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Der Blick des Fürsten richtete sich zuerst auf die sechs Frauen. Nun, im weitesten Sinne. Zwei waren kaum mehr als Kinder und ein Mädchen noch immer ein Kleinkind. Es hielt sich an der Hand der Mutter fest, sah jedoch als Einzige auch immer wieder auf. Die blauen Augen glitzerten fasziniert beim Anblick der hohen Halle.
Die anderen sahen besorgt auf den Boden, während der Herr des Landes sie nach außen hin gelangweilt musterte. Sariya konnte sie gut verstehen. Ihr war es nicht anders ergangen, als sie das erste Mal in die Halle gebracht wurde. Die Ungewissheit, was nun mit einem passierte, fraß einen auf. Doch ihr Herr fand die richtigen, ruhigen Worte um ihre Sorgen zu zerstreuen: "Ihr braucht euch nicht zu fürchten. Sklaverei ist in meinem Land ein Verbrechen. Ihr wurdet nicht befreit, damit wir Profit machen. Ich biete euch stattdessen eine Zuflucht. Feste, sichere Arbeit, für die Kinder eine Kindheit. Dafür müsst ihr nicht mehr, als unsere wenigen Regeln befolgen.
Natürlich seid ihr keine Gefangenen. Ihr könnt jederzeit gehen und mein Land ohne Abschied verlassen. Soldaten begleiten euch bis zur Grenze, jedoch nicht weiter. Freiheit, kann ich nur innerhalb meiner Grenzen bieten. Ich kann euch nur innerhalb dieser Grenzen aus dem Käfigen der Sklavenhändler befreien. Wird ein anderer Weg genommen, dann können wir niemandem helfen." Die Frauen tauschten stumme Blicke aus, das kleine Mädchen sah mit großen Augen zum Fürsten auf. Wenn er jemandes Vertrauen gewonnen hatte, dann ihres. Sie hatte es verdient glücklich und frei aufzuwachsen. Dann fuhr er fort und die Bewegungen verschwanden: "Ihr müsst keine überstürzte Entscheidung fällen. Ruht euch aus, lernt die Leute kennen und teilt mir eure Entscheidung mit, wenn ihr bereit seid."
Er winkte zwei der der Dienerinnen, die sich im Schatten aufhielten, heran, welche die Frauen und Kinder aus dem Saal führten. Die Erleichterung machte sich sogar in der Luft bemerkbar. Das Mädchen sah noch grinsend zurück. Sariya erwiderte es freundlich. Kurz schien es, als sei der Raum heller geworden. Sie bezweifelte, dass auch nur eine der Frauen sich für den Weg über die Grenze entscheiden würde. Dafür hatten sie zu viel zu verlieren. Ihre Leben waren nur eines davon.
Sariyas Lächeln erstarb, als sie die Tür hinter den acht schloss und sich der Blick ihres Herrn auf die vier Krieger richtete. Bei ihnen war sie sich nicht ganz sicher, was den Ausgang des Gesprächs anging. Die Miene des Fürsten wurde ernster und er winkte die Übrigen nach vorn. Stumm und mit gesenkten Köpfen folgten sie der Aufforderung, auch wenn es ihnen sichtlich schwer fiel. Sie scheinen weit genug oben in der Rangfolge zu sein, um nur ausgesprochen ungern mit gesenktem Kopf vor einem anderen zu stehen. Deutlich waren dafür nun die gekreuzten Schwerter zu erkennen, die sie als Krieger Azgas auszeichneten.
Wieder scheinbar gelangweilt lehnte der Fürst den Kopf auf den abgestützten Arm, blinzelte einmal. "Ihr vier seid nicht die üblichen befreiten Sklaven. Wie schaffen es vier Krieger Azgas in die Hände von Sklavenhändlern zu fallen?" Er deutete wie nebensächlich auf ihre gefesselten Hände. Noch hatten sie das Vertrauen nicht gewonnen. "Doch dazu die Elite, wenn ich mir eure Zeichen betrachte."
Die Krieger schwiegen, nur der Blonde - das Haar wirkte gewaschen mehr golden - sah kurz auf, suchte den Blick des Fürsten. Belustigung blitzte darin, dann richtete er ihn wieder zu Boden.
"Ihr sollt keine Kriegsstrategien verraten.", brummte der Fürst und klang genervt. Er trommelte ungehalten mit der freien Hand auf die Lehne des Thrones.
Sie verstand die Reaktion des Kriegers. Der Fürst wirkte jung, hingegen der Thron zu groß und der schwarze Stein stand im Kontrast zum silbernen Haar und den eisblauen Augen. Ein Bart im selben hellen Ton ließ ihn auch nicht älter wirken, weshalb er ganz darauf verzichtete. Sicher war er andere Herrscher gewöhnt. Älter und kriegerischer. Er verbirgt noch was, flüsterte eine kleine Stimme in ihren Gedanken. Der Krieger und der Herr.
Als weiter keine Antwort folgte erhob sich der Fürst. Dank der Stufen überragte er die Krieger weiter, nicht, dass er klein wäre. "Ich könnte euch foltern lassen. Oder ohne weitere Worte aus dem Land jagen. Zurück nach Azga, wo noch gleich welche Strafe auf Flüchtlinge wartet?" Die Männer zuckten nicht, schwiegen weiter. Das fachte seine Wut noch weiter an und ließ Sariya unauffällig einen Schritt zur Seite machen. Er richtete sich nun direkt an den größten. Nun klopfte ihr Herz vor Angst. "Oder soll ich lieber die Leichen deiner Gefährten als Warnung an der Grenze aufstellen lassen, Prinz?" Sein Blick fixierte den Blonden. Sariya sah überrascht zu ihrem Herrn. Ihr Angebeteter war ein Prinz? Und dann der, des kriegerischsten aller menschlichen Völker? Ihr Herz schien, als setzte es einen Schlag aus. Sollte es wirklich sein...?

AngelicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt