Kapitel 2 - Alex

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Ich wache auf. Die Sonne scheint durch das Fenster, ich habe wohl gestern vergessen, die Vorhänge zuzuziehen. Ich setze mich auf, strecke mich ein mal und gähne dabei. Ich ziehe mich an: Eine Jogginghose und über mein Schlaf-T-Shirt einen Oversize Hoodie. Mir egal, was Marlene von mir denkt.

Ich wanke die modernen Treppen herunter und gehe an einem Spiegel vorbei, der am Ende des Flurs an der Wand hängt. Ich sehe mein Gesicht in der Spieglung und kann mein Gesicht durch meine müden Augen erkennen. Ich sehe schrecklich aus. Ich höre unten, wie der Tisch gedeckt wird. Es riecht verführerisch gut nach American Pancakes und ich schließe kurz die Augen und atme tief ein. Dann setze ich meinen Weg nach unten fort und sehe die beiden zu Radiomusik tänzeln und die Pfanne schwenken. Der Anblick gefällt mir nicht.

„Guten Morgen, Matilda! Du bist aber früh wach!", sagt Marlene und lächelt mich an. Es ist gerade mal 07:30h und Sonntag. Was machen die beiden so früh am Morgen? Verrückt muss man sein. Früher hat Papa sonntags immer, wie ich, bis 11h geschlafen. Marlene verändert ihn... negativ.
„Ja...", sage ich schulterzuckend und setze ich mich an den Tisch. Papa stellt mir einen Teller mit einem duftenden Pancake vor die Nase. Jetzt muss ich lächeln. Als ich mir die erste Gabel in den Mund schiene, muss ich zugeben, dass Marlenes Kochkünste bisher verdammt gut sind.  Papa muss wohl echt glücklich mit ihr sein. Leider.

Ich hatte nie so eine Person. Klar hab ich schon Sex gehabt und alles drumrum, aber ich hatte nie wirklich einen Freund, mit dem ich Händchen halten oder kuscheln konnte. Marlene weckt mich aus meinen Gedanken.
„Übrigens, Matilda, falls du hier Langeweile kriegst, kannst du auch gerne mal beim Nachbarhaus Hausnummer 7 klingeln. Dort wohnt Alex, ihr würdet super verstehen, glaube ich!"
Ich will niemanden neues finden. Ich will einfach wieder zurück nach Hamburg und bei Luis sein. Der hat mittlerweile wieder Schule, ich habe noch eineinhalb Wochen vor mir. Wenigstens ein Vorteil: Mehr Ferien. Ich hoffe, dass die Schule hier nicht zu schlimm ist, das bayrische Schulsystem soll ja für den Arsch sein. Keine Ahnung, wie ich dort die zwölfte Klasse schaffen sollen, aber wir werden sehen.

Es regnet und ich gehe mit Max die Nachbarschaft entlang. Noch kenne ich mich hier nicht aus, aber wenn Papa wirklich für immer hier bleiben möchte, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich umzuschauen. Ich trage meine lange halbe Regenjacke und schreibe mit Luis. Ich vermisse ihn, aber er hat jetzt auch eine Freundin - Valeria. Er hat sie während seines Spanien-Auslandsjahr kennengelernt und vergöttert sie. Wir haben vor, heute Nachmittag mindestens 4 Stunden auf Skype zu verbringen und ich will Luis ein Update geben.

Als ich an der Hausnummer 7 vorbeigehe, sehe ich einen Jungen in einem großen Haus mit verdunkelten Glaswänden vorm Fernseher sitzen. Das muss Alex sein. Ein Mädchen kommt aus einer Tür ins Wohnzimmer spaziert und setzt sich neben Alex, der seinen Arm um das Mädchen legt. Alle haben einen Freund oder eine Freundin. Das kotzt mich an. Ich merke, wie ich schon wieder vor meiner neuen Haustür stehe. Ich hole meinen bereits eigenen Haustürschlüssel aus meiner Tasche, streife die dreckigen Schuhe an der Fußmatte ab und betrete mit Max das Haus.

Den Rest des Tages muss ich an Alex denken. Warum meinte Marlene, dass wir uns gut verstehen würden, wenn eine Freundin hat? Ich merke, dass ich durch mein Zimmerfenster direkt in das Zimmer von Alex schauen kann. Einfach so aus Neugier schaue ich rüber und sehe einen nackten Po auf einem Bett und einem Mädchenkörper darunter. Oh shit, die haben Sex! Schnell ducke ich mich. Ich sollte jetzt die Vorhänge zuziehen und ins Bett gehen, aber meinKörper ist irgendwie anderer Meinung. Ich strecke meinen Kopf langsam nach oben und luke mit den Augen rüber. Das Mädchen schaut mir direkt ins Gesicht. Scheiße. Jetzt so schnell wie möglich ins Bett.

Es ist Sonntag und ich laufe mit Max durch ein paar kleine Gassen, um mich besser auszukennen. Aus meinen Kopfhörern kommt „All I Want" von Kodaline. Ich schaue mich um: Grüne Bäume und alle 20 Meter eine Bank. Diesmal ist das Wetter deutlich besser. Plötzlich steht mir jemand gegenüber. Ich bleibe abrupt und starre sie an. Das ist eigentlich ziemlich unhöflich und auch grüße ich sie nicht, was ich eigentlich tun sollte.

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