendjemand Sturm klingelte.
Taras machte ein sehr unerfreutes Geräusch und hielt ein Kissen über seinen Kopf.
Ich seufzte und stand auf.
Irgendwer musste ja an die Tür gehen.
Ich drückte auf den Summer und öffnete die Wohnungstür.
Irgendein Junge, vielleicht so vierzehn oder fünfzehn, stand vor der Tür.
"Wer bist du?", fragte ich ihn verwirrt.
"Ich bin Taras' kleiner Bruder", nuschelte der Junge und schob sich an mir vorbei in die Wohnung.
Er legte sich direkt auf die Couch und deckte sich zu.
"Moment, solltest du nicht in der Klinik sein?"
"Bin abgehauen."
"Scheiße."
"Woher weißt du das?", fragte er leise.
"Taras hat's mir erzählt, ich hoffe das ist nicht schlimm."
Er schüttelte den Kopf.
"Warst du lange draußen?"
Er nickte. "Die ganze Nacht."
"Scheiße", wiederholte ich, "ist dir kalt? Willst du 'ne Wärmflasche oder so?"
"Das wäre nett..."
Ich stand auf und machte ihm eine Wärmflasche, die ich ihm brachte.
Er war schon fast eingeschlafen.
Ich machte die Vorhänge vor die Fenster, damit er besser schlafen konnte und ging zurück ins Schlafzimmer.
Taras lag über das ganze Bett ausgebreitet da.
"Wach auf."
Ich kraulte seinen Kopf.
"Fuck, du weißt, dass ich auf Benzos bin", jammerte Taras.
"Wach trotzdem auf."
Er rieb über sein Gesicht.
"Was ist denn so wichtig?"
"Dein Bruder."
"Was ist mit ihm?"
Taras setzte sich auf.
"Er ist hier."
Er schaute mich verwirrt an. "Echt jetzt?"
Ich nickte.
"Müsste er nicht-"
"Ja, müsste er, aber ich hab' ihn mal schlafen lassen. Er muss sich aufwärmen."
"Fuck..." Taras stand auf und warf einen Blick ins Wohnzimmer. "Hab' ich ihn lang' nicht mehr gesehen... woher weiß er überhaupt, wo ich wohne... Fuck."
Er schaute auf sein Handy und tippte kurz darauf rum.
"Bei Adam geht auch die Qual und Kotzerei los..."
"Fuck", murmelte ich und legte mich zu Taras.
"Jap." Er legte sich wieder hin. "Ich muss trotzdem schlafen."

zwei dosen spriteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt