Kapitel 4: Offene Wunden

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Als ich aufwachte lag ich auf einmal im Bett. War ich nicht auf der Couch eingeschlafen? Ich stand langsam auf und guckte mich in dem nebenan liegendem Wohnzimmer um. Wollte er nicht über Nacht bleiben? Ich drehte mich um Richtung Küche und sah einen Zettel am Kühlschrank hängen. Ich ging hin und nahm diesen in die Hand *Hey Schlafmütze, keine Sorge ich trug dich ins Bett und ja ich hab auf der Couch gepennt. Ich muss noch was erledigen, falls etwas sein sollte steht die Nummer hier drunter. Egal wie sehr du mich hasst, ruf an! -Ethan* seine Nummer stand drunter. Trotzdem ein Arschloch. Ich ging zur Arbeit und schrieb ihm kurz ein eine Nachricht *Hey, hier ist Jessica. Sry das ich dich gestern so angemault habe. Ich denke ich schaffe das schon*

(Jessica guckte während der Arbeit die ganze Zeit auf ihr Handy, aber er meldete sich nicht.)

Ich machte gegen 21 Uhr Schluss und versuchte ihn zu erreichen, aber keine Chance. Er ging nicht ran. Ich tippte ein paar mal auf mein Handy und fand seine Adresse heraus. Bingo! Ich stieg ins Auto und fuhr zur Adresse. Dort angelangt ging ich zur Tür seines Apartments und klopfte. „Halloo?" rief ich. Was ist das verdammt noch mal los. Ich weiß es ist kriminell, aber ich nahm zwei Haarnadeln und brach die Tür auf. Als ich mit dem ersten Blick hinein guckte, sah ich Ethan eingerollt auf dem Boden in der Ecke des Zimmers. Shit. Ich stürmte hinein, schloss die Tür hinter mir und rannte auf ihn zu. Er war komplett fertig. „Ethan... Ethan alles in Ordnung?" Er zitterte und um ihn lagen zahlreiche Tabletten. Scheiße Ethan. Ich Setzte mich neben ihn und legte seinen Kopf auf meinen Schoß. Dann legte ich meine Jacke um ihn und streichelte seinen Kopf. „Es ist alles gut, ich bin da. Kannst du aufstehen?" Er rührte sich nicht. Ich sah mir seine Tabletten an und es waren Benzodiazepin Tabletten. Sind die nicht für die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung? Der Afghanistan Einsatz. Ich guckte mir die Tabletten an, er hatte gar keine genommen. Es waren nur geöffnete Verpackungen. „Komm, du musst aufstehen." Ich half ihm etwas hoch und sah in seine Augen. Sie waren voller Tränen und vor allem voller Angst. Ich nahm ihn sofort in den Arm. „Es ist alles gut. Ich bin da und lasse dich nicht allein." Er umarmte mich zurück und ich fühlte wie eine Last von ihm viel.

Als Ethan sich langsam aus meiner Umarmung löste, setzte er sich auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ich beobachtete ihn, bereit, ihm zuzuhören, wenn er bereit war zu sprechen. „Ich ... ich kann einfach nicht mehr ..." murmelte er schließlich wieder, seine Stimme rau und unsicher. „Du musst nicht reden, versuche einfach ruhig zu atmen," flüsterte ich sanft und strich ihm beruhigend über den Rücken. Die Berührung wirkte beruhigend, und Ethan schien sich etwas zu entspannen, aber die Tiefe seines Schmerzes war noch immer spürbar.

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll," begann er schließlich und suchte nach den richtigen Worten. „Es war ... so viel schlimmer, als ich es jemals erwartet hätte. In Afghanistan ... es war nicht nur der Kampf. Es waren die Dinge, die wir dort gesehen haben, die ... die schrecklichen Dinge." Ich nickte ermutigend und reichte ihm ein Glas Wasser, das ich auf dem Tisch gefunden hatte. „Nimm dir Zeit. Ich bin hier, um zuzuhören," sagte ich leise. „Wir haben ein Lager entdeckt, das wir eigentlich nicht hätten finden sollen. Es war ... es war eine Falle, und wir sind reingetappt," fuhr Ethan fort, seine Augen wurden glasig, als er die Bilder wieder vor seinem inneren Auge sah. „Die Zivilisten dort ... sie waren ... gefangen, misshandelt. Ich konnte nichts tun, um sie zu retten. Wir waren so weit draußen, dass wir nur minimalen Kontakt zur Zentrale hatten." Ich konnte sehen, wie sich sein Gesicht veränderte, während die Erinnerungen zurückkamen. „Es war wie ein Albtraum. Wir mussten kämpfen, und ich ... ich habe alles gesehen. Ich ... ich konnte nicht verhindern, dass wir einige von ihnen ... zu spät gerettet haben." Seine Stimme brach ab, und er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Ich zog ihn sanft an mich und meine eigenen Augen füllten sich mit Tränen, während ich seinen Schmerz mitfühlte. „Ich weiß nicht, wie ich das wieder loswerden soll. Es verfolgt mich jede Nacht. Die Gesichter der Menschen, die wir nicht retten konnten ... die Schreie ..." „Ethan, du musst nicht allein damit sein," sagte ich beruhigend, meine Stimme fest und entschlossen. „Das, was du durchgemacht hast, ist nicht einfach, und du musst dir keine Schuld geben. Was zählt, ist, dass du versuchst, damit umzugehen, und dass du die Unterstützung bekommst, die du brauchst." „Aber ich fühle mich so allein," sagte Ethan mit gebrochener Stimme. „Ich habe es mit den Tabletten versucht, aber sie machen mich Depressiv und durch diese wurden die Anfälle schlimmer." Ich legte meine Hand beruhigend auf seine. „Du bist nicht allein. Wir finden einen Weg, wie du Hilfe bekommst. Vielleicht ist es der erste Schritt, den du jetzt machst – dir selbst zu erlauben, Hilfe anzunehmen."Ethan sah mich dankbar an, und ein schwaches Lächeln spielte auf seinen Lippen, als er die Ehrlichkeit in meinen Worten erkannte. „Danke, Jessica."

Während die Nacht voranschritt, saßen wir dort zusammen, und ich hielt Ethan, während er sich langsam entspannte. Die Gespräche wurden leiser, die Worte seltener, aber er muss anfangen auch mal an sich zu denken.

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