❝Wishing I was someone else, feeling sorry for myself.❞
______________________________
Regungslos starre ich auf die immer dunkler werdenden Streifen an meiner rechten Hand. Vor Jahren, als ich es das erste Mal erlebt habe, tat ich alles, um davon zu kommen. Ich zog, zog und zog - alles ohne Erfolg. Ich blieb für Stunden dort liegen oder auch sitzen, wenn es meine Knie noch schafften. Wenn dem nicht so war, lag ich irgendwann auf den Boden, wie ein Sack voller Garderobe an einer Straßenecke.
Vergessen, vernachlässigt und verlassen.
Bin nicht mehr etwas, um das man sich gut kümmern oder pflegen muss.
So langsam fühle ich auch die Kälte an meine Handgelenke nicht mehr. Die Wunden der Ketten sind so, wie sie immer sind. Schwer zu übersehen und leicht zu erkennen. Die einzige Ausnahme dieses mal, ist die tiefe der Schnitte. Schleppend tropft das Blut aus der Wunde auf meiner von dem Staub grau gewordene Shorts, die mir gefühlt auch schon seit längerem nicht mehr passt und eher adäquat für eine Sechzehnjährige ist.
Auch mein weißes Top blieb nicht verschont. Ein Fleck mit getrocknetem Blut ist auf der rechten Seite zu finden, sehe ich jetzt gerade. Und noch eine kleinere Spur des Blutes ist an der linken Seite, in der Nähe meines Bauchnabels zu erkennen.
Allmählich könnte man sich fragen, was ich angekettet im Keller meines Vaters zu suchen habe. Mit Schnittwunden, höllischen Kopfschmerzen wegen den ganzen Tritten und einem Tablett, geschmückt mit abgelaufener Nahrung, wegen der ich mich nach der Meinung meines Vater, noch glücklich schätzen kann, dass ich überhaupt etwas zu essen bekomme.
Immer wenn seine Geschäfte nicht erfolgreich verlaufen, meine Stiefmutter und meine stiefschwester lügen über mich erfinden, die er ohne jegliches hinterfragen glaubt, oder er sein Geld verspielt, lande ich hier.
Nirgends in der ganzen Wohnung ist es so kalt, wie hier. Vorallem fällt es einem dann auf, wenn man mehrere Tage hier verbringt. Manchmal hielt ich mich auch für Wochen hier auf, ohne jegliche Möglichkeit auf die Toilette zu gehen, oder die Klamotten zu wechseln.
Eigentlich sehr überflüssig mich so weit wie möglich von den anderen, einzusperren. Denn ich kann nicht sprechen. Ich unterlag der Stummheit im Alter von Fünf, als mein Vater nach ein paar Flaschen zu viel Bier nach Hause kam und mich als perfektes Ventil für seine Frustration und Wut nutzte.
Er was so sauer gewesen, dass er mir mehrmals den Hals zudrückte. Immer wieder. Gelegentlich machte er eine Pause, um sich noch ein Schluck aus der halbleeren Flasche zu gönnen. Ich kann mich nur daran erinnern, wie ich immer wieder hoffte, sobald er seine großen Hände um meinen kleinen Hals schloss, dass es das jetzt wäre.
Dass ich doch bitte von den Schmerzen und der Bekenntnis, dass mein eigener Vater nie eine liebenswerte Person in mir sah, erlöst werde. In der Hoffnung, Mama wiedersehen zu können. Auch sie verließ mich früh, aber ihre Weisheiten, die sie mir mit auf den Weg gab, werde ich nie vergessen. Als sie noch lebte, war mein Vater ein ganz andere Mensch. Ein Mann, aus einer komplett anderen Welt.
Als Mama dann dem Krebs erlag, auch nachdem mein Vater sehr viel Geld besorget hatte, von jemanden, den er als guten Bekannten bezeichnete und sie deshalb auch die Therapie machen konnte, starb der Mann und Vater, den sie und ich liebten.
Den darauffolgenden Tag wurde ich Fünf. Saß den ganzen Tag alleine daheim, verbrachte Stunden damit, im Flur ein paar Meter sitzend vor der Haustür, auf ihn zu warten. Es war quasi eine Routine unserer Familie.
Allerdings bekam ich keine Küsse auf die Wange, ein großen Teddybär oder ein köstliches Stück von dem Vanillekuchen, den Mama immer in der gegenüber laufenden Bäckerei kaufte.
An dem Tag, war sein Geschenk für mich die Tatsache, dass er mich nicht getötet hat. Wie er mir im Laufe der ganzen Jahre immer wieder ins Gesicht schrie. Ich solle ja froh darüber sein, dass ich noch nicht unter der Erde liege und immer noch eine lebende Seele sei.
Deshalb warf er mich vor Zwei Tagen auch wieder hier in den Keller und kettete mich an die kaputte Heizung unter dem großen Fenster.
Die Grundschule war die Zeit der Hölle für mich. So oft wurde ich gefragt, weshalb ich nicht sprechen kann und weshalb ich denn meinen Hals mit Puder bedeckt halte. Des öfteren wurde auch das tablet, welches ich benutze um meine Gedanken oder Antworten zu äußern, kaputt gemacht und mir dann lachend hinterher gerufen: »Was hast du gesagt? Wir können dich nicht hören, etwas lauter bitte!«
Auch dieses mal besitze ich nur ein kaputtes Tablet. Er hatte den Stift in der Mitte in zwei Hälften gebrochen und das Tablet mit so einer Wucht auf den Boden geworfen, das ich jetzt nur noch Bruchteile vor mir finde. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ein kleines Stück von dem Display in meinem rechten Fuß steckt, so wie dieser brennt.
Mit einem Blick voller Selbstmitleid und dem Gefühl, dass ich die ekelhafteste Person auf Erden bin, so wie ich hier mit der nassen Shorts wegen meinem Urin sitze, versuche ich nach der einen Hälfte des Stiftes zu fischen, mit meinem linken Fuß. Was nach ein paar Versuchen auch gelingt. So gut wie möglich und mit so viel Kraft, wie vorhanden ist, schmeiße ich ihn gegen die Tür.
In der Hoffnung, jemanden zu erreichen. Dass es jemand hört, hier reinkommt und mich von den Ketten befreit. Ich will nicht viel. Ich würde sogar freiwillig wiederkommen, ich will doch nur meine dreckige Unterwäsche und Shorts wechseln.
Erst bleibt es eine gefühlte Ewigkeit still. Doch dann vernehme ich die Schritte meiner Stiefmutter, Anabell. Sie läuft so laut, dass selbst ein Bär während seinem Winterschlafes erwachen würde und diese laufart ist mit keinem anderen der Bewohner hier zu vergleichen.
Kaum ergreife ich die andere, kleinere Hälfte des Stiftes in meiner rechten Hand, schlägt Anabell die Tür auf. Die Tür kracht so laut gegen die Wand, dass ich den Stift fallen lasse.
Ich bin sehr empfindlich, was die Lautstärke angeht. Egal, bei was. Aber vorallem, die Tonlage der gegenüber stehenden Menschen macht mir immer zu schaffen. Fast mein ganzes Leben lang, wurde ich nur angeschrien.
Stumm vernehme ich, wie auch ihr der Geruch meines Urins in die Nase steigt. Anabell hält sich mit dem Daumen und dem Zeigefinger die Nase zu. Ihr Ausdruck zeigt mir, dass sie mehr als nur angewidert von dem ist, was sie hier sieht.
Voller Scham drücke ich beide Beine zusammen, was dazu führt, dass ich einen heftigen Genuß davon bekomme, wie schlimm ich wirklich riche.
Ekelhaft.
Ich versuche mich mit letzter Kraft, wegzudrehen, um ihren mit Hass erfüllten Blick, zu entkommen.
Mit schnellen Schritten kommt sie auf mich zu und drückt die Ketten an beiden Seiten meiner Hände noch etwas rein. Es tut so verdammt weh, dass ich am liebsten schreien würde.
»Hat dir irgendjemand erlaubt, Sachen durch die Gegend zu werfen wie ein kleine, unerzogene Göre?« Ihre Augen funkeln vor Wut.
Und ich schaffte nichts anderes, als wortlos den Kopf zu schütteln.
»Alleine so nah bei dir zu sein, bringt mich fast dazu, mich zu übergeben.« Erneut übt sie Kraft auf die Ketten aus, die mir immer weiter in die Wunden schneiden. Voller Schmerz verzog ich das Gesicht ein weiteres Mal. Ihre Augen wandern meine ganze Gestalt ab und auf.
Kräftig schüttelt sie den Kopf. »Das beste wäre, wenn wir dich einfach auf die Straße setzen würden. Vielleicht hast du Glück und ein Vierzigjähriger schleppt dich ab.« Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen schossen. Das kann nicht ihr ernst sein.
Ein leises, teuflischen Lachen entwicht ihr. »Keine lebende Seele würde dich jemals vermissen. Unabhängig davon, was mit dir passiert.« Kaum sprach sie es aus, da sah ich eine Person hinter ihr stehen, mit meiner verwischten Sicht durch die Tränen, ist es aber schwer zu deuten, ob es eine Frau oder Mann ist.
Das einzige, was ich erkennen konnte, war die schwarze Kleidung und das die Person sehr groß sein muss. So gross, dass wenn ich stehen würde, meinen Kopf fast komplett nach hinten verlegen müsste, um das Gesicht zu sehen.
Die Person legt den Kopf schief und zieht etwas schwarzes aus der rechten Jackentasche. »Es wird Zeit, dass du mal die verdammte Fresse hältst, Anabell.« Oh Gott.
Das ist ein Mann.
DU LIEST GERADE
THE WORDLESS YOU
RomanceAlejandro Delgado - Der 28 jährige war der Vorstellung zu heiraten, noch nie wirklich positiv geneigt. Als Don einer der meist gefürchteten spanischen Organisationen der Unterwelt, ist einfach kein Platz in seinem Leben für jemanden. Aber was passie...