Sie spürte Wärme auf ihrer Haut, Blut, dass durch ihre Adern pumpte und eine Leichtigkeit, die sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Sie versuchte zuerst die Augen zu öffnen, um der Dunkelheit zu entkommen, doch nur verschwommenes Zwielicht drang zu ihr. Also ließ sie es und versuchte wieder zu erspüren, wo sie nun war. Denn eines wusste sie sicher: das war nicht die Welt der Toten. Dafür waren die Schmerzen zu stark.
"... du mich?", flüsterte eine Stimme, wie von weit weg. Als ob sie ihren Weg erst durch eine Mauer bahnen müsste. Eine Hand strich über ihre Wange, vermied die Berührung der alten Narben. Die andere Hälfte fühlte sich taub an. Nur die Spuren von Magie kribbelten unter der Haut. Es war die Fee in ihrem Inneren, die versuchte den Körper zu heilen. Schon lange hatte sie sie nicht mehr gespürt. Sie war immer zu schwach gewesen. Zu verängstigt. Zu zerbrochen.
"Ich glaube sie ist wach." Wieder die Stimme, doch sie konnte die getragenen Emotion nicht einordnen. Sie wandte sich an jemandem, doch dieser antwortete nicht. Stattdessen entfernte sich die Berührung, nahm die Wärme und Leichtigkeit mit sich. Wurde ersetzt durch eine kühle Berührung, gefolgt von Magie. Das Kribbeln sammelte sich in ihrer Brust und ließ sie schläfrig werden. Selbst ihre Fee wurde langsamer in der Heilung.
"Sie erholt sich gut." Die neue Stimme klang erleichtert und bekannt. "Gib ihr noch ein wenig mehr Zeit."
"Ruft ihr mich, Herr? Ich möchte ihr gerne selbst erzählen..."
"Dies ist nicht dein Land.", erinnerte die zweite Stimme harsch. "Sie wird nach dir rufen, wenn sie es möchte. Du wirst sie nicht willentlich daran erinnern, wenn sie keine Fragen stellt."
Einen Moment herrschte Schweigen, dann entfernten sich die ersten Schritte.
"Schlaf noch ein wenig.", bat die zweite und strich ihr diesmal ohne Sorge über die Narben. "Du lebst. Und jetzt ist nur wichtig, dass du wieder zu Kräften kommst."
Dann gewann die Müdigkeit und Sariya stürzte erneut in die Dunkelheit.* * * * *
Sie wusste nicht, wie lange sie lag. Gelegen hatte. Sie wusste, die Wölfin hatte sie angegriffen und das würde nicht ohne Konsequenz bleiben. Doch sie könnte schwören, dass der letzte Angriff getroffen hatte. Die Frau hatte deutlich auf ihren Hals gezielt.
Dann erinnerte sie sich an Lärm, der sie in die Ohnmacht begleitet hatte.
Es war die Präsenz des Fürsten, die sie beruhigte. Seine Nähe, die ihr die Angst nahm und den Mut gab, endlich die Augen zu öffnen.Die Augen geschlossen saß er auf einem Stuhl neben ihrem Bett. Doch er erwachte mit ihr und sah sie erleichtert an. "Du bist wach...", flüsterte er und strich ihr über die Stirn. "Ich bin sehr froh."
"Herr..." Ihre Stimme war rau, schwach. Sofort hielt er ein Glas Wasser in der Hand und half ihr, den Kopf ein wenig zu heben. Genug, um das klare Nass in ihren Körper zu leiten. "Danke...", gab sie flüsternd zurück und legte den Kopf wieder auf ihr Kissen.
Langsam nahm sie auch die Umgebung wieder wahr. Sie befand sich im Krankenzimmer, in dem noch andere leere Betten standen. Schon lange hatte sie diesen Ort nicht mehr von innen gesehen. Die Decke war noch immer so weiß, wie sie sich erinnerte. "Die Wölfin...", begann sie und sah ihn an, doch seine Gestalt schien zu verschwimmen. "Es war nicht böse..."
"Keine Sorge. Für andere mag es nach einer Strafe klingen.", erklärte er ruhig. "Sie wurde hinter die innere Grenze versetzt. Ihre Schwester lebt nun in einem der Dörfer. Doch ihr Angriff war bösartig, das kannst du nicht leugnen. Sie wollte dich töten. Willentlich."
Tod. Sariya schloss für einen Moment die Augen. So nah war sie dem Reich der Toten erst einmal. Niemand sollte es mehr als einmal sehen. Einen Blick darauf erhaschen, was hinter dem Schleier liegt. "Omega...", flüsterte sie, sah hinter geschlossenen Lidern die Krallen auf sich zu kommen. "Was bedeutet das?"
"Hat sie es erwähnt?"
Sie wurde wieder so unglaublich müde, dass sie nur noch ein schwaches Nicken zu Stande bekam.
"Ich versuche etwas herauszufinden. Schlaf ruhig weiter, das unterstützt die Heilung."
Wieder ein Nicken. Und eine Frage: "Wie schlimm?"
Mehr brauchte es nicht, dass wieder Schweigen einsetzte. Ein unangenehmes Schweigen. "Knochenbrüche.", murmelte der Fürst. "Prellungen, aufgeplatzte Haut und... tiefe Schnitte." Er legte seine Hand auf ihre. "Heile. Dann erkennen wir, wie schlimm es ist."
Sie hielt die Augen geschlossen, doch eine Träne drängte sich in die Freiheit. Schnitte... Sie wusste, was das hieß. Hatte das Ergebnis von Wolfskrallen schon bei Soldaten gesehen. Sie trug neue Zeichen. Zeichen, die sie an verlorenes Vertrauen erinnern würden.
Und Hass.
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Angelic
FantasyNach ihrer Rettung führt Sariya ein ruhiges, sicheres Leben unter der schützenden Hand ihres Fürsten. Als jedoch mehr Gefangene befreit werden trifft sie das Schicksal. Und bald steht nicht nur ihre Sicherheit auf dem Spiel... Start: 5.10.24