Aleyana
»Und was hat er gesagt?«, fragte Sarah und biss in ihr Butterbrot.
Seit dem Gespräch mit David waren ein paar Stunden vergangen, und wir hatten endlich Pause. Die Nachmittagssonne schien durch das Küchenfenster und tauchte den Raum in ein warmes, goldenes Licht.
»Er hat zugestimmt«, sagte ich stolz und nippte an meiner Tasse Kaffee.
»Einfach so? Ich hätte gedacht, er würde sich nicht so leicht beeinflussen lassen...«, entgegnete Sarah mit einem misstrauischen Blick.
»Ich hab da meine Mittel...«, sagte ich schmunzelnd. Die Erinnerung an unser Gespräch ließ mich lächeln.
»Also echt, Aleyana, du überraschst mich immer wieder!« Sarah lachte und schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber sag mal, auf was habt ihr euch denn jetzt geeinigt?« Sie sah mich neugierig an, während ich meine Tasse abstellte.
»Geeinigt?«, wiederholte ich, während ich in Gedanken versank.
»Ja, wofür habt ihr euch entschieden?«
»Verdammt, das habe ich ja ganz vergessen!« Ich hatte ihn zwar dazu überredet, einen Handel einzugehen, aber nicht festgelegt, was meine Anforderungen sind. Mann, bin ich blöd! In meinem Eifer, David zu überzeugen, hatte ich das Wichtigste vergessen.
»Also echt, Aleyana, du überraschst mich wortwörtlich immer wieder...« Jetzt seufzte Sarah und hielt sich mit ihrer flachen Hand an die Stirn.
»Unglaublich«, fügte sie hinzu.»Hehe«, ich versuchte, meine Schusseligkeit etwas beiseitezuspielen, während ich sagte: »Ich werde mit ihm nochmal sprechen. Es ist doch schon mal gut, dass er überhaupt zugestimmt hat, oder etwa nicht?«
»Doch schon, aber was ist, wenn...« Sie kam näher und senkte ihre Stimme. »Er dann doch sagt, er könne es so nicht umsetzen.«
»Glaub mir, dazu wird es nicht kommen«, sagte ich zuversichtlich.
»Okay, wenn du das sagst...«
»Wie ich schon sagte, ich habe da meine Mittel.« Ich zwinkerte ihr zu.
Wenn sie nur wüsste.
-
»Ich dachte wir seien Freunde, doch jetzt glaube ich, dass alles nur eine
Lüge war.«David
Diese Aleyana, sie taucht hier einfach auf und glaubt, mir drohen zu können? Ich war zu unvorsichtig. Ich hätte an jenem Tag einfach weitergehen sollen, statt sicherzugehen, dass ihr nichts passierte. Hätte ich geahnt, dass diese Frau das später gegen mich verwenden würde... Allein, dass ich mich jetzt damit auseinandersetze, zeigte doch nur, dass sie mich in ihre Fänge bekommen hatte. Sie wusste es, und ich war mir so sicher, dass sie mich nicht gesehen hatte. Als hätte ich nicht schon genug Probleme. Großartig, und dabei weiß ich noch nicht einmal, was sie eigentlich will.Nun ja, wenigstens konnten wir das Missverständnis mit den Spitznamen klären, wenn auch nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte.
Sie glaubt also tatsächlich, dass es reiner Zufall war, hm? Aber ehrlich gesagt, ich hätte mich an ihrer Stelle auch nicht erkannt. Seit damals habe ich mich völlig verändert: gefärbte braune Haare, eine Brille und ein durchtrainierter Körper. Das genaue Gegenteil von damals. Auch mein Nachname ist anders. Aus dem unscheinbaren Jungen David Maurer wurde David Hawston. Sie konnte es ja nicht wissen. Es sind immerhin mehrere Jahre vergangen. Jahre, in denen ich jemand anderes wurde.
Wie kam ich also darauf, dass sie mich sofort erkennen würde? Mir war schon am ersten Tag klar, nachdem wir miteinander sprachen, dass sie von nichts eine Ahnung haben wird. Vielleicht war es besser so....
Aber trotzdem, ein kleiner Teil von mir wollte, dass sie mich erkennt.
Plötzlich vibrierte mein Handy in meiner Tasche und riss mich aus meinen Gedanken. Neugierig holte ich es heraus und sah, dass Nathan mir eine Nachricht hinterlassen hatte. Eine gewisse Erleichterung breitete sich in mir aus, während mein Puls automatisch in die Höhe schoss. Nathan hatte sich endlich gemeldet. Zwar spät, aber er hatte sich gemeldet! Ich hoffte so sehr, dass es ihm gut ging. Ob er schon beim Arzt war?
So viele Fragen tauchten plötzlich in meinem Kopf auf: Wieso? Wann? Wer? Ich musste alles wissen, alles, was er erlebt hatte, alles, wovon er mir nie erzählen konnte. Ich wollte ihm helfen. Als sein bester Freund hatte ich keine andere Wahl. Es würde sich falsch anfühlen, ihn im Stich zu lassen, jetzt wo ich Bescheid wusste. Deshalb hoffte ich so sehr, dass Nathan sprechen würde. Er muss endlich sprechen...genau so wie ich.
Ich atmete einmal tief durch, bevor ich die Nachricht öffnete, mein Puls wurde allmählich ruhiger.
Nathan:
Bei mir ist alles gut soweit. Ich bin gestern Abend direkt, als ich ankam, ins Bett gefallen und habe bis jetzt gepennt. Ich hoffe, bei dir lief auch alles gut. 👍🏻
Dieser Idiot sollte doch zum Arzt gehen. Ich schüttelte den Kopf, ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen, aber die Sorge ließ sich nicht ganz verdrängen. Nathan war immer schon ein Sturkopf gewesen. Ich konnte es ihm nicht verübeln, aber die Ungewissheit machte mich fertig. Wieso musste er alles geheim halten?
Ich beschloss, ihm sofort zu antworten:
Nathan, du musst wirklich zum Arzt gehen. Mach dir keine Sorgen um mich, mir geht es gut. Aber ich brauche dich gesund, verstanden? Ruf mich an, wenn du beim Arzt warst. Wir müssen reden. Pass auf dich auf.
Ich seufzte und drückte auf Senden. Jetzt hieß es warten und hoffen, dass er auf mich hören würde.
Immerhin wusste ich jetzt, dass es ihm gut ging.
-
»Alsooo«, erhob sich eine Stimme und klatschte in die Hände, bevor sie weitersprach: »Wer hat Lust, etwas trinken zu gehen?«
Ich war gerade dabei, meine Sachen einzupacken, um mich auf den Weg nach Hause zu machen, als ich plötzlich am Arm gezogen wurde.
»Du bist doch sicher dabei!«, sagte die gleiche Stimme wie gerade und klammerte sich an mich.
»Tut mir leid, aber ich habe mich schon verabredet.«
Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber gelogen war es auch nicht. Ich wollte zu Nathan gehen und ihm ein paar Medikamente vorbeibringen. Zumindest war das mein Plan, aber so wie es aussieht, wird nichts daraus, denn die schwarzhaarige Frau sah mich jetzt mit einem Hundeblick an und klammerte sich noch enger an mich. »Bitteeee«, sagte sie und verstellte dabei ihre Stimme.
»Tut mir lei-«, weiter kam ich nicht, denn plötzlich wurde ich von mehreren Frauen und Männern umzingelt, die mich flehend ansahen. Ich genoss zwar die Aufmerksamkeit, aber das war selbst mir zu viel. Andererseits, sie sahen wirklich enttäuscht aus, wenn ich nicht mitkäme.
Es schien ihnen aus irgendeinem Grund wirklich wichtig zu sein, dass ich dabei bin. Warum? Wusste ich nicht.
Oh man, wieso müssen die es mir auch so schwer machen?Nathan wusste ja nicht, dass ich vorbeikommen wollte, er würde es mir also nicht übel nehmen können, wenn ich einfach so gehe, oder?
Geschlagen stimmte ich also doch zu. Ich lasse mich viel zu schnell beeinflussen, dass ist nicht gut. Ich sollte das langsam mal ändern.
Während die anderen sich darüber freuten und schnell ihre Klamotten holten, huschte mein Blick zu Aleyana rüber, die von einer blondhaarigen Frau ebenfalls überredet wurde, mitzugehen. Sie schüttelte zwar öfter den Kopf, doch am Ende gab auch sie sich freiwillig geschlagen.
Aleyana kommt mit?
Das fasse ich nicht.
Das müsste das erste Mal, seit meiner Einstellung sein.
DU LIEST GERADE
Unspoken Words
RomanceAleyana: Einst jung, neugierig und selbstbewusst, ist sie jetzt nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie arbeitet als Game/App Designerin und Entwicklerin in einer wenig beeindruckenden Firma. Nach dem Tod ihrer Mutter hat sie sich völlig verändert u...