Kapitel 2- Rafael

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Ein Monat war inzwischen seit dem Tod meiner Eltern vergangen, aber der Schmerz war noch so real wie am ersten Tag. Ich saß auf der Couch im Wohnzimmer und frühstückte. Der Psychologe mit dem ich am Anfang geredet habe hat es nur noch Schlimmer gemacht, genau wie der örtliche Pfarrer Schäfer, der mir irgendwas von Schicksal und „Sie sind jetzt an einem besseren Ort" erzählt hatte – purer Schwachsinn!Mein Onkel, der für mich das Sorgerecht übernommen hatte, wobei ich glaube er wollte einfach nur das Haus meiner Eltern haben, hat es auch nicht besser gemacht, eher im Gegenteil. Das Gute an seinem fehlendem Interesse war, dass ich jetzt wo Sommerferien waren machen konnte was ich wollte und niemand war da um mir etwas vorzuschreiben. Wie gut, dass da noch Sie war. Emilia, der einzige Halt in meinem Leben der mir geblieben war. Wir kannten uns schon so lange und jetzt waren wir beide 16 und ich liebte sie noch genauso wie an dem Tag, an dem wir zusammen gekommen waren. Sie war immer für mich dagewesen und bei der Beerdigung meiner Eltern hatte sie tapfer neben mir die Fassung bewahrt und einfach nur meine Hand gehalten. Das würde ich ihr nie vergessen!

Auch jetzt in den Sommerferien machten wir viel zusammen, nur heute traf sie sich mit ihrer besten Freundin Sara, die mich leider überhaupt nicht ausstehen konnte. Deshalb hatte ich beschlossen heute in die Stadt zu fahren, heute war dort ein großer Flohmarkt und vielleicht fand ich ja ein billiges, neues Computerspiel oder eine Kette oder so etwas für Lia, wie ich meine Freundin manchmal nannte. Mein Onkel Hannes war mal wieder nicht zu Hause, also beeilte ich mich um den nächsten Bus zu bekommen. Seit dem Vorfall vor einem Monat war ich nicht gern allein, denn dann kamen die Schuldgedanken wieder..Wenig später saß ich im Bus und hörte laut englischen Rap, während die Straße dieses verdammten Kleinkaffs an mir vorbei zogen. Obwohl wenn Emilia nicht wäre würde ich wahrscheinlich schon längst hier verschwunden sein.Nach einer halben Stunde Fahrt erreichte der Bus endlich die Stadt. Ich stieg aus und lief durch die heiße Sonne Richtung Marktplatz. Ich hörte weiter Musik und setzte eine Sonnenbrille auf. Ich lief durch die Straßen weiter zum Marktplatz auf dem mehrere Stände standen. Gelangweilt schlängelte ich mich durch die Menschenmengen, sah mir einige Schmuckstücke an und kaufte mir ein Schokoladeneis, das aber irgendwie nicht schmeckte. Ich erinnerte mich wie ich früher immer mit meinen Eltern hier gewesen war und da bildete sich wieder dieser Klos in meinem Hals. Da war sie wieder. Die Schuld, die kaum zu ertragen war.Ich ließ mich seufzend auf einer Bank nieder, es war eine dumme Idee gewesen wieder herzukommen. Ich schloss einen Moment die Augen hinter meiner Sonnenbrille und als ich sie wieder öffnete erschrak ich mich furchtbar, denn ein Junge, vielleicht ein bis zwei Jahre älter als ich, stand direkt vor mir, seine Dunkelgrünen Augen funkelten mich neugierig an.

„Hey, alles klar bei dir Kumpel, du siehst ziemlich deprimiert aus!" begrüßte er mich und ich rutschte ein Stück zur Seite, damit er sich neben mich setzen konnte. „Sprichst du immer einfach irgendwelche Leute an?" entgegnete ich gleichgültig, doch der Typ grinste nur und ließ sich neben mir auf die Bank fallen. „Tim" stellte er sich vor und reichte mir die Hand. Irgendwie war dieser Typ eine merkwürdige Mischung aus höflich und unverschämt. „Ich bin Rafael." gab ich zurück und einen Moment saßen wir schweigend nebeneinander, wo ich doch Stille hasste!„Meine Eltern haben sich umgebracht, vor genau einem Monat." sagte ich schließlich gefühllos. Ich wusste nicht wieso ich das gesagt hatte, aber irgendwie musste ich es mal aussprechen, außerdem waren wir praktisch Fremde, deswegen spielte es keine Rolle was er über mich dachte.„Scheiße." stellte Tim nüchtern fest und drückte einmal kurz meine Schulter. „deswegen bist du also so depri drauf... Hmm vielleicht habe ich eine Lösung für dein Problem." meinte er dann nachdenklich. Ich horchte auf, während ich ihn verwirrt ansah und ihm weiter zuhörte. „Es gibt eine Möglichkeit all deine Probleme zu vergessen und dich mal wieder einfach toll zu fühlen." Schwärmte er und ich merkte wie Interesse in mir entstand. „Wie meinst du das?" fragte ich ihn mit ein wenig misstrauen in der Stimme, was hatte dieser Tim vor? Er rutschte ein Stück näher an mich heran, kramte in seiner Jackentasche herum und überreichte mir dann geheimnisvoll ein kleines Päckchen. Es war eine durchsichtig und darin war ein wenig von einem weißen Pulver. Meine Augen weiteten sich als ich Begriff was das war. „Meine Fresse Tim! Ist das etwa-" „Sshhhhh!" Unterbrach er mich zischend. „Nimm am Anfang nur einen halben Teelöffel, tu den auf eine flache Oberfläche und schnupfe es durch die Nase. Der erste Beutel ist gratis, weil ich dich irgendwie symphatisch finde, Kleiner. Wenn du mehr willst ruf mich an, in der Tüte ist auch ein Zettel mit meiner Nummer drauf." mit diesen Worten ließ er mich perplex sitzen.Ich starrte auf den Beutel Kokain in meiner Hand und war mal wieder vollkommen ratlos.

Mittlerweile war es Nachmittag geworden und ich nahm den Bus zurück nach Hause, wo allerdings immer noch niemand war. Wahrscheinlich war Hannes mal wieder bei irgendwelchen Freunden und würde erst morgen früh wiederkommen. Ich ging wieder ins Wohnzimmer und ließ mich auf das Sofa fallen. Ich sah auf mein Handy, Emilia hatte mir geschrieben, dass sie einen schönen Tag gehabt hatte, wie meiner gewesen war und ob wir morgen was unternehmen wollten. Ich schrieb zurück, dass ich einen schönen Tag gehabt hatte und ich morgen gerne Lust hatte was mit ihr zu machen, bevor ich meine Augen zufallen ließ. Ich konnte das Koks nicht nehmen, schon um Emilias Willen! Also legte ich das Päckchen auf den Couchtisch und wollte gerade den Fernseher einschalten, als mein Blick auf das Foto meiner Eltern viel, das dort stand. Sofort zog mein Bauch sich zusammen, wie immer wenn ich ein Bild von ihnen sah, da ich dann immer an das letzte Mal denken musste wo ich sie gesehen hatte. Der Tag an dem Alles begann einzustürzen.


*Flashback*

Ich radelte die Straße entlang und die kühle Sommerluft umhüllte mich. Bald waren Sommerferien und heute Abend würde ich mit meiner Liebsten Emilia ins Kino gehen, ach war das Leben nicht schön! Vergnügt pfiff ich vor mich hin, während ich überlegte was ich heute Abend anziehen sollte. Das blaue Hemd vielleicht? Naja, mal sehen.. Ich erreichte das Gartentor unseres kleinen Vorstadthauses und ich lief den Steinweg entlang zur Haustüre. Ich kramte in meiner Tasche nach dem Schlüssek und schloss die Tür auf.„Mum, Dad ich bin zu Hause!" rief ich hinein und schloss die Türe wieder. Niemand antwortete mir, was seltsam war, weil sie um die Uhrzeit sonst immer zu Hause waren. Ich ging ins Wohnzimmer. Ich sah die Blumen, die auf unserem Flurtisch standen, in einem schönen Rosaton. Ich sah die Pumps meiner Mum, die mal wieder mitten im Flur herumlagen und ich sah unseren Esstisch mit einem Brief noch bevor ich das Grauen erblickte, das in unserem Wohnzimmer war: Dort standen zwei Stühle ein wenig abseits sowie die erhängten Körper meiner Eltern. Dann brach alles um mich herum zusammen, denn dies ist mehr Schmerz als ein Mensch ertragen kann.

*Flashback Ende*


Ich musste schlucken und merkte, dass mir Tränen über die Wangen liefen. Trotzig wischte ich sie mir weg, meine Augen wanderten wieder zu dem Päckchen. Was sollte schon passieren, was war falsch daran sich einmal wieder gut zu fühlen, Lia würde das niemals erfahren!Ich nahm das Kokain mit zitternden Händen hoch und kniete mich vor den Couchtisch. Ich schüttete ungefähr die Menge eines halben Teelöffels darauf. Anschließend nahm ich ein Blatt Papier, rollte es zu einem Röhrchen setzte es an meine Nase und zog mit einem Schniefen das Koks in meine Nase...

Die Prinzessin und ihr RitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt