Kapitel 8.2

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Heute begann meine Arbeit ausnahmsweise später als üblich, und trotzdem schaffte ich es, zu spät zu kommen.

Wie machte ich das bloß?

Meine Oma hatte mich gestern spontan gefragt, ob ich nicht vorbeikommen wollte, da ich schon zu lange nicht mehr bei ihr gewesen war – das letzte Mal war vor einer Woche. Ich weiß nicht, warum es sich für sie so lange anfühlte. Telefoniert hatten wir dafür umso öfter.
Sollte das nicht reichen?

Ich bieg links ab und parkte schließlich auf einem freien Parkplatz. Als ich ausstieg und die Firma betrat, war ich etwas außer Atem. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich die letzten Meter gerannt war.

Aber nur vielleicht.

Die Uhr zeigte 12:30, als mein Blick dorthin wanderte. Ich hätte schon um 12:15 da sein müssen, scheiße.

»Na sieh mal einer an«, kam es von rechts, und ich drehte meinen Kopf schlagartig um. Mein Herz pochte heftig in meiner Brust, und meine Hände wurden feucht vor Nervosität. Die Stimme konnte ich nicht sofort erkennen, weil Panik in mir aufstieg und alle klaren Gedanken vertrieb.

Bitte lass es nicht der Chef sein...

»Ok, beruhig dich erstmal. Ich bin's nur.« Sarah sah mich mit ihren großen, warmen Augen an, die heute noch strahlender wirkten als sonst.

Man hat sie mir einen Schreck eingejagt. Meine Nerven beruhigten sich langsam, aber mein Herzschlag war noch immer schneller als normal. Ich war so froh, dass es Sarah war, die vor mir stand und nicht jemand anderes. Eigentlich war heute geplant, dass der Chef erscheint, um sich einen momentanen Eindruck unserer Arbeit zu verschaffen. Ein Zuspätkommen wäre wohl nicht angebracht gewesen. Deshalb war ich wirklich erleichtert, dass es nur Sarah war.
Solche Angelegenheiten bringen mich wirklich aus der Bahn.

»Man, Sarah, mach mir nicht so eine Angst, ich dachte schon, du wärst...«

»Wer?«, fragte sie nun neugierig und legte ihren Kopf leicht schräg.
Heute trug sie ihre Haare offen, die in weichen Wellen über ihre Schultern fielen, und ihre Brille hatte sie auch nicht auf. Stattdessen funkelten ihre Augen hinter unsichtbaren Kontaktlinsen.

Sie wusste ganz genau wen ich meine.

»Ist auch egal«, murmelte ich und wandte mich wieder meinem Computer zu.

»Keine Sorge, ich werde dich schon nicht verpetzen«, sagte sie schließlich, als hätte sie meine Gedanken lesen können. Ihre Stimme hatte einen beruhigenden Klang, der meine Anspannung weiter löste.

»Danke«, flüsterte ich leise, kaum hörbar, aber sie verstand. Mit einem verständnisvollen Lächeln auf den Lippen ging Sarah zurück an ihren Platz.

Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel und fühlte eine Welle der Erleichterung über mich schwappen. Ich war wirklich froh, dass Sarah meine Entschuldigung akzeptiert hatte. Es war nicht selbstverständlich, nach allem, was vorgefallen war. Dennoch, weiß ich nicht, ob ich mich auf diese „Freundschaft" einlassen sollte. Immerhin kam ich einige Jahre gut ohne aus, für mich war es nur wichtig, ein gutes Verhältnis zu andere zu haben. Aber eine Freundschaft? Ich weiß doch garnicht mehr, wie man sowas pflegt.

Der Raum um mich herum füllte sich langsam mit vertrauten Geräuschen: das leise Surren der Computer, das Tippen der Tastaturen. Eigentlich wie immer, nur das eine Person fehlte : David.

Ich dachte er müsste heute wieder zur Arbeit kommen? Nicht das ich mir sorgen mache, aber wenn ich an gestern Abend denke...

Abgesehen davon, sehe ich auch nirgends unseren Chef, ob er noch etwas zu erledigen hatte? Wenn ja, dann hatte ich ja wirklich Glück. Beim nächsten mal muss ich trotzdem besser aufpassen, es darf mir nicht ein zweites Mal passieren.

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