5. Kapitel

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Als Mimi am nächsten Morgen aufwachte, schlief Mia noch. Sie dachte nach. Sie selber hatte Hunger und ihr Mutter sicher auch. Als Mia ihren Jungen zwei Tage zuvor das Jagen hatte beibringen wollen, hatten sie zwar nicht versucht, etwas zu fangen, jedoch hatte Mia so viel erklärt, dass Mimi beschloss, es zu versuchen. Also schlich sie sich weg, denn sie wollte ihre Mutter nicht wecken. Sie dachte an den Geruch von Mäusen und versuchte, ihn auszumachen. Jedoch roch sie nur viele Gerüche, die sie nicht kannte. Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter gesagt hatte, dass sich Mäuse gerne an Wurzeln von Bäumen verstecken. Also eilte sie zu einem Baum, der in der Nähe stand. Er hatte große Wurzeln. „Da muss sich einfach eine Maus verstecken!", dachte sie. Da saß tatsächlich eine. Sie dachte an das, was sie geübt hatte. Sie verlagerte ihr Gewicht auf die Hinterpfoten und sprang. Doch sie kam nicht ansatzweise weit genug, um die Maus zu erreichen. Als sie sich wieder aufrichtete, war die Maus verschwunden. Doch Mimi wollte noch nicht aufgeben. Sie sah sich um. Sie sah einen anderen Baum, der auch große Wurzeln hatte und einen Busch, der auch so aussah, als würden sich dort Mäuse verstecken. Sie entschied sich, zuerst zu dem Baum zu gehen. Dazu musste sie wieder an ihrem Schlafplatz vorbeilaufen. Sie machte jedoch einen Bogen darum, um ihre Mutter nicht zu wecken. Als sie am Baum ankam, sah sie eine große Maus, die in der Erde wühlte. Mimi dachte nach. Bei ihrem vorherigen Versuch war sie zu weit weg gewesen, also musste sie jetzt näher an der Maus sein, bevor sie sprang. Sie schlich sich ganz langsam und leise an. Als sie nah genug war, sprang sie. Sie landete auf der Maus und hielt sie mit der Pfote fest. Intuitiv beugte sie sich nach unten und biss der Maus ins Genick. Sie schmeckte warmes Blut. Mimi hob die Maus auf. Sie war sehr stolz auf sich und freute sich schon sehr darauf, ihrer Mutter ihren Fang zu zeigen. Wie gerne hätte sie ihn auch Lili gezeigt. Ob Lili auch schon etwas gefangen hatte? Mimi wollte wissen, wie es ihr ging. Sie dachte an die fette Maus, die sie gerade trug. Ihre Mutter und sie hatten genug zu fressen. Aber wie war das mit Lili? Vielleicht verhungerte sie gerade. „Diese Maus wird Mama und mich stärken, dann können wir uns beeilen und Lili ganz schnell finden.", dachte sie. Also lief sie zurück zu der Mooskuhle, wo sie übernachtet hatten. Als sie dort ankam, war ihre Mutter jedoch nicht da. Mimi legte die Maus ins Moos. „Mama?", rief sie. Doch sie bekam keine Antwort. Sie sah sich um. Wo konnte ihre Mutter bloß sein? Sie stellte sich vor, wie ihre Mutter von Menschen entführt wurde und bekam riesige Angst. War Mimi von nun an auf sich alleine gestellt? Wie sollte sie das schaffen? Sie hatte ja noch fast nichts von ihrer Mutter gelernt. Sie wünschte sich so sehr, dass dies alles nur ein Traum war. Sie wollte sich wenigstens von ihrer Mutter verabschieden, falls sie sie nie mehr sah. Sie wünschte sich, sie könnte in der Zeit zurückreisen und Lili davon abhalten, den Busch zu verlassen an dem Abend, an dem diese entführt worden war. Mimi wollte bei ihrer Schwester sein. Sie hätte alles dafür gegeben. „Jetzt bin ich auf mich alleine gestellt, so wie Lili. Und Mama ist auch alleine.", dachte Mimi. „Jetzt brauche ich einen Plan.", murmelte sie. Sie entschied sich, in die Richtung weiter zu gehen, die sie gestern geplant hatten. Da kam ihr eine Idee. „Vielleicht hat das Auto, was Mama weggebracht hat, auch eine Schlammspur hinterlassen.", überlegte sie. Sie rannte zur Straße. Doch dort sah sie keine Schlammspur. Sie beschloss, die Maus zu essen und dann in los zu gehen. Also kehrte sie zur Mooskuhle zurück. Dort setzte sie sich und begann, die Maus zu fressen. Die war so groß, dass Mimi sie kaum alleine essen konnte. Nachdem sie etwas mehr als die Hälfte gegessen hatte, war sie satt. Doch sie wollte noch mehr davon essen, damit sie nicht so bald wieder jagen musste. Währenddessen dachte sie darüber nach, wie sie überleben konnte. Mia hatte ihr beibringen wollen, wie man jagt und auf Bäume klettert. Doch nun musste Mimi es sich selber beibringen. Sie beschloss, das Klettern zu üben, damit sie es konnte, falls sie nochmal einem Hund begegnete. Also legte sie die halb gegessene Maus zur Seite und lief zu dem Baum, auf den sie gestern geklettert waren. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie ihre Mutter geklettert war. Sie versuchte, so auf den Baum zu klettern, wie Mia es gestern getan hatte. Während Mimi es versuchte, hatte sie das Gefühl, ihre Mutter wäre hier und würde sie anfeuern. Doch nachdem sie zum fünften Mal nicht nach oben gekommen war, setzte sie sich frustriert an unten an den Baum. Sie schloss die Augen. Alles war so fremd hier. Sie war weit weg vom Wald. Sie hörte die vertrauten Geräusche des Waldes nicht. Sie fühlte sich so alleine. Wie hatte es so weit kommen können? Zwei Tage zuvor war noch alles gut gewesen. Mimi schwitzte. Das Klettern hatte sie sehr angestrengt. Es wäre sinnvoll, wenn sie weiterginge. Doch sie wollte nicht aufstehen. Sie hatte Angst, sie würde scheitern. Sie dachte an viele schöne Momente, die sie mit Lili und Mia verbracht hatte. Würde sie je wieder so einen Moment erleben? Sie wusste nicht, wie lange sie schon am Baum gesessen hatte, aber es war definitiv zu lang gewesen. Also stand sie auf und ging zurück zum Schlafplatz. Dort fraß sie die Maus auf, die sie vorher nicht ganz geschafft hatte. Dann stand sie auf und lief los. Obwohl sie gerade erst gegessen hatte, verspürte sie nach kurzer Zeit Hunger. Doch sie hatte vor, erst wieder am Abend zu jagen. Während sie lief, dachte sie darüber nach, wie ihre Reise weitergehen würde. Sie hatte absolut keine Ahnung, wo Mia war, aber sie wusste in welche Richtung sie laufen musste, um Lili zu finden. Also würde sie zu erst Lili finden. Mia hatte die Spur gestern noch weit verfolgt, doch Mimi wusste nicht, wo die Spur lang geführt hatte. Spätestens bei der nächsten Abzweigung würde sie nicht mehr weiter wissen. Doch darum würde sie sich kümmern, wenn es so weit wäre.

Es wurde Abend, als Mimi zu einer Abzweigung kam. Sie beschloss, dort die Nacht zu verbringen, da sie keine Ahnung hatte, wo sie lang musste. Als Schlafplatz wählte sie einen großen Busch am Rand von einem Feld. Dann ging sie jagen. Auf dem Feld sah sie einen Hasen. Mia hatte einmal einen gefangen. Der hatte Mimi und Lili gut geschmeckt. Doch Mia hatte immer wieder gesagt, dass Hasen sehr schwer zu fangen waren. Mimi entschied sich, lieber nach Mäusen zu suchen. Nur kurze Zeit später rannte wenige Schritte von Mimi entfernt eine kleine Maus durch das Feld. Sie sprang nach vorne und erwischte die Maus sofort. Zufrieden trug sie die Maus zum Busch. Dort fraß sie die Maus und legte sich danach hin. Wie konnte sie den richtigen Weg finden? Sie überlegte lange. Sie konnte nicht sicher sagen, wo sie lang musste. Die einzige Möglichkeit schien ihr zu sein, herauszufinden, wohin sie am wahrscheinlichsten gehen musste. Sie beschloss, morgen zu schauen, in welche Richtung die meisten Autos fuhren und dort lang gehen. Nach dem sie diese Entscheidung getroffen hatte, versuchte sie, zu schlafen, doch sie konnte nicht schlafen und wälzte sie unruhig hin und her. Da hörte sie ein Knacken. Jemand kam in den Busch!

Die verlorene SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt