6. Kapitel

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Mimi sprang auf die Pfoten. Die Augen auf die Stelle gerichtet, wo es knackte, schlich sie rückwärts. Sie versuchte, so leise wie möglich zu sein. Doch sie stieß gegen die Zweige des Busches. Sie wollte so schnell wie möglich aus den Busch raus. Aber sie wollte der Gefahr auch nicht den Rücken zudrehen. Doch aus dem Busch raus zu kommen, war wichtiger. Also drehte sie sich langsam um und schlich aus dem Busch. Sie hatte riesige Angst, dass sie von hinten angegriffen werden würde. Vorsichtig setzte sie eine Pfote vor die andere und hoffte, dass sie nicht zu laut war. Als sie aus dem Busch draußen war, rannte sie los. Sie wollte so schnell wie möglich weg. Während sie rannte, lauschte sie. Sie hörte hinter sich niemanden, also wurde sie nicht verfolgt. Aber sie traute sich noch nicht, stehen zu bleiben. Also rannte sie weiter. Plötzlich sah sie vor sich einen Zaun. Sie blieb stehen. Wo konnte sie jetzt hin? Sie könnte über den Zaun klettern oder nach links oder rechts abbiegen. Oder konnte sie es schon wagen, stehen zu bleiben? Sie warf einen Blick nach hinten. Niemand verfolgte sie. Also blieb sie vor dem Zaun stehen. Wie konnte sie jetzt weiter vorgehen? Sie war immer noch in der Nähe der Straße. Sie wusste immer noch nicht, ob sie an der Abzweigung in die richtige Richtung gegangen war, aber zurück gehen konnte sie auch nicht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als an dieser Straße weiter zu gehen. Sie sah nach vorne. Da erst realisierte sie, was sie vor sich hatte. Das war kein einsamer Zaun, der hier einfach so stand. An ihn grenzten viele Zäune an und an diese Zäune wiederum ganz viele. Und viele Häuser standen zwischen den Zäunen. Mimi riss überrascht die Augen auf. Sie war direkt vor die Stadt gelaufen. Da erkannte sie, dass die Straße in die Stadt hinein führte. Das bedeutete also, dass sie auch in die Stadt gehen musste. Mimi war verzweifelt. Im Dorf, wo Mia die Reifenspuren entdeckt hatte, hatte es viele Straßen gegeben. In der Stadt waren es bestimmt viel mehr. Wie sollte sie da immer die richtigen Straßen finden? „Am besten gehe ich gleich weiter. Schlafen kann ich jetzt eh nicht.", dachte sie. Dann lief sie zu Straße und ging in die Stadt. Doch schon bald zweigten Straßen ab. Mimi beschloss, an der großen Straße zu bleiben. Rechts von ihr war ein großer Fluss. Mia hatte mal gesagt, dass im Wasser Fische schwimmen. Mimi hatte noch nie einen Fisch gesehen. Mia hatte gesagt, dass Fische keine Beine, sondern Flossen haben. Lili hatte sie an diesem Tag in eine Pfütze geschubst und Mimi als einen Fisch bezeichnet. Dann hatte sie Mimi dazu aufgefordert, sich in die Pfütze zu legen und sich, ohne ihre Beine zu benutzen, bewegen sollte, da Fische ja keine Beine haben. Mimi hatte das sehr gemein von ihrer Schwester gefunden und war zu ihrer Mutter gerannt, die sie getröstet hatte und ihren Pelz vom Dreck der Pfütze befreit. Mimi vermisste ihre Mutter schrecklich. Sie war immer von ihrer Mutter beschützt worden. Und jetzt war sie alleine. Langsam wurde sie müde. Sie sah einen kleinen Wald auf der anderen Seite des Flusses. In der Nähe des Waldes führte eine Brücke über den Fluss. Mimi überlegte. Sie würde sehr gerne in diesem Wald schlafen. Aber konnte sie der Brücke trauen? Falls sie von der Brücke fallen sollte, würde sie das nicht überleben. Die Brücke war aus Stein und sah sehr stabil aus. Ab und zu fuhr ein Auto darüber. Außerdem führte die große Straße über die Brücke und Mimi wollte ja an der Straße bleiben. Mimi war entschieden. Sie würde über diese Brücke gehen. Sie atmete tief durch. Dann tappte sie vorsichtig los. Die Brücke fühlte sie stabil an und wackelte nicht. Sie lief auf der rechten Seite auf einer Erhöhung. Sie fühlte sich wie in einer Falle. Links neben ihr fuhren die Autos und auf ihrer rechten Seite ging es weit nach unten. Sie versuchte sowohl von den Autos als auch vom Rand der Brücke möglichst viel Abstand zu halten und nicht nach unten zu sehen. Plötzlich wurde sie sehr panisch. Sie war ganz alleine, weit weg von ihrem zu Hause und hatte keine Ahnung ob sie überhaupt auf dem richtigen Weg war. Niemand war da, der ihr helfen konnte. Sie dachte an den morgen, an dem sie losgelaufen waren. Sie hatte damit gerechnet, Lili noch am selben Tag zu finden. Und jetzt war sie ganz alleine. Nicht einmal ihre Mutter war noch da. Mimi spürte Trauer und Angst. Sie wollte endlich wieder bei ihrer Familie sein. Sie rannte bis zum Ende der Brücke. Dann überquerte sie die Straße, was zum Glück recht einfach war, da nur wenige Autos unterwegs waren. Sie überquerte eine kleine Wiese und lief in den Wald. Er war am Fuß eines kleinen Berges. Mimi beschloss, noch zu jagen. Sie schlich durch den Wald und prüfte immer wieder die Luft. Doch sie roch keine Beute. Mimi verzweifelte. Sie hatte Hunger. Als sie schon fast aufgeben wollte, sah sie plötzlich ein Eichhörnchen. Es war auf dem untersten Ast eines Baumes. Da würde Mimi hochklettern können. Sie versuchte, möglichst leise den Baum zu erklimmen, doch das Eichhörnchen sprang plötzlich alarmiert auf den nächsten Baum. Mimi sprang hinterher. Sie berührte das Eichhörnchen, doch es riss sich los und rannte weit weg. Frustriert gab Mimi auf. Sie kletterte vom Baum und rollte sie zwischen seinen Wurzeln zusammen. Müde schlief sie ein.

Die verlorene SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt