Lorcan saß zwischen seinen Männern, die ihm, wie es schien, erst einmal nicht von der Seite weichen würden. Und auch wenn er es wahrscheinlich nie laut aussprechen würde, war er unendlich froh darüber. In ihm waren so viele widerstreitende Empfindungen, die ihm Unwohlsein vermittelten. Und so fühlte er sich nun mal nicht gern.
Stärke war ihm schon in die Wiege gelegt worden, sie war immer Teil seines Wesens gewesen. Angst hingegen war etwas, das er bisher nur selten empfunden hatte.
Doch im Moment war es, als hätte sich alles umgekehrt.
Man mochte ihn gerettet haben, was jedoch nicht bedeutete, dass seine Gefährten und er jetzt aus dem Schneider waren. Reos und die, die ihn unterstützten, würden nicht eher ruhen, bis sie Lorcan zur Strecke gebracht hatten. Und dies bedeutete, dass auch Michael und vor allem Elion, der sich als Heiler nicht im selben Maß wehren konnte wie Michael und er selbst, in Gefahr waren.
Niemals könnte er es sich verzeihen, wenn ihnen seinetwegen etwas widerfahren würde.
Raven, der wie er gerade erfahren hatte, Dämon und Engel war und ihn geheilt hatte, wandte sich ihm ganz zu.
»Ich bin mir sicher, dass ich weiß, was verwendet wurde, um dich auszuschalten. Es ist meiner Ansicht nach eine Pflanze, die in Neraka vorkommt, ihren Weg jedoch an wenigen Stellen auch an die Oberfläche des Planeten gefunden hat. Gelangt der Wirkstoff, den man daraus gewinnt, in den Körper eines Lebewesens, schwächt es dieses. Er sorgt dafür, dass es das Bewusstsein verliert und in eine Starre fällt, die nach einigen Tagen, auch wenn man versucht, sie zu behandeln, zum Tod führen wird, da irgendwann alle Körperfunktionen betroffen sein werden. Der, der ihn vergiftet hat, muss zuvor das Gegenmittel genommen haben, ansonsten wäre es ihm ebenso ergangen wie Lorcan. Ich gehe davon aus, dass er das Gift auf seine Fänge und die Krallen gegeben hat, sodass es beim Angriff auf Lorcan übergehen konnte. Dieses Mittel löst sich nämlich bei einer Wandlung nicht auf. Du...ihr hattet Glück, dass wir schon auf der Suche nach Michael waren und ihn aufspüren konnten.«
Elions Hand verkrampfte sich um seine. Er spürte seine Panik, die in Wellen über ihre Verbindung zu ihm gelangte.
»Du musst keine Angst haben, Elion, mir geht es wieder gut. Ich bin wohlauf und unverletzt.« Nachdem er seinen Gefährten ein wenig beruhigt hatte, sah er zu Raven. »Wie weit verbreitet ist das Wissen über diese Pflanze und ihre verheerende Wirkung?«
»Soviel ich weiß, wissen außerhalb Neraka nicht viele davon. Dämonen sind im Allgemeinen nicht dafür bekannt, mit wichtigen Informationen hausieren zu gehen.«
»Und du bist anders?«, stieß Michael hervor. »Wieso verrätst du uns solche Dinge?« Die unterdrückte Aggressivität des anderen ließ Lorcans Haut unangenehm kribbeln.
»Ich tue es, weil ich endlich Frieden möchte und der Meinung bin, dass es nur dazu kommen kann, wenn wir alle aufeinander zugehen.« Man musste er Raven hoch anrechnen, dass er so gelassen blieb und auf Michaels Provokation nicht reagierte.
Dieser Mischling strahlte im selben Maße Kraft und Sanftmut aus und ruhte mehr in sich, als jeder Heilende, dem Lorcan in seinem Leben begegnet war.
»Frieden...«, grummelte Michael neben ihm. Lorcan stieß ihn mit dem Ellenbogen an, sodass Michael zu ihm blickte. Als sich ihre Blicke trafen, nahm Lorcan wahr, wie ein wenig Anspannung von seinem Engel abfiel.
»Ja, Frieden! Es mag noch ein langer Weg bis dahin sein und nicht alle werden diesen Tag erleben, doch es gibt schon jetzt Veränderungen. Samael und Raven sind Beispiele dafür. Laut Arias treten diese auch schon bei vereinzelten Dämonen in Neraka auf und selbst Leviathan ist davor nicht gefeit. Sieh dir nur dich selbst an. Nicht nur, dass für dich ein Wandler bestimmt ist, nein, es sind zwei und dies gab es, soviel ich weiß, beides noch nie. Wir alle müssen akzeptieren, dass sich die Welt, wie wir sie kennen, verändert. Shekinah hat alte Aufzeichnungen, die Tyrasar Chroniken, in denen es eine Prophezeiung gibt, laut derer sich die Arten, die, bevor sie erschaffen worden waren, ein Volk hätten sein sollen, wieder aufeinander zubewegen werden, um zu werden, was sie immer hätten sein sollen.« Alexian, der zumindest zum Teil das Temperament seines Vaters geerbt hatte, war, während er sprach, immer lauter geworden. Seine Ansichten vertrat er sehr leidenschaftlich. Samael, der, im Gegensatz zu Raven, kein Mischling war, berührte Alexian sanft, was diesen sofort aus seiner Wut heraus riss.
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The Tyrasar Chronicles IV - Engelskrieger
FantasyNachdem der Erzengel Michael während eines Kampfes mit dem Höllenfürsten Leviathan von einem Steinschlag überrascht und verschüttet wurde, wird er, schwer verletzt, von einer großen schwarzen Wildkatze gefunden und gerettet. Diese entpuppt sich als...